27. November 2013

Wider den Feinden des Rechtsstaates

Eine kleine Wutschrift zum „Fall“ Gurlitt.


Ich gebe zu, ich ärgere mich öfter über deutsche Politik und die Äußerungen derjenigen, die diese professionell betreiben. Aber selten ist der Ärger so groß, dass er in offene Wut umschlägt, man kann ja unterschiedlicher Meinung sein und selbst jemand, der der Meinung ist, man zahlte mit 50% plus immer noch nicht genug Steuern, hat sicher das Recht sich entsprechend zu äußern. 

Richtige Wut kommt meistens dann hoch, wenn jemand die Axt an den Rechtsstaat legt, denn das ist unser allergeringster gemeinsamer Nenner und ohne Rechtsstaat sind wir nichts weiter als ein großer Haufen Gleichsprachiger, die von einer Räuberbande verwaltet werden.

Was meine Wut ausgelöst hat ist der „Fall“ Gurlitt. Eigentlich ist es gar kein Fall,  eigentlich ist es ein Skandal, der klein angefangen hat und jeden Tag ein bisschen größer wird, bis er irgendwann das Potential hat echten Schaden am Rechtsstaat zu produzieren. 

Aber der Reihe nach: Der „Fall“ Gurlitt begann mit einem schon sehr absurden Anfang: Der Zoll stellte bei einem Herrn Cornelius Gurlitt während eines Grenzübertrittes eine Barschaft von 9000 Euro fest. Das ist absolut legal und zu wenig, um eine Beschlagnahme zu rechtfertigen, aber offensichtlich genug um den Zoll dazu zu ermuntern einen „Anfangsverdacht“ wegen Steuerhinterziehung anzunehmen und das an die Staatsanwaltschaft weiterzugeben. Und da in Deutschland die Rechte des Einzelnen hinter dem Aufklärungswillen der Justiz weit zurückzustehen haben, gab es tatsächlich in der Folge eine Hausdurchsuchung aufgrund  dieses Verdachtes. „Aufgefunden“ (auch so ein schönes Wort) wurden dann etwa 1280 Kunstwerke, wobei ein Teil davon nach Ansicht der Staatsanwaltschaft im Verdacht steht, dass es sich um „Raubkunst“ handele. Also wurde erst mal alles beschlagnahmt, man kann ja später prüfen, ob einem Bürger sein Besitz vielleicht auch gehört. 

Allein schon bis hier sind zwei kleine Skandälchen beisammen, aber für bayrische Justiz noch nix außergewöhnliches.  Eine Hausdurchsuchung aufgrund mitgeführter Barschaft, eine Beschlagnahmung, die nichts mit der vorgeworfenen Tat zu tun hat. Aber wie schon gesagt, noch nix zu ungewöhnliches. Aber man kann sich ja steigern. Steigerung sieht zum Beispiel so aus, dass man nicht nur den Namen eines Verdächtigen (!) ohne große Probleme an die Presse (in diesem Fall den Focus) weiterreichte, was ja überhaupt nix dramatisches ist, zumal der Verdächtige unter starker Sozialangst leidet, nein, die gesammelten Kunstwerke wurden dann auch von der Justiz öffentlich gemacht. Vollkommen ohne jede Prüfung, ob die Kunstwerke nicht vielleicht schlicht Herrn Gurlitt gehören. Denn genau danach sieht es wohl aus.

Der Kunstsammler Gurlitt, so kann man ihn wohl zurecht nennen, angesichts der Tatsache, dass er Kunstwerke im Wert von nahezu einer Milliarde Euro besitzt ohne sie zu veräußern, darf sich jetzt doppelt freuen: Nicht nur weiß jeder seinen Namen, nein, man weiß auch welche Schätze er besitzt und man kann davon ausgehen, dass nicht nur die Staatsanwaltschaft Interesse an den Werken haben wird. Man kann ebenso davon ausgehen, dass er demnächst einige hunderttausend Euro im Jahr aufwenden darf, um seinen Besitz zu sichern. Bedanken darf er sich dann bei der Staatsanwaltschaft. Aber wir sind ja in Bayern. 
So weit, so schlecht. Aber wir wären nicht in der deutschen Politik, wenn man nicht noch einen drauf setzen könnte. Es sieht so aus, als würde zumindest die juristische Zunft inzwischen dahinter kommen, dass man jemandem seinen Besitz eben nicht eben wegnehmen kann, weil man was Unmoralisches vermutet. Die Werke sind geerbt und Ansprüche sind wohl verjährt. Ausnahmen für „Raubkunst“ sind nicht vorgesehen. So gesehen hat sich die Staatsanwaltschaft einer nicht ganz legalen Unterschlagung schuldig gemacht und was sie sich danach noch geleistet hat, würde in einem echten Rechtsstaat vermutlich noch ganz andere Konsequenzen haben. Nun leben wir in Deutschland und die Gefahr besteht nicht, aber auch so würde das ganze natürlich recht doof für die Exekutive aussehen. 

Und deswegen legt man noch ein Schippchen nach und wollte mit Herrn Gurlitt „ein Gespräch führen“ und ihn bitten, die Werke doch einfach herzugeben. Schon das ein ziemlicher Affront, denn mit welchem Recht möchte die Politik einen Privatmann zu etwas überreden, in Anbetracht von Eigentum, dass sich der Staat erst einmal unrechtlich verschafft hat. Aber dazu kam es nicht, weil Herr Gurlitt klipp und klar ausführte, dass er überhaupt nicht daran denke etwas herzugeben. Warum sollte er auch? Es ist sein Eigentum, ob einem das gefällt oder nicht, das ist der Rechtsstaat. 

Normalerweise sollte die Geschichte hier zu Ende sein. Ist sie aber nicht. Denn der bayrische Staat ist beleidigt. Und in Form des Justizministers (der, der so gerne Gespräche führen will) will er ein eigenes Gesetz dafür machen, dass die Verjährung ausschließt. Schon darüber könnte man streiten, denn Gesetze sollten nicht für Einzelfälle geschaffen werden, zumal es mir nicht wirklich wie wichtiger Regelungsbedarf erscheint, angesichts der Tatsache, dass man die letzten 70 Jahre durchaus ohne ausgekommen ist. 

Entscheidender ist aber das Gesetze nicht rückwirkend geschaffen werden dürfen. Aus gutem, wenn nicht sogar aus sehr gutem Grund. Hier sind wir beim Rechtsstaat. Rückwirkende Gesetze schaffen den Rechtsstaat faktisch ab, denn nichts was man tut, kann wirklich juristisch sauber sein, denn es könnte im Nachhinein für illegal erklärt werden. Und umgekehrt. Das Rückwirkungsverbot ist dem Rechtsstaat elementar wie die Grundrechte selbst, die Ausnahmen davon, so traurig ihre Existenz überhaupt ist, haben extrem hohe Hürden. Das ist bisweilen auch dem bayrischen Justizminister klar. Aber es juckt ihn nicht. Er sagt dazu: „Das ist verfassungsrechtlich zwar nicht unproblematisch, aber wir meinen, dass man das rechtfertigen kann“

Ich bin eher der Meinung, dass es nicht zu rechtfertigen ist solche Leute auch nur in die Nähe politischer Entscheidungen zu lassen. Man sollte den Mann umgehend aus allen politischen Ämtern entfernen und ihm gleichzeitig das passive Wahlrecht entziehen. Warum so radikal ? Weil solche Leute unsere Gesellschaft nachhaltiger zerstören als es der ganze Spuk von Links und Rechts, vor dem wir uns so öffentlich regelmäßig fürchten, es je könnte. Wer nicht fest mit beiden Beinen (!) auf dem Boden der Verfassung steht, der sollte in einem Rechtsstaat, der sich wirklich so nennen will, nicht einen Handbreit Boden zugestanden bekommen. Ich ärgere mich über Politiker die wissentlich Gesetze machen, unterstützen oder formulieren, von denen sie wissen, dass sie verfassungsrechtlich bedenklich sind. Das war schon bei der Vorratsdatenspeicherung daneben, als sich einiges SPD Politiker hinstellten und offen verkündeten, dass ihnen durchaus klar sei, dass das Gesetz nicht verfassungskonform sei, aber Karlsruhe könne es ja korrigieren. Hallo ? Was sind das denn für Politiker ? Es ist nicht die Aufgabe von Karlsruhe den Politikern den Rechtsstaat zu erklären, es ist absolute Grundlage überhaupt gewählt zu werden. 


Ich entschuldige mich, wenn das ein bisschen „bayernphobisch“ gewesen ist, die CSU ist halt nur eben immer ein bisschen weiter vorn, wenn es um Stammtisch gegen Rechtsstaat geht.
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Llarian


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