Eine kleine Wutschrift
zum „Fall“ Gurlitt.
So weit, so schlecht. Aber wir wären nicht in der deutschen
Politik, wenn man nicht noch einen drauf setzen könnte. Es sieht so aus, als
würde zumindest die juristische Zunft inzwischen dahinter kommen, dass man
jemandem seinen Besitz eben nicht eben wegnehmen kann, weil man was
Unmoralisches vermutet. Die Werke sind geerbt und Ansprüche sind wohl verjährt.
Ausnahmen für „Raubkunst“ sind nicht vorgesehen. So gesehen hat sich die
Staatsanwaltschaft einer nicht ganz legalen Unterschlagung schuldig gemacht und
was sie sich danach noch geleistet hat, würde in einem echten Rechtsstaat
vermutlich noch ganz andere Konsequenzen haben. Nun leben wir in Deutschland
und die Gefahr besteht nicht, aber auch so würde das ganze natürlich recht doof
für die Exekutive aussehen.
Ich gebe zu, ich ärgere mich öfter über deutsche Politik und
die Äußerungen derjenigen, die diese professionell betreiben. Aber selten ist
der Ärger so groß, dass er in offene Wut umschlägt, man kann ja
unterschiedlicher Meinung sein und selbst jemand, der der Meinung ist, man
zahlte mit 50% plus immer noch nicht genug Steuern, hat sicher das Recht sich
entsprechend zu äußern.
Richtige Wut kommt meistens dann hoch, wenn jemand die Axt
an den Rechtsstaat legt, denn das ist unser allergeringster gemeinsamer Nenner
und ohne Rechtsstaat sind wir nichts weiter als ein großer Haufen
Gleichsprachiger, die von einer Räuberbande verwaltet werden.
Was meine Wut ausgelöst hat ist der „Fall“ Gurlitt.
Eigentlich ist es gar kein Fall,
eigentlich ist es ein Skandal, der klein angefangen hat und jeden Tag
ein bisschen größer wird, bis er irgendwann das Potential hat echten Schaden am
Rechtsstaat zu produzieren.
Aber der Reihe nach: Der „Fall“ Gurlitt begann mit einem
schon sehr absurden Anfang: Der Zoll stellte bei einem Herrn Cornelius Gurlitt
während eines Grenzübertrittes eine Barschaft von 9000 Euro fest. Das ist absolut
legal und zu wenig, um eine Beschlagnahme zu rechtfertigen, aber offensichtlich
genug um den Zoll dazu zu ermuntern einen „Anfangsverdacht“ wegen Steuerhinterziehung
anzunehmen und das an die Staatsanwaltschaft weiterzugeben. Und da in
Deutschland die Rechte des Einzelnen hinter dem Aufklärungswillen der Justiz
weit zurückzustehen haben, gab es tatsächlich in der Folge eine
Hausdurchsuchung aufgrund dieses
Verdachtes. „Aufgefunden“ (auch so ein schönes Wort) wurden dann etwa 1280
Kunstwerke, wobei ein Teil davon nach Ansicht der Staatsanwaltschaft im
Verdacht steht, dass es sich um „Raubkunst“ handele. Also wurde erst mal alles
beschlagnahmt, man kann ja später prüfen, ob einem Bürger sein Besitz
vielleicht auch gehört.
Allein schon bis hier sind zwei kleine Skandälchen
beisammen, aber für bayrische Justiz noch nix außergewöhnliches. Eine Hausdurchsuchung aufgrund mitgeführter
Barschaft, eine Beschlagnahmung, die nichts mit der vorgeworfenen Tat zu tun
hat. Aber wie schon gesagt, noch nix zu ungewöhnliches. Aber man kann sich ja
steigern. Steigerung sieht zum Beispiel so aus, dass man nicht nur den Namen
eines Verdächtigen (!) ohne große Probleme an die Presse (in diesem Fall den
Focus) weiterreichte, was ja überhaupt nix dramatisches ist, zumal der
Verdächtige unter starker Sozialangst leidet, nein, die gesammelten Kunstwerke
wurden dann auch von der Justiz öffentlich gemacht. Vollkommen ohne jede Prüfung,
ob die Kunstwerke nicht vielleicht schlicht Herrn Gurlitt gehören. Denn genau
danach sieht es wohl aus.
Der Kunstsammler Gurlitt, so kann man ihn wohl zurecht
nennen, angesichts der Tatsache, dass er Kunstwerke im Wert von nahezu einer
Milliarde Euro besitzt ohne sie zu veräußern, darf sich jetzt doppelt freuen:
Nicht nur weiß jeder seinen Namen, nein, man weiß auch welche Schätze er
besitzt und man kann davon ausgehen, dass nicht nur die Staatsanwaltschaft
Interesse an den Werken haben wird. Man kann ebenso davon ausgehen, dass er
demnächst einige hunderttausend Euro im Jahr aufwenden darf, um seinen Besitz
zu sichern. Bedanken darf er sich dann bei der Staatsanwaltschaft. Aber wir
sind ja in Bayern.
Und deswegen legt man noch ein Schippchen nach und wollte
mit Herrn Gurlitt „ein Gespräch führen“ und ihn bitten, die Werke doch einfach
herzugeben. Schon das ein ziemlicher Affront, denn mit welchem Recht möchte die
Politik einen Privatmann zu etwas überreden, in Anbetracht von Eigentum, dass
sich der Staat erst einmal unrechtlich verschafft hat. Aber dazu kam es nicht,
weil Herr Gurlitt klipp und klar ausführte, dass er überhaupt nicht daran denke
etwas herzugeben. Warum sollte er auch? Es ist sein Eigentum, ob einem das
gefällt oder nicht, das ist der Rechtsstaat.
Normalerweise sollte die Geschichte hier zu Ende sein. Ist
sie aber nicht. Denn der bayrische Staat ist beleidigt. Und in Form des
Justizministers (der, der so gerne Gespräche führen will) will er ein eigenes Gesetz dafür machen, dass die Verjährung ausschließt.
Schon darüber könnte man streiten, denn Gesetze sollten nicht für Einzelfälle
geschaffen werden, zumal es mir nicht wirklich wie wichtiger Regelungsbedarf
erscheint, angesichts der Tatsache, dass man die letzten 70 Jahre durchaus ohne
ausgekommen ist.
Entscheidender ist aber das Gesetze nicht rückwirkend
geschaffen werden dürfen. Aus gutem, wenn nicht sogar aus sehr gutem Grund.
Hier sind wir beim Rechtsstaat. Rückwirkende Gesetze schaffen den Rechtsstaat
faktisch ab, denn nichts was man tut, kann wirklich juristisch sauber sein,
denn es könnte im Nachhinein für illegal erklärt werden. Und umgekehrt. Das
Rückwirkungsverbot ist dem Rechtsstaat elementar wie die Grundrechte selbst, die Ausnahmen davon, so traurig ihre Existenz überhaupt ist, haben extrem hohe Hürden.
Das ist bisweilen auch dem bayrischen Justizminister klar. Aber es juckt ihn
nicht. Er sagt dazu: „Das ist verfassungsrechtlich zwar nicht unproblematisch,
aber wir meinen, dass man das rechtfertigen kann“
Ich bin eher der Meinung, dass es nicht zu rechtfertigen ist
solche Leute auch nur in die Nähe politischer Entscheidungen zu lassen. Man
sollte den Mann umgehend aus allen politischen Ämtern entfernen und ihm
gleichzeitig das passive Wahlrecht entziehen. Warum so radikal ? Weil solche
Leute unsere Gesellschaft nachhaltiger zerstören als es der ganze Spuk von
Links und Rechts, vor dem wir uns so öffentlich regelmäßig fürchten, es je
könnte. Wer nicht fest mit beiden Beinen (!) auf dem Boden der Verfassung
steht, der sollte in einem Rechtsstaat, der sich wirklich so nennen will, nicht
einen Handbreit Boden zugestanden bekommen. Ich ärgere mich über Politiker die
wissentlich Gesetze machen, unterstützen oder formulieren, von denen sie
wissen, dass sie verfassungsrechtlich bedenklich sind. Das war schon bei der
Vorratsdatenspeicherung daneben, als sich einiges SPD Politiker hinstellten und
offen verkündeten, dass ihnen durchaus klar sei, dass das Gesetz nicht
verfassungskonform sei, aber Karlsruhe könne es ja korrigieren. Hallo ? Was
sind das denn für Politiker ? Es ist nicht die Aufgabe von Karlsruhe den
Politikern den Rechtsstaat zu erklären, es ist absolute Grundlage überhaupt
gewählt zu werden.
Ich entschuldige mich, wenn das ein bisschen
„bayernphobisch“ gewesen ist, die CSU ist halt nur eben immer ein bisschen
weiter vorn, wenn es um Stammtisch gegen Rechtsstaat geht.
Llarian
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