Wenn Christian Wulff von unserer christlich-jüdischen Geschichte spricht und sie gleichsetzt mit dem Islam, der nun zu Deutschland gehören soll, vermischt er kulturelle Prägung und Religion. Wir meinen mit unserer christlich-jüdischen kulturellen Prägung ja nicht nur die Religion, sondern ebenso die Religionskritik und die Aufklärung. Unsere christlich-jüdische Prägung umfasst nicht nur die Christen und Juden, sondern alle, die sich in dieser Kultur verwurzelt fühlen, Andersgläubige wie Atheisten.
Die Berliner Schriftstellerin Monika Maron in einem Gastbeitrag im "Tagesspiegel" vom Dienstag über die Rede des Bundespräsidenten zum Tag der Deutschen Einheit.
Kommentar: Wulffs Rede können Sie hier nachlesen. Sie wurde bereits reichlich kommentiert. Der Artikel von Monika Maron veranlaßt mich, auf diese unsägliche Rede zurückzukommen.
Der Bundespräsident nimmt in ihr eine erstaunliche Uminterpretation des Begriffs "Deutsche Einheit" vor. Bisher bezeichnete dieser Begriff die Einheit Deutschlands über die Spaltung hinweg, die durch die Zweistaatlichkeit entstanden war. Wulff aber sieht den Begriff anders:
Damit ist Wulff bei einem Thema, das mit dem Tag der Deutschen Einheit zu verbinden vor ihm wohl niemandem eingefallen ist: Der Einwanderung nach Deutschland:
Denn zum ersten: Zugehörigkeit zu Deutschland soll nicht "auf einen Paß verengt" werden. Was meint Wulff damit?
Man könnte eine Unterscheidung übernehmen, die international üblich ist, nämlich diejenige zwischen Staatsbürgerschaft und Ethnie. Im Kosovo zum Beispiel leben Menschen, die "ethnische Albaner" sind, aber keinen albanischen Paß haben. In diesem Sinn wird beispielsweise auch von "ethnischen Chinesen" gesprochen. Damit meint man die Auslandschinesen, die vielleicht einen malaysischen oder einen indonesischen Paß haben.
Ethnische Deutsche, die keinen deutschen Paß haben, nannte man einmal "Volksdeutsche"; der Begriff ist etwas aus der Mode gekommen.
Will Wulff also mit der Aussage, man dürfe "Zugehörigkeit [zu Deutschland] nicht auf einen Paß ... verengen", in diesem Sinn verstanden wissen? Will er sagen, daß auch Donauschwaben, Rußlanddeutsche, Siebenbürger Sachsen usw., die noch in ihrem alten Siedlungsgebiet wohnen, einer Zugehörigkeit zu Deutschland teilhaftig sind? Auch wenn sie keinen deutschen Paß haben?
Vermutlich meinte er das nicht. Oder sagen wir: Es wäre sehr überraschend, wenn Wulff das gemeint hätte. Gemeint hat er offenbar, daß im Gegenteil die "Zugehörigkeit zu Deutschland" auch auf diejenigen ausgedehnt werden soll, die in Deutschland leben, aber keine Deutschen sind; weder ethnisch noch dem Paß nach.
Eine seltsame Auffassung eines Präsidenten. Unter Umständen finden ja auch diejenigen sie seltsam, die er in dieser Weise einzugemeinden trachtet. Wer nicht zur deutschen Kultur gehört und bewußt keinen deutschen Paß haben will, der möchte damit ja möglicherweise ausdrücken, daß er sich eben gerade nicht "Deutschland zugehörig" fühlt.
Und nun also die Religion. Lesen Sie bitte noch einmal: "Ein Verständnis von Deutschland, das Zugehörigkeit nicht auf ... einen Glauben verengt." Ja, wann um Himmels Willen wurde denn die Zugehörigkeit zu Deutschland auf einen Glauben verengt? Mit welchem Land verwechselt der Präsident da Deutschland? Dem Iran? Dem Afghanistan der Taliban? Mit dem Täuferreich in Münster oder dem Regime des religiösen Eiferers Girolamo Savonarola in Florenz?
Ist es Wulff entgangen, daß bereits im Kaiserreich die Zugehörigkeit zu Deutschland nicht "auf einen Glauben verengt" wurde, sondern daß jeder, ob Christ, Jude oder Ungläubiger, deutscher Staatsbürger sein konnte? Sogar, um ein beliebiges Beispiel zu wählen, der bekennende Atheist Ernst Haeckel?
Wenn schon Wulff selbst ein derart abwegiges, unhistorisches Weltbild hat - hätte ihn denn nicht wenigstens ein Referent im Präsidialamt darauf aufmerksam machen können, daß er Stuß in seinem Manuskript stehen hatte?
Und es geht ja nicht nur um diese abwegige Vorstellung einer Verengung der Zugehörigkeit zu Deutschland auf "einen Glauben". Seltsam ist es bereits, daß sich Wulff in seiner Eigenschaft als Bundespräsident überhaupt mit Angelegenheiten der Religion befaßt.
Ich kann mich nicht erinnern, daß sich ein deutscher Bundespräsident jemals bei einem derartigen offiziellen Anlaß zur Religion geäußert hat; noch nicht einmal zur Adenauerzeit der Bundespräsident Heuß, der nun freilich ein Liberaler war. Gustav Heinemann war in der evangelischen Kirche engagiert, aber er hat als Präsident meines Wissens nie zur Religion Stellung genommen; so wenig, wie der sauerländische Katholik Heinrich Lübke. Religion ist nicht Angelegenheit des Bundespräsidenten.
Warum kommt Wulff auf das Christentum, das Judentum zu sprechen? Natürlich nur, damit er auf den Islam zu sprechen kommen kann. Und auf den Islam will er kommen, weil er über Einwanderer sprechen will.
Aber da bringt er nun die Ebenen durcheinander. Monika Maron sagt es in dem Zitat: Es geht um unsere christlich-jüdisch (und, sollte man hinzufügen, durch die Antike und auch das Germanentum) geprägte Kultur, und es geht auf der anderen Seite um die Kultur von Einwanderern. Wenn Wulff schon der "Vielfalt" das Wort redet, dann kann er sich doch vernünftigerweise nur auf kulturelle Vielfalt beziehen. Die deutsche Kultur ist mehr als das Christentum, und nicht jeder Einwanderer aus einem mehrheitlich islamischen Land ist ein frommer Moslem.
Wulff versucht Menschen durch ihre Religion zu definieren. Das ist voraufklärerisch.
Und es ist, wie Monika Maron richtig anmerkt, auch ein Affront gegen alle Einwanderer aus moslemischen Ländern, die mit dem Islam nichts im Sinn haben:
Ach ja, noch etwas. Der Bundespräsident Wulff wäre nicht der bemühte Bildungsbürger Wulff, wenn er nicht in einer solchen Rede unseren Jöte unterbringen würde:
Die Berliner Schriftstellerin Monika Maron in einem Gastbeitrag im "Tagesspiegel" vom Dienstag über die Rede des Bundespräsidenten zum Tag der Deutschen Einheit.
Kommentar: Wulffs Rede können Sie hier nachlesen. Sie wurde bereits reichlich kommentiert. Der Artikel von Monika Maron veranlaßt mich, auf diese unsägliche Rede zurückzukommen.
Der Bundespräsident nimmt in ihr eine erstaunliche Uminterpretation des Begriffs "Deutsche Einheit" vor. Bisher bezeichnete dieser Begriff die Einheit Deutschlands über die Spaltung hinweg, die durch die Zweistaatlichkeit entstanden war. Wulff aber sieht den Begriff anders:
Vielfalt schätzen, Risse in unserer Gesellschaft schließen - das bewahrt vor Illusionen, das schafft echten Zusammenhalt. Das ist die Aufgabe der "Deutschen Einheit" heute.An die Stelle der staatlichen Einheit der Deutschen möchte Wulff also ein Gesellschaftsmodell setzen, in dem "Vielfalt" ein zu schätzender Wert sein soll. Erstaunlich. Bisher nannte man das nicht Deutsche Einheit, sondern Multikulturelle Gesellschaft.
Damit ist Wulff bei einem Thema, das mit dem Tag der Deutschen Einheit zu verbinden vor ihm wohl niemandem eingefallen ist: Der Einwanderung nach Deutschland:
"Wir sind ein Volk!" Dieser Ruf der Einheit muss heute eine Einladung sein an alle, die hier leben. (...) Wenn mir deutsche Musliminnen und Muslime schreiben: "Sie sind unser Präsident" - dann antworte ich aus vollem Herzen: Ja, natürlich bin ich Ihr Präsident!Nun gut, natürlich ist der deutsche Präsident der Präsident der Deutschen. Aber was rät er uns, seinen Deutschen? Dies:
Zu allererst brauchen wir aber eine klare Haltung. Ein Verständnis von Deutschland, das Zugehörigkeit nicht auf einen Pass, eine Familiengeschichte oder einen Glauben verengt, sondern breiter angelegt ist. Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.Erstaunlich. Wirklich seltsam.
Denn zum ersten: Zugehörigkeit zu Deutschland soll nicht "auf einen Paß verengt" werden. Was meint Wulff damit?
Man könnte eine Unterscheidung übernehmen, die international üblich ist, nämlich diejenige zwischen Staatsbürgerschaft und Ethnie. Im Kosovo zum Beispiel leben Menschen, die "ethnische Albaner" sind, aber keinen albanischen Paß haben. In diesem Sinn wird beispielsweise auch von "ethnischen Chinesen" gesprochen. Damit meint man die Auslandschinesen, die vielleicht einen malaysischen oder einen indonesischen Paß haben.
Ethnische Deutsche, die keinen deutschen Paß haben, nannte man einmal "Volksdeutsche"; der Begriff ist etwas aus der Mode gekommen.
Will Wulff also mit der Aussage, man dürfe "Zugehörigkeit [zu Deutschland] nicht auf einen Paß ... verengen", in diesem Sinn verstanden wissen? Will er sagen, daß auch Donauschwaben, Rußlanddeutsche, Siebenbürger Sachsen usw., die noch in ihrem alten Siedlungsgebiet wohnen, einer Zugehörigkeit zu Deutschland teilhaftig sind? Auch wenn sie keinen deutschen Paß haben?
Vermutlich meinte er das nicht. Oder sagen wir: Es wäre sehr überraschend, wenn Wulff das gemeint hätte. Gemeint hat er offenbar, daß im Gegenteil die "Zugehörigkeit zu Deutschland" auch auf diejenigen ausgedehnt werden soll, die in Deutschland leben, aber keine Deutschen sind; weder ethnisch noch dem Paß nach.
Eine seltsame Auffassung eines Präsidenten. Unter Umständen finden ja auch diejenigen sie seltsam, die er in dieser Weise einzugemeinden trachtet. Wer nicht zur deutschen Kultur gehört und bewußt keinen deutschen Paß haben will, der möchte damit ja möglicherweise ausdrücken, daß er sich eben gerade nicht "Deutschland zugehörig" fühlt.
Und nun also die Religion. Lesen Sie bitte noch einmal: "Ein Verständnis von Deutschland, das Zugehörigkeit nicht auf ... einen Glauben verengt." Ja, wann um Himmels Willen wurde denn die Zugehörigkeit zu Deutschland auf einen Glauben verengt? Mit welchem Land verwechselt der Präsident da Deutschland? Dem Iran? Dem Afghanistan der Taliban? Mit dem Täuferreich in Münster oder dem Regime des religiösen Eiferers Girolamo Savonarola in Florenz?
Ist es Wulff entgangen, daß bereits im Kaiserreich die Zugehörigkeit zu Deutschland nicht "auf einen Glauben verengt" wurde, sondern daß jeder, ob Christ, Jude oder Ungläubiger, deutscher Staatsbürger sein konnte? Sogar, um ein beliebiges Beispiel zu wählen, der bekennende Atheist Ernst Haeckel?
Wenn schon Wulff selbst ein derart abwegiges, unhistorisches Weltbild hat - hätte ihn denn nicht wenigstens ein Referent im Präsidialamt darauf aufmerksam machen können, daß er Stuß in seinem Manuskript stehen hatte?
Und es geht ja nicht nur um diese abwegige Vorstellung einer Verengung der Zugehörigkeit zu Deutschland auf "einen Glauben". Seltsam ist es bereits, daß sich Wulff in seiner Eigenschaft als Bundespräsident überhaupt mit Angelegenheiten der Religion befaßt.
Ich kann mich nicht erinnern, daß sich ein deutscher Bundespräsident jemals bei einem derartigen offiziellen Anlaß zur Religion geäußert hat; noch nicht einmal zur Adenauerzeit der Bundespräsident Heuß, der nun freilich ein Liberaler war. Gustav Heinemann war in der evangelischen Kirche engagiert, aber er hat als Präsident meines Wissens nie zur Religion Stellung genommen; so wenig, wie der sauerländische Katholik Heinrich Lübke. Religion ist nicht Angelegenheit des Bundespräsidenten.
Warum kommt Wulff auf das Christentum, das Judentum zu sprechen? Natürlich nur, damit er auf den Islam zu sprechen kommen kann. Und auf den Islam will er kommen, weil er über Einwanderer sprechen will.
Aber da bringt er nun die Ebenen durcheinander. Monika Maron sagt es in dem Zitat: Es geht um unsere christlich-jüdisch (und, sollte man hinzufügen, durch die Antike und auch das Germanentum) geprägte Kultur, und es geht auf der anderen Seite um die Kultur von Einwanderern. Wenn Wulff schon der "Vielfalt" das Wort redet, dann kann er sich doch vernünftigerweise nur auf kulturelle Vielfalt beziehen. Die deutsche Kultur ist mehr als das Christentum, und nicht jeder Einwanderer aus einem mehrheitlich islamischen Land ist ein frommer Moslem.
Wulff versucht Menschen durch ihre Religion zu definieren. Das ist voraufklärerisch.
Und es ist, wie Monika Maron richtig anmerkt, auch ein Affront gegen alle Einwanderer aus moslemischen Ländern, die mit dem Islam nichts im Sinn haben:
In Deutschland leben vier Millionen Menschen aus islamischen Ländern. Wie viele von ihnen gläubige Muslime sind, wissen wir nicht. Wir wissen auch nicht, wie viele von ihnen jetzt darüber entsetzt sind, dass der Islam, vor dem sie vielleicht geflohen sind, ihnen nun offiziell nach Deutschland gefolgt ist.So ist es. Und auch den Schlußsätzen von Maron stimme ich vollkommen zu:
Zu Deutschland gehören der Rechtsstaat, die Gleichstellung der Geschlechter, die Freiheit der Kunst, die Meinungs- und Religionsfreiheit, die Solidargemeinschaft, das Recht auf Bildung und gewaltfreie Erziehung. Aber nicht der Islam.
Ach ja, noch etwas. Der Bundespräsident Wulff wäre nicht der bemühte Bildungsbürger Wulff, wenn er nicht in einer solchen Rede unseren Jöte unterbringen würde:
Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland. Vor fast 200 Jahren hat es Johann Wolfgang von Goethe in seinem West-östlichen Divan zum Ausdruck gebracht: "Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen."Ob Wulff dieses kleine Gedicht überhaupt gelesen hat? Sie finden es hier, und es lautet vollständig:
Wer sich selbst und andre kennt,Sich "zwischen Ost und Westen bewegen" sei zum Besten, meint Goethe. Als Eideshelfer dafür, daß "der Islam zu Deutschland gehört", eignet er sich damit nun gerade nicht.
Wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.
Sinnig zwischen beiden Welten
Sich zu wiegen, lass' ich gelten;
Also zwischen Ost und Westen
Sich bewegen sei zum Besten!
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an GSN.