Auch nach 25 Jahren Aufarbeitung ist es uns offenbar nicht gelungen, in der Gesellschaft zu verankern, dass die DDR eine menschenverachtende Diktatur war. Die Hauptschuld daran trägt die Linkspartei, die den DDR-Verklärern immer wieder politischen Rückhalt gibt. Man braucht nicht einmal ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man die SED-Diktatur lobt.
Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte
Berlin-Hohenschönhausen, zitiert in diesem Welt-Artikel.
Kommentar: Man kann diese Einsichten nicht oft genug
wiederholen, zumal im wiedervereinigten Deutschland ein Vierteljahrhundert nach
dem Mauerfall Ostalgie und die Relativierung des vom real existierenden
Sozialismus begangenen Unrechts eine verbreitete gesellschaftliche Einstellung
zu sein scheinen. „Es war nicht alles schön in der DDR“, fasst wiederum die Welt diesen verharmlosenden Blick auf die Vergangenheit treffend zusammen und
erläutert die mittlerweile im Mainstream angekommene apologetische Haltung
gegenüber dem schlechteren Deutschland folgendermaßen:
Jedem Gesamtdeutschen im Jahr 2014 kommt die DDR, wenn sie so quellenunkritisch aus ihrer Aktenlage und aus den Erinnerungen ihrer Insassen rekonstruiert wird, irgendwie idyllisch vor. Die selbstbewussten Frauen, Nackte an den Stränden, Arbeit, Sicherheit und Freizeit. Selbst die Mangelwirtschaft wirkt, wenn man sie heute sieht, wie ein vom Staat gelenktes großes Downgrading. [...]Da erscheint das Aber [der überwachende und bevormundende Unrechtsstaat] gar nicht mehr so schlimm, beinahe wie ein aufregendes Abenteuer.
Damit hat sich letztlich das von der SED alias Die Linke
propagierte Narrativ durchgesetzt, die DDR als einen Staat mit Sonnen- und
Schattenseiten darzustellen. Im Parteiprogramm findet sich dazu folgende
Einlassung (Seite 12):
Zu den Erfahrungen der Menschen im Osten Deutschlands zählen die Beseitigung von Erwerbslosigkeit und die wirtschaftliche Eigenständigkeit der Frauen, die weitgehende Überwindung von Armut, ein umfassendes soziales Sicherungssystem, ein hohes Maß an sozialer Chancengleichheit im Bildungs- und Gesundheitswesen und in der Kultur sowie die Umstrukturierung der Landwirtschaft in genossenschaftliche und staatliche Betriebe. Das Prinzip „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen“ war Staatsräson. Auf der anderen Seite standen Erfahrungen staatlicher Willkür und eingeschränkter Freiheiten, wie der Aufbau eines staatlichen Überwachungsapparates gegen die eigene Bevölkerung. Wichtige Reformansätze wurden nach kurzer Zeit immer wieder autoritär abgewürgt. Die Demokratie blieb auf der Strecke, und eine ökologische Orientierung hatte wenig Chancen. Die Zentralisation der ökonomischen Entscheidungen und die bürokratisierte Form der Planung und Leitung der Volkswirtschaft sowie die weitgehende Einschränkung betrieblicher Selbstständigkeit führten langfristig zu einem Zurückbleiben der Innovations- und Leistungsfähigkeit. Damit sank die Anziehungskraft des ökonomischen Modells der DDR.
Diese Darstellung weist einige Un- und Halbwahrheiten auf: So
bestand zum Beispiel eine Chancengleichheit bei der Bildung gerade nicht, weil
bestimmte junge Menschen aus unsachlichen Gründen zum Studium gar nicht zugelassen
wurden. Die in den ersten Nachkriegsjahren herrschende Armut wurde zweifellos
auch in der DDR überwunden, aber in der Bundesrepublik entwuchs ihr ein
historisch beispielloser Reichtum der Gesellschaft. Für die gezielte Ermordung sogenannter Republikflüchtlinge ist in dem schönfärbenden
Bild der Ostalgikerpartei kein Platz.
Die Unzulänglichkeit des Arguments, in der DDR sei ja nicht
alles schlecht gewesen, erschließt sich bei einem Vergleich mit der
unsäglichen, schon längst zum Stereotyp gewordenen Nazi-Verteidigung „Unter
Hitler wurden die Autobahnen gebaut und eine Frau konnte sich nachts auf die
Straße trauen“. Was will man mit diesen Differenzierungen erreichen? Dass unser
Staat ein bisschen DDR beziehungsweise ein bisschen Drittes Reich werden soll?
Dass man nur gewisse Freiheiten opfert und andere unberührt lässt? Wie
realistisch ist es, dass der Wagen auf halbem Weg zur Knechtschaft stehen
bleibt (ganz abgesehen davon, dass es ganz und gar nicht wünschenswert ist,
diesen Parcours überhaupt einzuschlagen)?
Wenn Hans Modrow dazu auffordert,
mit der DDR etwas gnädiger um[zu]gehen, als wir es heute tun, und mit der Bundesrepublik etwas kritischer[,]
dann ist diesem Ansinnen mit äußerster Entschiedenheit
entgegenzutreten. Es darf keine Weichzeichnung dieses Unrechtsstaats, dieser
die Freiheitsrechte des Individuums mit Füßen tretenden Diktatur geben, die –
wie Sven Felix Kellerhoff im soeben verlinkten Welt-Artikel zutreffend schreibt
– nicht nur Fehler hatte, sondern „ein Fehler“ war.
Da in den Parteien derzeit ja marktschreierische Forderungen nach
härteren Strafen für Steuerhinterziehung und einer Erhöhung des Ermittlungs-
und Fahndungsdrucks laut werden, sollte vielleicht noch angemerkt werden, dass
ebendiese politische Führungsschicht in Zukunft auf eine geheimdienstliche
Beobachtung der Bundestagsabgeordneten der Linken komplett verzichten wird und in
der Vergangenheit bezüglich des außer Landes geschafften SED-Vermögens
keinen besonderen Aufdeckungseifer an den Tag legte, sondern vielmehr
weitgehend untätig blieb. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt.
Noricus
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