SiggiPop, der ja immer wieder für den einen oder anderen Satz ausgesprochener
Blödheit gut ist, hat einen interessanten Satz von sich gegeben, in seiner „Rede“,
in der er erklärt hat, welches Pack demnächst eingesperrt werden muss. Er
sagte: „Das sind Leute, die haben mit Deutschland nichts zu tun."
Der
Satz verdient eine tiefere Reflektion. Hat dieses Pack (TM Gabriel) tatsächlich
nichts mit Deutschland zu tun? Nun, ich kann mich irren, aber ich bin relativ
sicher, dass es sich nicht um amerikanische Touristen handelt, die dort in
Heidenau ihrem Ärger Luft machen. Dieser Autor würde sogar dazu neigen eine
Wette einzugehen, dass es sich durchaus um deutsche Staatsbürger handelt, mit
einiger Wahrscheinlichkeit in der Mehrheit gar solche, die sogar von Geburt an
dieser Staatsbürgerschaft angehören. Es fällt schwer zu begründen, warum dieses
„Pack“ nun gerade nichts mit Deutschland zu tun haben soll. Oder simpel gesagt:
Auch wenn es Herrn Pop schwerfällt das hinzunehmen, so ist dieses Pack nicht
weniger Deutschland als er oder Sie, lieber Leser.
In
einem extrem lesenswerten Artikel, der gerade erst auf diesem Blog erschienen
ist, schreibt Herr in seinem Schlusssatz, dass wir als Menschen die „verdammte
Pflicht“ haben, unsere Mitmenschen in Not menschlich zu behandeln. Was
natürlich an der Stelle die Aufnahme von Flüchtlingen impliziert, zumindest ist
das die Implikation die bei diesem Autor geweckt wird. Was zunächst ja auch etwas ist, dem die
meisten sofort und ohne Bedingung zustimmen würden. Es ist natürlich aus Sichtweise
der evangelischen Glaubenslehre, die von unserem geschätzten Mitautor geteilt
wird, nahezu kanonisch naheliegend. Fragen darf man aber auch, ob die Idee
deswegen mehrheitsfähig ist, oder, was vielleicht noch wichtiger ist, diese
Forderung an jeden erhoben werden kann und darf.
Das
„Pack“ ist nämlich gerade nicht dieser Meinung. Und ein großer Teil vom
restlichen Europa auch nicht (die allerdings auch nach Herrn Pops Leseart ja
auch nichts mit Deutschland zu tun haben, insofern kein Problem darstellen).
Und man darf (und sollte) fragen, warum dieses „Pack“ nun gerade nicht dieser
Meinung ist, bzw. kein Interesse daran hat, ein Asylantenheim vor der eigenen
Haustüre zu haben und zu finanzieren.
Prinzipiell
gehe ich davon aus, dass auch Neonazis, Kommunisten, Verbrecher oder Heuschrecken
(um die gängigsten Feindbilder zu sammeln) nichts aus purer Boshaftigkeit tun. Das
tatsächlich greifbar Böse ist etwas sehr seltenes, so selten, dass es einen
anspringt, wenn man es außerhalb von Filmen oder Computerspielen, wahrnimmt. Was
nicht heißt, dass es nicht existiert, aber ebenso nahelegt, dass es nicht dafür
trägt, dass sich größere Menschenmengen hinter etwas stellen. Die allermeisten
Leute handeln aus ganz naheliegenden und persönlichen Motiven heraus. Ich neige
deshalb zu der Vermutung, dass ein Großteil der Probleme des „Packs“ sich vor
allem aus zwei Quellen speist: Zum einen die räumliche Nähe zu einem
eventuellen entstehenden Problembezirk. Zum anderen aus der realen Gefahr in
Zukunft durch Flüchtlinge schlechter gestellt zu sein. Sei es dadurch, dass der
Sozialstaat durch die zusätzliche Last natürlich bei denen sparen muss, die
heute von ihm leben, sei es auch dadurch, dass Menschen, die heute schon
Schwierigkeiten haben einen Job zu finden (weil sie nicht viel gelernt haben
und/oder nicht viel anzubieten haben), sich durch zusätzliche Konkurrenz am
Arbeitsmarkt bedroht sehen.
An
dieser Stelle erlaube ich mir mal etwas ganz unkorrektes zu sagen: Das ist
nachvollziehbar. Wenn ich selber am Sozialstaat hänge, sei es, weil ich seit
Jahren arbeitslos bin, sei es, weil ich nichts gelernt habe, sei es, weil ich
alt bin und auf den Staat angewiesen bin, weil ich nichts mehr aufbauen kann,
dann bin ich von jeder großen Last, die dem Sozialstaat droht, in meiner
Existenz bedroht. In den Medien wird gerne das Bild des arbeitslosen, dumpfen,
ungebildeten, aggressiven Neonazis gezeichnet und auch wenn das natürlich
plakativ ist, ist da im Kern etwas dran. Wer kann es denn so jemandem
verdenken, wenn der sich wehrt, dass seine Lebensgrundlage in Gefahr gerät?
Genauso diejenigen, die in solchen Städten dann leben sollen. Heidenau hat
knapp 16.000 Einwohner. Der Staat möchte dort demnächst 600 (!) Flüchtlinge
unterbringen. Haben Sie eine Vorstellung, was das bedeutet, lieber Leser? Das
ist ein Donnerschlag, mit allen Problemen, die das mit sich bringt. Denn
natürlich sind diese 600 eben nicht alle die stereotypischen Zahnärzte, die nur
so lange wie der Krieg in Syrien dauert, mit ihrer Frau und ihren beiden
Mädchen mal kurz in Deutschland überwintern. In der Mehrheit sind es in aller
Regel junge, schlecht ausgebildete, alleinstehende Männer, die kaum einen
Brocken der Sprache sprechen und mit einem völlig fremden, kulturellen
Hintergrund anrücken. Und welche Probleme so etwas schafft, sollte selbst in
Hamburg Rothenbaum bekannt sein.
Aber,
und hier komme ich jetzt zum Punkt, auf den ich hinaus will: Das
Flüchtlingsheim ist ja eben nicht in Rothenbaum. Es ist in Heidenau. Und die
Belastung des Sozialstaates trifft auch nicht Cem Özdemir, Till Schweiger oder
die ganzen anderen Experten, die jetzt allen was von Menschlichkeit erzählen. Die
Folgen treffen zunächst mal in erster Front das „Pack“. Und das „Pack“ will
nicht. Weil das „Pack“ eben seinen Lebensstandard auch ganz gerne erhalten
möchte.
Ich
muss sagen, ich mag diese Doppelmoral überhaupt nicht. Wenn es einem Herrn
Schweiger ein Bedürfnis ist ein Asylantenheim zu bauen, dann soll er das tun.
Und wenn er das dann auch selber bewirtschaftet, umso besser. Genauso wie die
evangelische Kirche gerne so viele Asylanten aufnehmen soll, wie sie möchte, so
lange sie diese selber versorgt. Ich finde, wenn jemand einen moralischen
Anspruch definieren möchte, dann soll er den erst einmal und eigentlich sogar
nur einmal an sich selbst definieren. Aber anderen Leuten etwas von einer
Pflicht zu erzählen, die man definiert, weil das eigene (!) moralische Gewissen
einem das befiehlt, das hat für mich zumindest einen Beigeschmack.
Für
manche mag es sich so anhören: „Ich kann es mir ja leisten. Die 8 Milliarden im
Jahr sind auf den Bundeshaushalt gerechnet eine übersichtliche Summe und wenn
ich nächstes Jahr ein Prozent mehr Steuern zahlen muss, macht das zwar keinen
Spaß, aber das krieg ich schon hin. Ich muss auch in keinem Problembezirk
wohnen, denn ich kann es mir leisten dort zu wohnen, wo garantiert erstmal kein
solches Heim aufgemacht wird. Und mein Job ist unter Garantie nicht durch einen
Asylanten bedroht. Mir macht das alles vergleichsweise wenig und ich kann schön
meinem Gewissen frönen und mir auf die Schulter klopfen, weil wir ja armen
Flüchtlingen helfen. Alleine, wie schön könnte ich mir jedes mal auf die
Schulter klopfen, wenn ich lese, dass Deutschland und Schweden die einzigen
Länder in Europa sind, die überhaupt richtig was tun. Das Leben kann so schön
einfach sein und dieses Gefühl der Wärme und des Zusammenhaltes wird nur noch
übertroffen wenn ich in das dankbare Gesicht eines Flüchtlingskindes blicken kann,
das flehentlich danke sagt.“
Nur
das „Pack“, das stört.
Llarian
© Llarian. Für Kommentare bitte hier klicken.