Gibt es objektive Kriterien, anhand derer man vorhersagen kann, wer Fußball-Europameister wird? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin glaubt das. Und es sagt vorher, daß es Spanien sein wird.
Das Institut hat dazu eine Untersuchung erstellt, zu der am vergangenen Mittwoch eine Pressemitteilung erschien. Die ganze Untersuchung kann man im Wochenbericht des Instituts vom 13. Juni 2012 lesen.
Die Autoren Jürgen Gerhards, Michael Mutz und Gert G. Wagner meinen, daß nur der Zufall die Meisterschaft der Spanier verhindern kann (Titel der Publikation: "Keiner kommt an Spanien vorbei – außer dem Zufall"). Woher wissen sie das? Ihre Methode ist denkbar einfach:
Die besten Gewinnchancen hat die Mannschaft mit den besten Spielern. Wie gut ein Spieler ist, das drückt sich in seinem Marktwert aus. Also braucht man nur den Marktwert aller Spieler zu addieren - und fertig ist die Rangliste der Mannschaften danach, welche Chancen sie haben, den Titel zu gewinnen.
Nicht wahr, das klingt nach einem Hauruck-Verfahren? Es fallen einem ja sofort Einwände ein:
Eine Mannschaft ist mehr als die Summe ihrer Spieler. In jeder Liga gibt es Beispiele für Mannschaften mit hohem Marktwert, die wenig erfolgreich waren, und andere, die an der Spitze standen, obwohl ihre Spieler einen vergleichsweise geringen Marktwert hatten.
Entscheidend ist am Ende, zumal in einem Turnier, wie gut die Mannschaft harmoniert, ob sie in jedem Spiel richtig taktisch eingestellt ist; vor allem, wie motiviert die Spieler sind. Das alles wird vom Marktwert nicht erfaßt. Zumal dieser als Summe ja beispielsweise deswegen hoch sein kann, weil eine ansonsten mittelmäßige Mannschaft zwei, drei Spieler mit extrem hohem Marktwert hat.
Alles naheliegende Einwände. Gegen alle steht die Empirie: Das DIW hat erstmals 2006 die Methode verwendet, aufgrund des Marktwerts den Meister vorherzusagen. 2006 hatte das italienische Team den höchsten Marktwert und wurde FIFA-Weltmeister. 2010 hatte das spanische den höchsten Marktwert und wurde Weltmeister. 2008 hatte wiederum Spanien das teuerste Team und wurde Europameister.
Nun gut, könnte man sagen - das sind drei Treffer. Keine sehr beeindruckende statistische Basis. Beeindruckend ist aber, was das Autoreneam des DIW für die 25 europäischen Ligen mit ihren 382 Vereinen errechnet hat:
Die Autoren haben für jede Mannschaft den Marktwert ermittelt und diesen (da es da große Unterschiede zwischen den Ländern gibt) standardisiert, d.h. auf den durchschnittlichen Marktwert in der jeweiligen Liga bezogen (für Fachleute: Es wurde eine z-Transformation durchgeführt). Dieser Wert wurde zu dem am Ende der Saison 2011/2012 erreichten Punktwert der Mannschaft in Beziehung gesetzt (auch er standardisiert). Es ergab sich ein verblüffend enger Zusammenhang: Eine Korrelation von .73 für alle Ligen; mit fast perfekten Korrelationen von .90 in einigen Ländern, zum Beispiel Spanien und Portugal.
Kann man diesen Befund auf Turniere übertragen? Einerseits, meinen die Autoren, spielt dort die Leistung der einzelnen Spieler eine besonders große Rolle, weil die Teams nicht so eingespielt sind wie in einer Vereinsmannschaft, so daß "bei Welt- und Europameisterschaften die Leistungsfähigkeit einer Mannschaft im Kern nichts anderes ist als die Summe der Leistungsfähigkeiten der einzelnen Spieler und ... der Wert des Mannschaftsspiels und des Trainers im Vergleich zum Ligafußball geringer zu veranschlagen ist".
Andererseits finden in der Gruppenphase nur wenige Spiele statt, und es gibt anders als in den Ligen eine K.O.-Runde. Der Zufall spielt also eine größere Rolle als für die Abschlußtabelle einer Liga.
Überhaupt bestreiten die Autoren die Rolle des Zufalls beim Fußball keineswegs und weisen darauf hin, daß sie weit größer ist als beispielsweise beim Tennis (siehe dazu auch Warum ist der Fußball eine so attraktive Sportart?; ZR vom 12. 6. 2010). Es kann also nicht darum gehen, eine sichere Prognose abzugeben, sondern nur die beste.
Und da zeigt sich eben - das wird Marktwirtschaftler freuen - , daß der Marktwert für Europa- und Weltmeisterschaften ein mindestens ebenso guter Prädiktor ist (also den Erfolg so gut vorhersagt) wie alle die anderen, zum Teil recht komplizierten Indikatoren, die man sich ausgedacht hat, basierend auf dem FIFA-Ranking, den vorausgegangenen Erfolgen der Länder usw.; ebenso die Quoten der Wettmärkte.
Und wie sieht es nun diesmal aus? Der Marktwert des spanischen Kaders für die EM beträgt 658 Millionen Euro. Es folgen Deutschland mit 459 Millionen Euro, England mit 398 Millionen Euro und Frankreich mit 340 Millionen Euro. Die nächsten sind Portugal, Italien und die Niederlande.
Also ein Endspiel Deutschland - Spanien? Für diese beiden Länder spricht nicht nur die Summe der Marktwerte ihres Kaders, sondern ihre Mannschaften sind auch, was den Marktwert angeht, unter den homogensten (Spanien an erster, Deutschland an dritter Stelle). Der hohe Marktwert kommt also nicht dadurch zustande, daß es wenige Stars gibt, sondern daß viele der Spieler in der Spitzengruppe der europäischen Fußballer rangieren.
Ja und, werden Sie vielleicht sagen - daß Spanien und Deutschland die Favoriten sind, das weiß doch jeder. Ja, schon. Aber jetzt wissen wir es wissenschaftlich.
Das Institut hat dazu eine Untersuchung erstellt, zu der am vergangenen Mittwoch eine Pressemitteilung erschien. Die ganze Untersuchung kann man im Wochenbericht des Instituts vom 13. Juni 2012 lesen.
Die Autoren Jürgen Gerhards, Michael Mutz und Gert G. Wagner meinen, daß nur der Zufall die Meisterschaft der Spanier verhindern kann (Titel der Publikation: "Keiner kommt an Spanien vorbei – außer dem Zufall"). Woher wissen sie das? Ihre Methode ist denkbar einfach:
Die besten Gewinnchancen hat die Mannschaft mit den besten Spielern. Wie gut ein Spieler ist, das drückt sich in seinem Marktwert aus. Also braucht man nur den Marktwert aller Spieler zu addieren - und fertig ist die Rangliste der Mannschaften danach, welche Chancen sie haben, den Titel zu gewinnen.
Nicht wahr, das klingt nach einem Hauruck-Verfahren? Es fallen einem ja sofort Einwände ein:
Eine Mannschaft ist mehr als die Summe ihrer Spieler. In jeder Liga gibt es Beispiele für Mannschaften mit hohem Marktwert, die wenig erfolgreich waren, und andere, die an der Spitze standen, obwohl ihre Spieler einen vergleichsweise geringen Marktwert hatten.
Entscheidend ist am Ende, zumal in einem Turnier, wie gut die Mannschaft harmoniert, ob sie in jedem Spiel richtig taktisch eingestellt ist; vor allem, wie motiviert die Spieler sind. Das alles wird vom Marktwert nicht erfaßt. Zumal dieser als Summe ja beispielsweise deswegen hoch sein kann, weil eine ansonsten mittelmäßige Mannschaft zwei, drei Spieler mit extrem hohem Marktwert hat.
Alles naheliegende Einwände. Gegen alle steht die Empirie: Das DIW hat erstmals 2006 die Methode verwendet, aufgrund des Marktwerts den Meister vorherzusagen. 2006 hatte das italienische Team den höchsten Marktwert und wurde FIFA-Weltmeister. 2010 hatte das spanische den höchsten Marktwert und wurde Weltmeister. 2008 hatte wiederum Spanien das teuerste Team und wurde Europameister.
Nun gut, könnte man sagen - das sind drei Treffer. Keine sehr beeindruckende statistische Basis. Beeindruckend ist aber, was das Autoreneam des DIW für die 25 europäischen Ligen mit ihren 382 Vereinen errechnet hat:
Die Autoren haben für jede Mannschaft den Marktwert ermittelt und diesen (da es da große Unterschiede zwischen den Ländern gibt) standardisiert, d.h. auf den durchschnittlichen Marktwert in der jeweiligen Liga bezogen (für Fachleute: Es wurde eine z-Transformation durchgeführt). Dieser Wert wurde zu dem am Ende der Saison 2011/2012 erreichten Punktwert der Mannschaft in Beziehung gesetzt (auch er standardisiert). Es ergab sich ein verblüffend enger Zusammenhang: Eine Korrelation von .73 für alle Ligen; mit fast perfekten Korrelationen von .90 in einigen Ländern, zum Beispiel Spanien und Portugal.
Kann man diesen Befund auf Turniere übertragen? Einerseits, meinen die Autoren, spielt dort die Leistung der einzelnen Spieler eine besonders große Rolle, weil die Teams nicht so eingespielt sind wie in einer Vereinsmannschaft, so daß "bei Welt- und Europameisterschaften die Leistungsfähigkeit einer Mannschaft im Kern nichts anderes ist als die Summe der Leistungsfähigkeiten der einzelnen Spieler und ... der Wert des Mannschaftsspiels und des Trainers im Vergleich zum Ligafußball geringer zu veranschlagen ist".
Andererseits finden in der Gruppenphase nur wenige Spiele statt, und es gibt anders als in den Ligen eine K.O.-Runde. Der Zufall spielt also eine größere Rolle als für die Abschlußtabelle einer Liga.
Überhaupt bestreiten die Autoren die Rolle des Zufalls beim Fußball keineswegs und weisen darauf hin, daß sie weit größer ist als beispielsweise beim Tennis (siehe dazu auch Warum ist der Fußball eine so attraktive Sportart?; ZR vom 12. 6. 2010). Es kann also nicht darum gehen, eine sichere Prognose abzugeben, sondern nur die beste.
Und da zeigt sich eben - das wird Marktwirtschaftler freuen - , daß der Marktwert für Europa- und Weltmeisterschaften ein mindestens ebenso guter Prädiktor ist (also den Erfolg so gut vorhersagt) wie alle die anderen, zum Teil recht komplizierten Indikatoren, die man sich ausgedacht hat, basierend auf dem FIFA-Ranking, den vorausgegangenen Erfolgen der Länder usw.; ebenso die Quoten der Wettmärkte.
Und wie sieht es nun diesmal aus? Der Marktwert des spanischen Kaders für die EM beträgt 658 Millionen Euro. Es folgen Deutschland mit 459 Millionen Euro, England mit 398 Millionen Euro und Frankreich mit 340 Millionen Euro. Die nächsten sind Portugal, Italien und die Niederlande.
Also ein Endspiel Deutschland - Spanien? Für diese beiden Länder spricht nicht nur die Summe der Marktwerte ihres Kaders, sondern ihre Mannschaften sind auch, was den Marktwert angeht, unter den homogensten (Spanien an erster, Deutschland an dritter Stelle). Der hohe Marktwert kommt also nicht dadurch zustande, daß es wenige Stars gibt, sondern daß viele der Spieler in der Spitzengruppe der europäischen Fußballer rangieren.
Ja und, werden Sie vielleicht sagen - daß Spanien und Deutschland die Favoriten sind, das weiß doch jeder. Ja, schon. Aber jetzt wissen wir es wissenschaftlich.
Zettel
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