Wussten Sie
schon, dass die allermeisten unserer Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel im
Grunde ihres Herzens Rassisten waren, die gleichzeitig islamophob, homophob und
obendrein noch was gegen Kinder hatten? Obendrein waren sie hinterwäldlerisch,
ungebildet und -wichtig heutzutage- ausgesprochen dumpf. Glauben Sie nicht,
lieber Leser? Dem ist aber so, wie ich Ihnen gerne im Weiteren erklären möchte.
Aber seien Sie vorsichtig, womöglich entdecken Sie, dass Sie eventuell auch das eine oder andere Attribut für sich
in Anspruch nehmen können, wenn Sie nur lange genug leben.
Beginnen
möchte ich meinen Beleg mit einem Artikel, der in der FAZ erschienen ist und
sich mit der AFD beschäftigt. Nun sind Schmähartikel zur AFD
nicht unbedingt etwas Besonderes (wobei die FAZ normalerweise etwas
zurückhaltender ist als der sonstige deutsche Journaillienmob), aber die Art
der Argumentation verdient etwas mehr Aufmerksamkeit: In dem Artikel werden
Frau von Storch drei Attribute, respektive Meinungen, „vorgeworfen“: Sie habe
etwas gegen die Rechte von Schwulen. Sie habe etwas gegen die Rechte von
Muslimen. Sie habe etwas gegen die staatliche Schulpflicht.
Letzteres
ist das einzige was belegt wird. Ersteres dagegen ist schon eine sehr
fragwürdige Verkürzung. Frau von Storch hat sich gegen die Gleichstellung von
schwulen Partnerschaften mit heterosexuellen ausgesprochen. Nun ist das eine Meinung,
die man haben kann und die durchaus mit dem GG konform geht und auch sehr, sehr lange konform ging. Es gibt im GG
keine Rechte auf eine schwule Ehe oder ein Adoptionsrechte für schwule Paare.
Und wenn Frau von Storch Ungleiches eben nicht gleich machen will, dann ist das ihr gutes Recht. Deswegen hat niemand jemandem ein (Grund-)Recht genommen. Die zweite
Position ist noch absurder: Frau von Storch möchte gerne Volksabstimmungen zum
Moscheebau haben. Da kann man unterschiedlich zu stehen, aber es ist eine
Meinung, die man haben kann. Da wird kein Recht beschnitten, Muslime haben,
auch wenn der Autor der FAZ das nicht so sehen möchte, kein gottgegebenes Recht
-auch kein weltliches- in Deutschland Moscheen gegen den Willen der Bevölkerung
zu bauen (zumal es real tatsächlich eher um Minarette gehen dürfte, aber soviel
Verkürzung sei der FAZ gestattet).
Dennoch
möchte ich mich hier eigentlich nicht mit der AFD und dem Umgang der Medien mit
selbiger beschäftigen. Es geht mir um ein Argumentationsmuster, dass, aus
welchen Gründen auch immer, derzeit furchtbar modern zu sein scheint: Die
moralische Diskreditierung des Gegenübers ohne sich überhaupt mit dem Inhalt
auseinanderzusetzen, das Absprechen der Legitimation eine bestimmte, nicht
gewollte Meinung zu haben. Besonders sauer aufgestossen ist mir das ebenso bei der Zensur-Kampagne unserer heutigen Verteidigungsministerin
Van der Leyen, die flankiert wurde vom damaligen Verteidigungsminister
Guttenberg mit den Worten: „Es macht mich schon sehr betroffen, wenn pauschal
der Eindruck entstehen sollte, dass es Menschen gibt, die sich gegen die
Sperrung von kinderpornographischen Inhalten sträuben.“
Ähnliche
Argumentationen, wenn auch nicht derart direkt vorgetragen, habe ich inzwischen
schon einige Male lesen müssen, sogar in ZkZ. Ich finde sie in höchstem Maße unpassend,
sie macht gar nicht erst den Versuch zu überlegen, dass es durchaus ganz
legitime Gründe geben kann, eben anderer Meinung zu sein.
Selbst bei
vergleichsweise „harmlosen“ Themen wie der derzeitigen Ukraine Krise sehe ich
diese Argumentation: Es besteht gar nicht die Möglichkeit sich nicht der
„deutschen“ Meinung anzuschließen, wer sich dem ausgesprochen schwarz-weissen
Narrative der deutschen Presse nicht anschließt, muss unmoralisch handeln und
sieht sich gleich einem ungeheuren moralischen Rechtfertigungsdruck gegenüber.
Was traurig ist, denn auch wenn es meine Meinung nicht ist, halte ich es für
durchaus vertretbar, in der Krise eine andere Sicht der Dinge zu haben. Ich habe einige Arbeitkollegen, die eine etwas andere Sicht der Dinge dazu haben, was daran liegen mag, dass sie eben auch russische Zeitungen lesen und nicht nur einheimische Blätter.
Ich glaube
das man die derzeitige ukrainische Regierung illegitim finden kann, ohne
deswegen ein –russischer- Imperialist zu sein. Ich glaube, dass man den Staat
Ukraine in Frage stellen kann, ohne deswegen ein Freund Putins zu sein. Ich
glaube, dass man gegen das Zensurgesetz a la Ursula sein kann, ohne ein Freund
von Kinderpornographie zu sein. Ich glaube, dass man nichts für Pädophile übrig haben muss, um den rechtsstaalich korrekten Umgang mit diesen einzufordern. Ich glaube, dass man etwas gegen die
steuerliche Gleichberechtigung von schwulen Lebensgemeinschaften haben kann,
ohne etwas gegen Schwule zu haben. Ich glaube das man Homeschooling für eine
sinnvolle Einrichtung halten kann, ohne etwas gegen moderne Erziehung zu haben.
Ich glaube das man etwas gegen Frauenquoten haben kann, ohne etwas gegen Frauen
zu haben.
Ich glaube
man kann eine ganze Menge Standpunkt einnehmen, ohne deswegen ein Rassist, ein
Kriegstreiber, ein Pädophiler, ein
Anarchist, ein Unmensch, ein Chauvinist oder ein Hetzer zu sein. Aber unsere
heutige Zeit gestattet uns immer weniger einen Gegenstandpunkt zu haben, ohne
uns moralisch abwerten zu lassen.
Komme ich
zu den Großeltern, Eltern, Tanten und Onkeln: Vor 30 oder 50 Jahren gab es in
Deutschland keine Homoehe. Es gab auch keine Frauenquoten. Und es gab
eigentlich auch keine Moscheen. Die BRD stand fest an der Seite der Amerikaner
und auch Israels. Gemäß der oberen Logik müssen unsere Alten wohl homophobe,
chauvinistische, kriegstreibende Rassisten gewesen sein, die all diese „Rechte“
nicht eingeräumt haben. Aber vielleicht waren sie auch nur anderer Meinung.
Das Recht
eine andere Meinung zu haben ist schon immer ein schwieriges gewesen. Und wir
glauben das wir heute unglaublich pluralistisch sind. Aber so weit ist es damit
nicht her. Öffentlich wird kaum mehr
gestattet eine andere Meinung zu haben. Den Sozialstaat in Frage stellen? Um
Himmels willen! Frauenquoten abschaffen? Frauenfeindlich! Minarette nicht
gestatten? Islamfeindlich! Staatliche Schulen in Frage stellen? Hinterwäldler! Es ist überhaupt nicht mehr möglich eine
andere Meinung haben zu dürfen.
Nach meiner
bescheidenen Lebenserfahrung gibt es so etwas wie einen wirklich bösen oder
unmoralischen Menschen eher sehr selten. Und die wenigsten Menschen handeln
wider besseres Wissen. Die allermeisten Menschen folgen einem ethischen Kodex,
der kann nur sehr unterschiedlich sein, ebenso wie sie nach eigenen
Überzeugungen und Erfahrungen handeln, die ebenso sehr unterschiedlich sein
können. Ein sehr guter Freund von mir ist ein vergleichsweise überzeugter
Sozialist, ein Denken, dass mir völlig fremd ist. Und es fällt mir schwer diese
„Meinung“ hinzunehmen. Aber er hat durchaus Gründe für das, was er denkt, und
er hat –leider- ( :) ) auch das Recht dazu zu denken wie
er das für richtig hält.
Ich denke
Deutschland täte gut daran wieder etwas mehr echten Pluralismus zuzulassen. Es
ist legitim was gegen Minarette zu haben, es ist legitim etwas gegen
Internet-Zensur zu haben, es ist legitim etwas gegen Frauenquote und Genderismus
zu haben und es ist ebenso legitim etwas gegen die Energiewende zu haben. Als
unsere Großeltern beschlossen haben, dass ein Gastarbeiter nur ein Gast sein
soll und nicht die vollen Rechte eines Staatsbürgers haben soll, dann haben sie
das aus ihrer Überzeugung getan. Nicht weil sie unmoralische Neandertaler
waren.
Und erlauben Sie mir noch den Abschlussgedanken, lieber Leser: Vieles von dem, was wir heute für gut und richtig halten wird man in 30 oder 50 Jahren ebenso für furchtbar antiquiert oder auch unmoralisch halten können. Heute leben wir in Wohnungen von vielleicht 80 qm, in 50 Jahren kann das als dekadent gross oder als unmenschlich klein gesehen werden. Es ist nicht einmal möglich das Vorzeichen zu bestimmen. Wer heute die Moralkeule schwingt statt über die Hintergründe nachzudenken, ist durchaus auch eingeladen sich zu überlegen, wie unsere Kinder uns irgendwann bewerten werden.
Und erlauben Sie mir noch den Abschlussgedanken, lieber Leser: Vieles von dem, was wir heute für gut und richtig halten wird man in 30 oder 50 Jahren ebenso für furchtbar antiquiert oder auch unmoralisch halten können. Heute leben wir in Wohnungen von vielleicht 80 qm, in 50 Jahren kann das als dekadent gross oder als unmenschlich klein gesehen werden. Es ist nicht einmal möglich das Vorzeichen zu bestimmen. Wer heute die Moralkeule schwingt statt über die Hintergründe nachzudenken, ist durchaus auch eingeladen sich zu überlegen, wie unsere Kinder uns irgendwann bewerten werden.
Llarian
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