Wenn ein neues Medium auftaucht; wenn es groß wird, sich allmählich durchsetzt, dann gibt es stets diesselbe spannende Frage: Wird es die alten Medien ersetzen oder zu ihnen hinzutreten? Verdrängung oder Bereicherung?
Im Grunde ist das eine Frage, die auch die biologische Evolution immer wieder stellt und - auf die ihr eigene lakonische Art - beantwortet. Eine neue Art, eine neue Unterart kann sich entwickeln und zu den vorhandenen hinzukommen. Sie kann aber auch diesen den Garaus machen.
Das geläufigste Beispiel für diesen zweiten Fall ist der Homo sapiens; ja nicht das Endprodukt einer linear verlaufenen Evolution, sondern diejenige Unterart von Homo, die sich gegen die anderen durchgesetzt hat, zuletzt gegen den Neandertaler.
Werden die Printmedien das Schicksal des Neandertalers teilen? Oder ist in dem Biotop "Medienlandschaft" für beide Platz, sie und die digitalen Medien; so, wie die Säugetiere die Echsen nicht verdrängt haben, sondern sich in ihrer eigenen ökologischen Nische einrichteten?
Man kann dergleichen schwer prognostizieren. Wer es versuchte, der erwies sich oft als kein sehr guter Prophet.
Als das Fernsehen um 1950 herum erschwinglich wurde und sich ausbreitete, sahen viele den baldigen Tod des Kinos voraus. Wer würde noch gottergeben ins Kino um die Ecke trotten, um dort die Wochenschau, den Kulturfilm und den Spielfilm zu sehen, wenn er dasselbe bei sich zu Hause im Kreis der Familie haben konnte; jenem Kreis, den - einem Bonmot des seinerzeit sehr bekannten Robert Lembke zufolge - das Fernsehgerät zu einem Halbkreis gemacht hatte?
Bekanntlich ist das Kino bisher nicht gestorben; es geht ihm, danke, sogar recht gut. Nur hat es sich wandeln müssen. Die Filme boten das, was das TV lange nicht bieten konnte - erst die Farbe, dann das breite Format, die schiere Größe der Leinwand. Aus dem kleinen, schummrigen Kino im Viertel wurde das Mulitplex als eine Art Freizeitzentrum. Und es blieb das besondere Erlebnis, etwas in Gemeinschaft zu betrachten; auch aus der Dunkelheit eines Saals heraus, in dem manches möglich ist.
Andererseits starben Medien wirklich aus; manchmal sogar sehr schnell. Der Kassettenrekorder, die Schallplatte, jetzt das VHS-Videoband. Die Schlacht zwischen Analog und Digital hat Digital glänzend gewonnen. In der Nacht auf heute haben die deutschen Sender das analoge Satelliten-TV abgeschaltet.
Analog bleibt im Augenblick noch der Rundfunk; Bemühungen, auch ihn ins Digitale hineinzufördern, scheinen nicht recht voranzukommen. Aber auch das hat zunehmend fossilen Charakter. Während ich diesen Artikel schreibe, höre ich Radiomusik aus einem kleinen Radio, dem IP-dio mini. Digital aus dem Internet.
Die Titelvignette (für eine Großansicht bitte zweimal auf das Bild klicken) zeigt das, was man das erste große deutsche Nachrichtenmagazin nennen könnte; es hieß "Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und anderen Sachen" und wurde von 1781 bis 1840 von einer "Gesellschaft von Gelehrten" herausgegeben, geleitet zunächst von Gottlob Benedikt von Schirach und dann seinem Sohn Wilhelm Benedict. Der Erscheinungsort war auch damals schon Hamburg; jedenfalls fast - nämlich Altona, das aber noch zu Holstein gehörte.
Falls Sie diese Zeitschrift interessiert, und überhaupt die politische deutsche Aufklärung, für die sie stand, dann finden Sie umfangreiche Informationen (auf Englisch) in einem schönen Aufsatz des amerikanischen Historikers Jeremy D. Popkin.
Der moderne Nachfolger des "Politischen Journals" ist "ein Hamburger Nachrichtenmagazin"; wie es die Radio- und TV-Sprecher in jenen Tagen zu nennen pflegten, als jede auch nur indirekte Produktwerbung in Nachrichtensendungen noch verpönt war. Und für dieses Nachrichtenmagazin stellt sich jetzt offenbar die Frage, was ihm die Digitalisierung bringen wird: Bereicherung? Oder doch eher Verdrängung?
Darauf, daß da etwas im Busche ist, bin ich am Freitag vorletzter Woche durch eine Notiz von Ulrich Elkmann in Zettels kleinem Zimmer aufmerksam geworden, der auf zwei Medienberichte hinwies. Der eine war einen Tag zuvor im Medienmagazin MEEDIA erschienen. Darin hieß es:
Im Grunde ist das eine Frage, die auch die biologische Evolution immer wieder stellt und - auf die ihr eigene lakonische Art - beantwortet. Eine neue Art, eine neue Unterart kann sich entwickeln und zu den vorhandenen hinzukommen. Sie kann aber auch diesen den Garaus machen.
Das geläufigste Beispiel für diesen zweiten Fall ist der Homo sapiens; ja nicht das Endprodukt einer linear verlaufenen Evolution, sondern diejenige Unterart von Homo, die sich gegen die anderen durchgesetzt hat, zuletzt gegen den Neandertaler.
Werden die Printmedien das Schicksal des Neandertalers teilen? Oder ist in dem Biotop "Medienlandschaft" für beide Platz, sie und die digitalen Medien; so, wie die Säugetiere die Echsen nicht verdrängt haben, sondern sich in ihrer eigenen ökologischen Nische einrichteten?
Man kann dergleichen schwer prognostizieren. Wer es versuchte, der erwies sich oft als kein sehr guter Prophet.
Als das Fernsehen um 1950 herum erschwinglich wurde und sich ausbreitete, sahen viele den baldigen Tod des Kinos voraus. Wer würde noch gottergeben ins Kino um die Ecke trotten, um dort die Wochenschau, den Kulturfilm und den Spielfilm zu sehen, wenn er dasselbe bei sich zu Hause im Kreis der Familie haben konnte; jenem Kreis, den - einem Bonmot des seinerzeit sehr bekannten Robert Lembke zufolge - das Fernsehgerät zu einem Halbkreis gemacht hatte?
Bekanntlich ist das Kino bisher nicht gestorben; es geht ihm, danke, sogar recht gut. Nur hat es sich wandeln müssen. Die Filme boten das, was das TV lange nicht bieten konnte - erst die Farbe, dann das breite Format, die schiere Größe der Leinwand. Aus dem kleinen, schummrigen Kino im Viertel wurde das Mulitplex als eine Art Freizeitzentrum. Und es blieb das besondere Erlebnis, etwas in Gemeinschaft zu betrachten; auch aus der Dunkelheit eines Saals heraus, in dem manches möglich ist.
Andererseits starben Medien wirklich aus; manchmal sogar sehr schnell. Der Kassettenrekorder, die Schallplatte, jetzt das VHS-Videoband. Die Schlacht zwischen Analog und Digital hat Digital glänzend gewonnen. In der Nacht auf heute haben die deutschen Sender das analoge Satelliten-TV abgeschaltet.
Analog bleibt im Augenblick noch der Rundfunk; Bemühungen, auch ihn ins Digitale hineinzufördern, scheinen nicht recht voranzukommen. Aber auch das hat zunehmend fossilen Charakter. Während ich diesen Artikel schreibe, höre ich Radiomusik aus einem kleinen Radio, dem IP-dio mini. Digital aus dem Internet.
Die Titelvignette (für eine Großansicht bitte zweimal auf das Bild klicken) zeigt das, was man das erste große deutsche Nachrichtenmagazin nennen könnte; es hieß "Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und anderen Sachen" und wurde von 1781 bis 1840 von einer "Gesellschaft von Gelehrten" herausgegeben, geleitet zunächst von Gottlob Benedikt von Schirach und dann seinem Sohn Wilhelm Benedict. Der Erscheinungsort war auch damals schon Hamburg; jedenfalls fast - nämlich Altona, das aber noch zu Holstein gehörte.
Falls Sie diese Zeitschrift interessiert, und überhaupt die politische deutsche Aufklärung, für die sie stand, dann finden Sie umfangreiche Informationen (auf Englisch) in einem schönen Aufsatz des amerikanischen Historikers Jeremy D. Popkin.
Der moderne Nachfolger des "Politischen Journals" ist "ein Hamburger Nachrichtenmagazin"; wie es die Radio- und TV-Sprecher in jenen Tagen zu nennen pflegten, als jede auch nur indirekte Produktwerbung in Nachrichtensendungen noch verpönt war. Und für dieses Nachrichtenmagazin stellt sich jetzt offenbar die Frage, was ihm die Digitalisierung bringen wird: Bereicherung? Oder doch eher Verdrängung?
Darauf, daß da etwas im Busche ist, bin ich am Freitag vorletzter Woche durch eine Notiz von Ulrich Elkmann in Zettels kleinem Zimmer aufmerksam geworden, der auf zwei Medienberichte hinwies. Der eine war einen Tag zuvor im Medienmagazin MEEDIA erschienen. Darin hieß es:
Steife Brise an der Ericusspitze: In der Spiegel-Chefredaktion ist offenbar ein erbitterter Streit um die Print-Online-Strategie entbrannt. Nach MEEDIA-Informationen fordert Blattmacher Georg Mascolo vehement eine Bezahlschranke für das überaus erfolgreiche Nachrichten-Portal. (...) Gerade beim Print-Spiegel sehen viele Verantwortliche dies kritisch – man fürchtet, dass das kostenlose Nachrichtenangebot die Heftverkäufe kannibalisiert.Kannibalisiert. Ja. Denn da strampeln sich die hochqualifizierten Redakteure des gedruckten "Spiegel" ab und produzieren hochpreisige Qualität - und was machen die Leute? Sie lesen zunehmend kostenlos "Spiegel-Online". Und immer weniger den guten Gedruckten (Auflagenminus 2011 gegenüber 2010: satte zehn Prozent). Der auch noch zum Erfolg des digitalen Bruders beiträgt, indem er ihm Artikel und journalistische Ressourcen zur Verfügung stellt. Das ist Stoff für einen handfesten Konflikt.
Wie es gern zu gehen pflegt, ist dieser Konflikt beim "Spiegel" zugleich ein persönlicher Machtkampf. Kurzer Rückblick:
Ende 2007 wurde der sehr erfolgreiche "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust auf eine gar nicht hanseatisch-vornehme Art von einer Koalition aus Anteilseignern und Kreisen der Redaktion (speziell aus der Mitarbeiter-KG) ausgebootet (Aus für Aust; ZR vom 16. 11. 2007). Es schloß sich ein langes Gezerre an (Rutscht der "Spiegel" jetzt nach links?; ZR vom 18. 11. 2007, sowie Claus Kleber soll neuer "Spiegel"-Chef werden; ZR vom 8. 12. 2007).
Am Ende einigte man sich auf eine Doppelspitze in der Chefredaktion (Kollektive Führung beim "Spiegel"?; ZR vom 17. 1. 2008): Aus dem Berliner Büro zog der Allzweckjournalist Georg Mascolo in die - damals noch - Brandswiete. Auf dem Sessel neben ihm durfte Matthias Müller von Blumencron Platz nehmen; vormals Chef von "Spiegel-Online" und während des Gezerres der Kandidat der Linken.
Eine solche Doppelspitze in der Chefredaktion entsprach eigentlich "Spiegel"-Tradition.
Anfangs hatte es nur Augstein als den Herausgeber und sein alter ego Hans Detlev Becker als "geschäftsführenden Redakteur" gegeben. Ab 1959 durfte sich Becker dann Chefredakteur nennen. Nachdem er als Verlagsdirektor ins Management gewechselt war, stiegen Johannes K. Engel (langjähriger Leiter des Kultur- und Wissenschaftsressorts) und Claus Jacobi (erster Leiter des Washingtoner Büros) zu kollektiven Chefredakteuren auf. Engel war der ruhige Macher im Hintergrund, Jacobi eher der heißblütige Journalist.
Nach diesem Modell suchte Augstein auch später seine Doppelspitze aus; mal mit Erfolg, mal ging es daneben, wie bei Hans Werner Kilz und Dr. Werner Funk. Überwiegend funktionierte es, denn über den beiden Gleichberechtigten thronte ja noch Augstein selbst, gleicher als die beiden anderen. Bis er in seinen letzten Jahren aufgrund seines Alkoholkonsums abbaute, hatte er stets den Laden im Griff und das letzte Wort.
Aber über Mascolo und Müller von Blumencron sitzt ja nun kein Augstein. So richtig zusammengerauft haben sich die beiden offenbar nie. Wie Georg Altrogge in MEEDIA im März 2010 berichtete, agierte man von Anfang an "wenig homogen":
Würden die Spiegel-Chefs besser harmonieren, ergäbe sich eine interessante Chance zum Good Cop, Bad Cop-Szenario. Doch dafür sind sich die beiden offenbar nicht "grün" genug. Schon bei der Frage, wer von beiden in das Chefbüro des Vorgängers Stefan Aust einziehen würde, musste das Los entscheiden. Mascolo gewann. Das ist zwei Jahre her.Auch jetzt gewann Mascolo; jedenfalls was den gedruckten "Spiegel" angeht: Seit Februar 2011 ist er der alleinige Chefredakteur des gedruckten "Spiegel". Im Impressum findet man zwar weiter auch Müller von Blumencron, aber er ist jetzt für alles außer eben dem Printprodukt zuständig; für "alle redaktionellen Angebote der Marke SPIEGEL in den Medienkanälen Online und Digital", wie es in der Mitteilung des "Spiegel" hieß.
Der Konflikt war damit programmiert; zwischen den beiden Personen, zwischen den Interessen der beiden Sparten. Über die Einzelheiten informiert Götz Hamann in der aktuellen "Zeit".
Vor etlichen Wochen trafen sich mehrfach in unterschiedlichen Runden Verantwortliche, um zu beraten, wie das Verhältnis zwischen Print-"Spiegel" und den digitalen Angeboten neu zu ordnen sei. Hamann:
Unter anderem sei, sagen Kreise im Verlag, bei diesem Ressortleitertreffen diskutiert worden, dass es das Magazin und seine Auflage schützen würde, wenn der Leser für Spiegel Online zahlen müsste.Entschieden ist offenbar noch nichts; eine Entscheidung auch nicht in unmittelbarer Zukunft zu erwarten.
Wenig später, die zeitliche Nähe mag Zufall sein oder auch nicht, trug der Chefredakteur des Blattes, Georg Mascolo, diesen Gedanken mit Wucht in die besagte Sitzung mit drei Geschäftsführern und fünf Mitgliedern der beiden Chefredaktionen. Rund vier Wochen ist das her.
Es geht im Grunde nicht um zwei, sondern um drei Produkte: Den gedruckten "Spiegel", wie man ihn am Kiosk kauft und ihn der Abonnent montags in seinem Briefkasten findet. Zweitens "Spiegel-Online", das bei weitem nicht die journalistische Qualität des "Spiegel" hat, aber mit seinem Agitprop und seinem Revolverjournalismus höchst erfolgreich ist (nur der Internetauftritt von "Bild" hat mehr Zugriffe). Und drittens gibt es die digitale Ausgabe des gedruckten "Spiegel", für die man auch jetzt schon zahlen muß.
Sie ist technisch vorzüglich gemacht. Seit ich sie abonniert habe, schaue ich kaum noch in den gedruckten "Spiegel". Optimiert ist der Reader für Smartphones und Tablets, aber auch auf einem konventionellen Rechner läßt sich ausgezeichnet damit arbeiten. Wenn man etwas kopieren oder ausdrucken will, kann man das ganz Heft oder jeden beliebigen Artikel als PDF-Datei laden.
Ich kann schwer erkennen, welchen Vorteil es noch haben sollte, in einem papiernen Heft zu lesen, das anschließend auch noch entsorgt werden muß, aus dem man nichts direkt kopieren kann und das, wenn man unterwegs ist, nur das Gepäck belastet.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich "Print" in diesem Sinn auf Dauer halten kann; so wenig, wie der Kassettenrekorder und die Schellack-Platte. Aber dabei geht es ja im Grunde nur um die Vertriebsart. Bezahlen muß man auch die digitale Ausgabe. Lesen tut man auf dem einen und dem anderen Weg dasselbe. Es ist eine rein technische Frage; so, wie das Ersetzen des VHS-Rekorders durch den DVD-Rekorder oder den Blueray-Rekorder.
Eine ganz andere Frage ist es, ob sich "Print" in dem Sinn wird halten können, daß es neben "Spiegel-Online" weiter das Magazin als ein eigenständiges Produkt geben wird. Ich denke, das wird so sein. Denn wer öfter schon einmal eine Currywurst im Schnellimbiß ißt, der möchte ja deswegen nicht auf Restaurants mit einer etwas anspruchsvolleren Küche verzichten.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Ausgabe vom August 1804 des "Politischen Journals". Fotografie vom Autor Genet unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported-Lizenz freigegeben. Mit Dank an Ulrich Elkmann.