Verbinden
Sie etwas mit dem 23. Januar 1960, lieber Leser? Vermutlich eher nicht,
zumindest nicht ad hoc. Wie steht es mit dem 29. Mai 1953? Oder dem 20. Mai
1927 ? 12. Mai 1961 ? Wenigstens den 21.
Juli 1969 ?
Nun, die
Antworten sind vergleichsweise einfach: Im Jahr 1927 überquerte Lindbergh als
erster Non-Stop den Atlantik. 1953 bestiegen Hillary und Norgay das erste Mal
in der Geschichte den Mount Everest. 1960 drangen Picard und Walsh das erste
Mal in den Marianegraben vor. 1961 flog mit Juri Gagarin der erste Mensch ins All
und 1969 erfolgte dann (jetzt werden Sie es erraten haben, lieber Leser) die
Mondlandung und Armstrong betrat als erster Mensch den Mond.
All dieses
Männern (sorry, aber historisch, wenn auch nicht politisch, korrekt) ist ein
bestimmter Geist gemeinsam: Der Wille etwas zu erreichen, was noch keiner vor
ihnen erreicht hatte. Und das durchaus unter teilweise geradezu aberwitzigem
Risiko. Die Menge an abgestürzten Fliegern, an toten Astronauten, Tauchern,
Bergsteigern und Testpiloten ist Legion. Und trotzdem wurden diese Dinge
erreicht. Und auch wenn die einzelnen Taten dem Fortschritt der Menschheit
sicher nur in deutlich übersichtlichen Dosen geholfen haben dürften, so sind
das alles Dinge, die die Phantasie und den Erfindungsreichtum von ganzen
Generationen nachhaltig geprägt haben dürften. Dieser Autor hat die Mondlandung
vielleicht nicht erlebt, aber er ist davon nachhaltig geprägt worden und hat
diese „Irren“ immer als große Vorbilder betrachtet. Denn der Ausfluss dieser
Vorbilder und dieses Pioniergeistes hat eben auch außerhalb ihrer jeweiligen
Felder viel bewegt.
Allerdings
ist dieser Liste noch etwas mehr gemein: Es sind alles Dinge, die
vergleichsweise lange her sind. Die meisten von uns haben sie kaum real erlebt,
selbst die Mondlandung als letztes Beispiel der Liste ist inzwischen fast 50
Jahre her. 50 Jahre. Das sind immerhin schon anderthalb Generationen, selbst
nach heutigen Maßstäben. Was ist eigentlich seitdem passiert?
Erstaunlich
wenig. Pioniergeist ist selten geworden. Die Berge sind bestiegen, das Meer ist
betaucht, auf den Mond will man eigentlich nicht mehr (mal ab von ein paar
Chinesen) und ein Flugzeug das um die Erde fliegt ist sowas besonderes nicht
mehr. Was nicht heißt, dass nicht durchaus Herausforderungen existieren würden.
Aber sie werden nicht verfolgt. Der Flug zum Mars, obschon technisch
wahrscheinlich durchaus in Reichweite, findet allenfalls in Hollywood statt. Die
Idee Städte auf oder unter dem Meer zu bauen, ist nicht weiter als zurzeit von
Jules Vernes. Und wenn jemand einen Zug auf mehr als vierhundert
Stundenkilometer beschleunigen möchte, dann klappt das allenfalls noch in
China, aber sicher nicht mehr im Lande der Dichter und Denker.
Sicher, es
gibt immer noch wissenschaftliche wie technische Durchbrüche. Das Internet ist
sicher der Populärste in den letzten 30 Jahren. Aber auch autonome Fahrzeuge sind
ein solcher. Oder der Handy-Boom der letzten 10 Jahre. Aber dennoch: Irgendwie
ist es doch ein schales Gefühl, dass „wir“ uns so wenig bemühen die scheinbaren
Grenzen der Natur einzureißen.
Wobei ich
mir natürlich darüber klar bin, dass dieses „wir“ nichts weiter als ein
verklausulierter Wunsch des „ich“ ist, dass von sich auf eine Mehrheit schließen
möchte, die vermutlich gar nicht da ist. Aber dennoch erlaube ich mir die
Frage: Warum ist sie nicht da? Wann sind wir abgebogen? Warum interessiert es
uns so wenig zu unseren Nachbarplaneten zu reisen? Warum juckt es uns nicht,
was in der Tiefsee passiert? Warum haben wir heute so viel Angst vor
Technologie (Stichwort Atomkraft, Genetik, Fracking, etc. etc. etc.) und so
wenig Hoffnung darauf Grenzen aufzustoßen?
Selbst wenn
man kein großer Anhänger von Science Fiction ist, so ist den meisten Menschen
Captain Kirk und die Welt, die sich Roddenberry ausgedacht hat, ein Begriff. Es
ist eine utopische Vision der Zukunft, mit der die meisten, ob von links bis
rechts, von liberal bis kollektiv, etwas anfangen können. Hat irgendjemand mal
danach gefragt, ob wir je in einer utopischen Welt leben werden, wenn wir
Technologie verbieten und verteufeln, Pioniere belächeln und unsere wichtigste
Herausforderung darin sehen, über das „soziale Geschlecht“ nachzudenken ?
Ich fühle
mich in diesem Denken nicht zuhause. Ich möchte, frei nach Goethe, immer noch
wissen was die Welt im Inneren zusammenhält. Ich möchte technische Protzbauten
sehen, Großprojekte, Quantensprünge und überhaupt den Mut etwas Neues zu tun. Ich
sehe aus meiner liberalen Seele, dass man diese Wünsche nicht einfach „staatsfinanzieren“
kann, wie sich linke Gesellschaftsklempner das gerne vorstellen. Aber ich finde
es schade, dass „wir“ es nicht tun. Und das wir es nicht wollen(!).
Wie ich
schon etliche Male in unserem Zimmer geschrieben habe, halte ich wenig bis gar
nichts vom dem Irrsinn, der sich Energiewende nennt. Es ist ökonomisch der
letzte Unsinn und es gefährdet Deutschland als Industriestandort. Aber, auf die
Gefahr mir jetzt selber zu widersprechen, es hat trotz allem etwas pionierhaftes.
Es ist fehlgeleitet, sicher, aber es ist tatsächlich der Versuch etwas anders
zu machen. Ich halte aus meinem technischen Sachverstand wenig von dem Projekt,
aber aus einer romantischen Sicht heraus erlebe ich zumindest eine kleine,
verhaltene Freude darüber, dass wir als Gemeinschaft unser Geld lieber für ein
solches Projekt ausgeben, statt eine neue Professur zu schaffen, die sich damit
beschäftigt, wie man die deutsche Sprache verhunzt.
Nun ist das
hier ein Gedankensplitter und keine Aufforderung etwas zu tun oder zu lassen.
Aber geht es Ihnen nicht auch, in einem stillen Moment vielleicht, ein bisschen
so, dass sie sich freuen würden, wenn wir als Gemeinschaft etwas Großes zuwege
bringen? Sollte ITER eines Tages funktionieren bin ich ganz sicher, dass ich mich
freuen werde. Und wenn ich im Altersheim irgendwann sehe, dass ein Chinese den
Mars betritt, dann werde ich mich ebenso freuen. Aus Sicht der Zukunft ist
jeder Stand der Menschheitsgeschichte immer nur eine Zwischenstation zur
Zukunft gewesen. Eine Geschichte voller Schritte, Entwicklung und Pioniergeist.
Ich würde mich freuen, wenn meine Generation vielleicht auch ein paar Schritte
geht.
Llarian
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