Es ist beschlossen: Ramsay Bolton muss sterben. Und das möglichst bald, möglichst grauenvoll und möglichst endgültig. Fürsprecher hat er am Ende vermutlich sehr wenige und es ist auch vergleichsweise unwahrscheinlich, dass sich Amnesty International für ihn einsetzen wird und seinem bald zu erwartenden Ableben eine Stundung abverlangen wird.
Einige, vielleicht die meisten, werden jetzt denken: Wer ist denn Ramsay Bolton? Und warum muss er sterben?
Ramsay Bolton ist ein Mörder (vornehmlich der seines Vaters, aber auch seiner Stiefmutter, seines Halbbruders und diverser anderer). Er ist außerdem ein Vergewaltiger, ein Folterer, ein Psychopath und, auch wenn man es nicht beweisen kann, vermutlich trennt er auch seinen Müll nicht. Ramay Bolton ist ein (derzeit der) Antagonist aus Game of Thrones und Game of Thrones wiederum ist die Verfilmung des Lieds von Feuer und Eis. Beides derzeit ziemlich populär und sowohl lesens- als auch sehenswert (und sei an dieser Stelle empfohlen). Ramsay Bolton ist insofern also „nur“ das Phantasiegeschöpf von George R.R. Martin und insofern auch durchaus meuchelbar, ohne das jemand dafür lange ins Gefängnis müsste.
Nun ist das hier nicht Serienjunkies und warum ist das ein Thema? Weil es interessant ist, warum Ramsay Bolton sterben soll. Zwei (exemplarische) Artikel, die das vergleichsweise gut beschreiben, sind hier zu finden:
Dazu muss man sagen, dass Debatten um den Inhalt von Fernsehserien in Deutschland noch vergleichsweise selten sind, aber in den USA sehr viel verbreiteter sind.
Nun ist es völlig normal, dass sich Zuschauer mit bestimmten Characteren in Filmen wie Serien assoziieren oder auch Antipathien entwickeln. Man könnte auch sagen, das ist voll beabsichtigt. Zuschauer, die mitfiebern, haben eben eine viel höhere Wahrscheinlichkeit wieder einzuschalten. Aber warum schlägt diesem Antagonisten der Hass so entgegen und warum geht das so weit, dass die Serie boykottiert werden soll (was, wenn man in Deutschland äquivalente Debatten führen würde, hier eher eine Diskussion um Verbote auslösen würde)? An Brutalität alleine kann es nicht liegen, denn besagter Character hat sich bereits vorher als brutaler Folterer hervorgetan. Und warum will man, dass eine Fiktion (!) unbedingt bestimmte Dinge unterlassen soll und die Autoren bitte bestimmte Verbrechen ausklammern sollen? (Bezeichnenderweise hat den Sturm der Entrüstung eine Vergewaltigung ausgelöst, während die monatelangen Folterungen eines männlichen Protagonisten, als auch dessen Entmannung, keinerlei solche Entrüstungen hervorgebracht hat).
Dieser Autor hat den Eindruck, dass es im Kern darum geht, dass nicht sein soll, was nicht sein darf. Er ist der Druck, dass nicht nur die Realität bestimmte Dinge ausblenden soll, auch die Fiktion soll das abbilden, was wir für opportun und richtig halten. Überspitzt ausgedrückt: Auch ein Verbrecher soll bitte politisch korrekt zu Werke gehen. Er soll morden (zumindest wenn weiße Männer die Opfer sind), stehlen und lügen, aber bitte nicht vergewaltigen. Er soll "böse" Dinge tun, aber er soll sich bitte dabei dumm anstellen (weil am Ende ja das Gute gewinnen muss, und das geht nur, wenn das Böse sich blöde genug anstellt (hervorragendes Beispiel ist das endlos inkompetent Böse in Kings "The Stand")). Verbrecher sollen ein bisschen so sein, wie man sich den Räuber Hotzenplotz vorstellt: Fehlgeleitet, dumm, primitiv (und vielleicht noch mit einem schwarzen Hut). (Zur Ehrenrettung des Hotzenplotz sei gesagt, dass der natürlich niemanden abmeuchelt und allenfalls einen Fetisch für Kaffeemühlen auslebt).
Was Verbrecher aber nicht sein sollen ist clever. Oder geschickt. Sie sollen mit ihren Verbrechen keinen Erfolg haben. Und sie sollen alle die Dinge, die wir für igittigitt halten, auch nicht tun: Auch Verbrecher sollen keine Frauen vergewaltigen. Sie sollen auch keine Kinder schlagen. Oder Rassisten sein. Und sie sollen all das was sie tun, eigentlich bereuen, zumindest nicht geniessen. Weil am Ende, das wissen wir doch alle, das richtig Böse nicht existiert.
Dazu sind zwei Dinge zu sagen. Zum einen: Es handelt sich um Fiktion. Verbrecher können so böse sein, wie sie wollen, es ist eine Geschichte. Sie ist nicht dafür gemacht unsere Vorstellungen von political correctness wiederzugeben. Sie soll unterhalten, vielleicht etwas lehren oder einfach nur die Idee eines Autors transportieren. Ob solche Brutalitäten das tun, muss jeder für sich entscheiden, aber die Geschichte erzählt immer noch der Autor. Zum anderen: Die Augen zu zumachen ist mit Sicherheit auch keine Antwort auf die Realität. Es gibt das abgrundtief Böse, auch wenn es politisch nicht korrekt sein mag. Und es ist nicht mit dem Sieg der Alliierten (oder je nach Sichtweise der roten Armee) ausgerottet worden. In Ruanda wäre ein Ramsay Bolton nicht aufgefallen. Und auch der IS gibt sich alle Mühe die menschliche Zivilisation in wenigen Jahren zu überwinden. Ich habe keinen Zweifel das Analogen zu Ramsay Bolton dort draußen rumlaufen und auch seit Menschheitsgedenken existiert haben. Und gerade in politischer Führung sind solche Menschen gar nicht so selten zu finden. Und, so ist es eben auch, die meisten werden ziemlich alt.
Llarian
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