28. November 2013

Angela Merkel hat auf voller Linie gesiegt


Habemus coalitionem. Zwar noch nicht ganz, immerhin dürfen die SPD-Mitglieder noch ein Wörtchen mitreden, doch die Spitzen der drei prospektiven Regierungsparteien haben sich – nach angeblich zähem Ringen – auf einen Koalitionsvertrag geeinigt.
Den Inhalt dieses 185-Seiten-Elaborats bewerten so unterschiedlich positionierte Autoren wie Vera Lengsfeld auf der Achse des Guten und Thorsten Denkler in der SZ als Erfolg der Sozialdemokraten. Und in der Tat dominieren Forderungen, die aus der Reihe der Alten Tante stammen und Eingang in den Kontrakt gefunden haben, das mediale Tagesgespräch. Hat also Angela Merkel, die strahlende Gewinnerin der Bundestagswahl, hier eine Niederlage einstecken müssen?
­Mitnichten. Wenn die SPD-Basis mitspielt, bekommt die Kanzlerin die Regierung, die sie wohl schon seit einiger Zeit herbeisehnt. Vermutlich war niemand am Abend des 22. September so sehr und so heimlich über das Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag erfreut wie die CDU-Führungsfrau. Wäre sie doch andernfalls mit der Erwartungshaltung der sogenannten bürgerlichen Wählerschaft konfrontiert gewesen, dass die Koalition mit den Liberalen trotz allem fortgesetzt werden sollte. 2009 ließ sich Schwarz-Gelb keinesfalls umgehen, da alles andere eine bodenlose Verhöhnung des Willens des Souveräns gewesen wäre. Aber 2013? Selbst wenn sich die FDP, von selbsternannten Sturmgeschützen der Demokratie waidwund geschossen und mit eigenen Fingern auf den Selbstzerstörungsknopf drückend, mit Müh und Not über die Fünfprozenthürde gerettet hätte … Nein, mit einem solchen armen Fretter, einem derartigen politischen Paria hätte die machtbewusste Kanzlerin nur ungern das Steuer des Staatsschiffs geteilt. Zumal zu befürchten gewesen wäre, dass diese Partei, um Haaresbreite dem Untergang entronnen, auf den Phönix-Modus umgeschaltet hätte.
Ein Bündnis mit den Grünen hätte zwar die überfällige Wiedervereinigung des deutschen Spießertums bedeutet, aber Merkels Präferenz war auch diese Option nicht. Zum einen ist den Grünen – anders als der SPD – (noch) nicht zuzutrauen, dass sie sich im Zweifel für die Koalitionsräson und gegen das eigene ideologische Wolkenkuckucksheim entscheiden. (Der Feldversuch in Hessen, sollte er gelingen, könnte diese Hypothese freilich erschüttern.) Zum anderen, und das wiegt vielleicht schwerer: In einer Koalition mit den Grünen, deren Alleinvertretungsanspruch für das Edle, Hilfreiche und Gute von weiten Teilen der Medien nicht in Frage gestellt wird, müsste Merkel damit rechnen, dass ihr von der publizierten Meinung die Schurkinnenrolle zugewiesen wird.
Die Kanzlerin will die Ehe auf Zeit mit der SPD: Andernfalls hätte sie die Genossen mit für diese unannehmbaren Forderungen brüskieren und Neuwahlen in Kauf nehmen können. Bei einem solchen wiederholten Urnengang wären wohl die Sozialdemokraten als Verhinderer der Regierungsbildung abgestraft worden, und vielleicht hätte Merkel (ja, sie, nicht die Union) sogar die absolute Mehrheit geholt. Aber was soll eine Partei, die für alles und nichts steht, ohne einen beflissenen Handlanger machen, der ihr Füllhorn der Beliebigkeit mit Inhalten versieht?
Außerdem: Fukushima ist irgendwie immer und überall – und in Anlehnung an Groucho Marx könnte man wohl sagen, dass Angela Merkel eiserne Prinzipien hat; für den Fall, dass diese dem Wahlvolk oder den Multiplikatoren nicht (mehr) gefallen, verfügt sie aber auch noch über andere Prinzipien. Die einzige im machiavellischen Sinne ernst zu nehmende deutsche Politikerin (männlich/weiblich) hat mit sozialdemokratischer Politik so lange kein Problem, wie diese erfolgreich ist und in den maßgeblichen Kreisen goutiert wird. Sollte Deutschland eines Tages unheilbar von der Pandemie des Liberalismus befallen werden, wird die Kanzlerin urplötzlich ihre Freiheits- und Selbstbestimmungsliebe entdecken.
Doch über das schlechterdings Unmögliche braucht man nicht zu spekulieren.
Noricus

© Noricus. Für Kommentare bitte hier klicken.