4. September 2010

Zitat des Tages: "Der amerikanische Geist wird gebrochen". Wie Barack Obama zum "Mr. Unpopulär" wurde. Nebst einer Bemerkung über Liberale

A sense of disappointment, bordering on betrayal, has been growing across the country (...). The fear most often expressed is that Obama is taking the country somewhere they don't want to go. "We bought what he said. He offered a lot of hope," says Fred Ferlic, an Obama voter and orthopedic surgeon in South Bend who has since soured on his choice.

Ferlic talks about the messy compromises in health care reform, his sense of an inhospitable business climate and the growth of government spending under Obama. "He's trying to Europeanize us, and the Europeans are going the other way," continues Ferlic, a former Democratic campaign donor who plans to vote Republican this year. "The entire American spirit is being broken."


(Ein Gefühl der Enttäuschung, nah an dem eines Verrats, wächst überall im Land (...). Am häufigsten wird die Befürchtung geäußert, daß Obama das Land in eine Richtung führt, in die es nicht geführt werden will. "Wir haben ihm abgekauft, was er sagte. Er machte uns große Hoffnungen", meint Fred Ferlic, ein Obama-Wähler und orthopädischer Chirurg in South Bend [einer Stadt in Indiana; Zettel], der inzwischen sauer über seine Wahlentscheidung ist.

Ferlic spricht von den schmutzigen Kompromissen bei der Gesundheitsreform, seinem Eindruck von einem wirtschaftsfeindlichen Klima und den zunehmenden Staatsausgaben unter Obama. "Er versucht uns zu europäisieren, und die Europäer bewegen sich in die entgegengesetzte Richtung" fährt Ferlic fort. Er hat früher für den Wahlkampf der Demokraten gespendet und will diesmal die Republikaner wählen. "Der amerikanische Geist wird gebrochen".)
Aus einem am Donnerstag publizierten Artikel in dem amerikanischen Nachrichtenmagazin Time mit der Überschrift "How Barack Obama became Mr. Unpopular", wie Barack Obama Mr. Unpopulär wurde.


Kommentar: Obama hat den Amerikanern im Wahlkampf eine Mogelpackung verkauft. Er war und ist ein Linker; das zeigt sein Abstimmungsverhalten als Senator ebenso wie seine Biographie. Er hat es aber fertiggebracht, sich im Wahlkampf als ein Mann der Mitte zu präsentieren; als einer, der die Amerikaner zueinander führt.

Die Amerikaner verstanden seinen Slogan "Yes we can" als einen Appell an die amerikanische Tugenden, sich anzustrengen und gemeinsam Neues anzupacken. Als ein Etikett für den Pioniergeist und die Innovationsfähigkeit, denen die USA ihren Aufstieg und ihren heutigen Reichtum verdanken.

Obama meinte aber offenkundig etwas ganz Anderes. Er meinte mit "Yes we can", daß er selbst - erst einmal ins Amt gewählt - es können würde.

Daß er es hinbekommen würde, die amerikanische Gesellschaft auf einen sozialdemokratischen Weg zu bringen; mit der braven Unterstützung seiner Landsleute, die ihm ihr Vertrauen geschenkt hatten. Ich habe das im vergangenen März im einzelnen ausgeführt (Aktuelle Umfrageergebnisse über die Stimmung der Amerikaner und die Beurteilung Obamas; ZR vom 11. 3. 2010).

Nun ist es in einer Demokratie allerdings so, daß solche Irreführungen meist nicht lange halten. Zumal nicht in den USA, wo alle zwei Jahre auf nationaler Ebene gewählt wird. Bei Gallup haben - auch das kann man im Time Magazine lesen - die Republikaner derzeit einen Vorsprung von zehn Prozentpunkten vor den Demokraten; einen so hohen Abstand hat das Institut seit seiner Gründung noch nicht gemessen.



Wie konnten sich die Amerikaner von Obama hereinlegen lassen? Weil er sie in einen kollektiven Rausch zu versetzen versuchte; weil er als Populist aufgetreten ist. Ich habe das damals in diesem Artikel satirisch und in diesem Artikel mit dem Versuch einer ernsthafteren Analyse kommentiert.

In dem zweiten Artikel finden sie auch einen hellsichtigen Kommentar von Dennis Prager vom Januar 2008 zitiert, der Obama genau so einschätzte, wie er sich jetzt erwiesen hat.

Aber die Amerikaner wollten solche Warnungen damals, im Jahr 2008, nicht hören; jedenfalls in ihrer Mehrheit nicht. Sie wollten sich berauschen lassen. Sie stellten sich einen neuen Kennedy vor. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt hatte Obama den höchsten Beliebtheitswert seit Kennedy zu diesem Zeitpunkt des Beginns einer Präsidentschaft.

Und in Deutschland war es ja nicht anders. Meine damalige Kritik an Obama ist von vielen - auch Liberalen - vehement zurückgewiesen worden; und ein Blogger, der sich als liberal bezeichnet, hat sich sogar zu folgendem Kommentar zu meinen Artikeln und denen von anderen Liberalen verstiegen:
Wenn ausgerechnet krypto-libertäre Middle-of-the-road-surrender-monkeys, mit denen man sonst das ganze Jahr über kein offenes Scheißhaus stürmen kann, sich jetzt auf einmal in einer Anti-Obama-Phalanx einträchtig zusammenfinden, um als Mitte-rechts-Staazis vor dem Etatismus eines Mitte-links-Staazis zu warnen sich anheischig zu machen, dann ist das nicht mehr gaga, sondern schon gagissima! Man darf gespannt sein, welcher häßliche rassistische Aussatz zum Vorschein kommt, wenn die bürgerlichen Charaktermasken beim neoliberal-kulturkonservativen Veitstanz mal verrutschen.
Nun ja, da übte jemand noch das Schreiben. Es wäre jedenfalls interessant, zu erfahren, was Liberale, die damals die Kritiker Obamas so - wenn auch in einer weniger hyperventilierenden Sprache - charakterisiert haben, heute zu diesem Präsidenten meinen.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Gorgasal.