28. Januar 2009

Barack Obama und die Moslems. Ein seltsamer Satz in der Antrittsrede des Präsidenten. Seltsame Formulierungen in seinem ersten Interview

Die Antrittsrede eines Präsidenten der USA, die Inauguration Address oder Inauguration Speech, ist ein Dokument von großer Bedeutung.

Sie ist halb Regierungserklärung und halb Thronrede. In ihr nennt der Präsident die Ziele seiner Amtszeit, gibt er zu erkennen, welche Prioritäten er zu setzen gedenkt. Der Text wird in der Regel wochenlang vorbereitet, immer wieder diskutiert und überarbeitet. Jedes Wort ist am Ende sozusagen geprüft und für gut befunden.

Was der in sein Amt eingeführte Präsident dann vorträgt, das sollte man also genau lesen.

Ebenso ist es von Bedeutung, wohin den Präsidenten seine erste Auslandsreise führt; wem er sein erstes Interview gibt. Da werden Präferenzen sichtbar, da werden Signale gesetzt.



Das erste offizielle Interview, das Präsident Obama einem Medium gegeben hat, gewährte er Hisham Melhem vom arabischen Sender Al-Arabyia. Laut dem von Al-Arabiya publizierten Text sagte er darin über den Friedensprozeß im Nahen Osten:
And it's going to be difficult, it's going to take time. I don't want to prejudge many of these issues, and I want to make sure that expectations are not raised so that we think that this is going to be resolved in a few months. But if we start the steady progress on these issues, I'm absolutely confident that the United States -- working in tandem with the European Union, with Russia, with all the Arab states in the region -- I'm absolutely certain that we can make significant progress.

Und es wird schwierig werden; es wird Zeit brauchen. Ich will nicht viele dieser Fragen im Vorhinein beurteilen, und ich will dafür sorgen, daß keine Erwartungen geweckt werden, so daß wir denken, daß das in ein paar Monaten gelöst werden kann. Aber wenn wir den stetigen Fortschritt zu diesen Fragen einleiten, dann bin ich völlig zuversichtlich, daß die Vereinigten Staaten - in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union, mit Rußland, mit allen arabischen Staaten in der Region - ich bin völlig sicher, daß wir bedeutsame Fortschritte machen können.
Fällt Ihnen etwas auf an dieser Passage? Mit der EU, mit Rußland und den arabischen Staaten will Präsident Obama zusammenarbeiten. Israel erwähnt er nicht.

Nun gut, man kann argumentieren, die Beteiligung Israels sei ja ohnehin selbstverständlich. Also habe Obama sie nicht ausdrücklich genannt.

Sehen wir uns eine Passage etwas später in dem Interview an:
And what I've said, and I think Hillary Clinton has expressed this in her confirmation, is that if we are looking at the region as a whole and communicating a message to the Arab world and the Muslim world, that we are ready to initiate a new partnership based on mutual respect and mutual interest, then I think that we can make significant progress.

Now, Israel is a strong ally of the United States. They will not stop being a strong ally of the United States. And I will continue to believe that Israel's security is paramount. But I also believe that there are Israelis who recognize that it is important to achieve peace. They will be willing to make sacrifices if the time is appropriate and if there is serious partnership on the other side.

Und was ich gesagt habe, und ich glaube, daß das Hillary Clinton in der Anhörung zu ihrer Bestätigung im Amt gesagt hat, ist, daß wenn wir auf die Region als Ganzes blicken und eine Botschaft an die arabische Welt und die moslemische Welt senden, daß wir bereit sind, eine neue Partnerschaft einzuleiten, basierend auf gegenseitigem Respekt und gemeinsamem Interesse, dann denke ich, daß wir bedeutsame Fortschritte machen können.

Nun ist Israel ein fester Alliierter der Vereinigten Staaten. Sie werden nicht aufhören, ein fester Alliierter der Vereinigten Staaten zu sein. Und ich werde weiter glauben, daß die Sicherheit Israels vorrangig ist. Aber ich glaube auch, daß es Israelis gibt, die anerkennen, daß es wichtig ist, Frieden zu erreichen. Sie werden willens sein, Opfer zu bringen, wenn die Zeit passend ist und wenn es ernsthafte Partnerschaft auf der anderen Seite gibt.
Wie, lieber Leser, beurteilen Sie diese Passage?

Der Präsident will eine "neue Partnerschaft" mit "der moslemischen Welt".

Er anerkennt, daß Israel ein "fester Alliierter" der USA ist. Ein Israel, das in Frieden mit den Arabern leben will? Nein, "es gibt Israelis", die willens seien, "Opfer zu bringen".

Von Opfern der Araber spricht der Präsident nicht.

Nicht wahr, das klingt, als sehe Obama die Welt doch etwas mehr aus der Perspektive der Araber als aus derjenigen Israels?

Zugegeben, das ist Interpretation, Philologie sozusagen. Sehen wir uns also eine andere Passage an:
Now, my job is to communicate the fact that the United States has a stake in the well-being of the Muslim world that the language we use has to be a language of respect. I have Muslim members of my family. I have lived in Muslim countries.

(Hisham Melhem: The largest one.)

The largest one, Indonesia. And so what I want to communicate is the fact that in all my travels throughout the Muslim world, what I've come to understand is that regardless of your faith -- and America is a country of Muslims, Jews, Christians, non-believers -- regardless of your faith, people all have certain common hopes and common dreams.

Nun ist es mein Job, die Tatsache zu vermitteln, daß die Vereinigten Staaten Anteil am Wohlergehen der moslemischen Welt haben, daß die Sprache, die wir verwenden, eine Sprache des Respekts sein muß. Ich habe Mitglieder meiner Familie, die Moslems sind. Ich habe in moslemischen Ländern gelebt.

(Hisham Melhem: Dem größten)

Dem größten, Indonesien. Was ich also vermitteln möchte, das ist der Umstand, daß bei allen meinen Reisen überall durch die moslemische Welt ich zu dem Verständnis gekommen bin, daß unabhängig von ihrem Glauben - und Amerika ist ein Land von Moslems, Juden, Christen, Nichtgläubigen - daß unabhängig vom Glauben die Menschen gewisse gemeinsame Hoffnungen und gemeinsame Träume haben.
Der Feststellung, daß alle Menschen gemeinsame Hoffnung haben - daß sie nämlich alle in Frieden, Gesundheit und Wohlstand leben wollen - wird man nicht widersprechen können.

Aber ist Ihnen aufgefallen, in welcher Reihenfolge der Präsident die Religionen und Weltanschauungen in den USA nennt? "Moslems, Juden, Christen, Nichtgläubige". Die Moslems vor den Juden. Die Christen auf Platz drei.



Jetzt hört Zettel aber das Gras wachsen, werden Sie vielleicht denken, lieber Leser. Obama steht einem Moslem Rede und Antwort, auf einem arabischen Sender. Da ist es doch normal, daß er die Moslems an vorderster Stelle nennt.

Womit wir bei der Inauguration Address sind.

Dieser Satz nämlich war ein leicht verändertes Zitat aus der Inauguration Address. Dort lautete er:
We are a nation of Christians and Muslims, Jews and Hindus - and non-believers.

Wir sind eine Nation von Christen und Moslems, Juden und Hindus - und Nichtgläubigen.
Auf das Seltsame an diesem Satz - der sich nun gar nicht speziell an Moslems wendet, sondern an die amerikanische Nation - haben in den vergangenen Tagen etliche Kommentatoren aufmerksam gemacht: An erster Stelle werden Christen und Moslems zusammengefaßt, dann folgen gemeinsam Juden und Hindus, und am Ende folgen die Nichtgläubigen.

Wie seltsam das ist, erläutern zum Beispiel Daniel Pipes und Hugh Fitzgerald. Dieser schreibt:
The traditional formulation has always paired "Christians" with "Jews" -- "Christians and Jews." (...) ... on what basis did Obama make the decision to move up "Muslims" in the ranking, right after, or even possibly paired with, Christians, leaving the Jews demoted, in a sense? It cannot be on the basis of population, for there are twice as many Jews in the United States as there are Muslims (and of the approximately 3 million Muslims, 2 million are unorthodox Black Muslims).

Die traditionelle Formulierung faßt stets "Christen" mit "Juden" zusammen - "Christen und Juden". (...) ... auf welcher Grundlage traf Obama die Entscheidung, in der Rangordnung "Moslems" nach vorn zu schieben, direkt nach - und sogar wohl gepaart mit - Christen, während die Juden gewissermaßen herabgestuft sind? Das kann nicht in der Bevölkerungszahl begründet sein, denn es gibt in den Vereinigten Staaten doppelt so viele Juden wie Moslems (und von den ungefähr drei Millionen Moslems sind zwei Millionen unorthodoxe Black Muslims).
Tja, das ist die Frage, auf welcher Grundlage der Präsident diese Entscheidung getroffen hat.

Wie eingangs gesagt - Zufall ist so etwas nicht in einer Inauguration Speech, in der jedes Wort Absicht ist; keine Nachlässigkeit, kein Versehen.

Fitzgerald diskutiert die Möglichkeit, daß in der schriftlichen Fassung des Textes das Komma falsch gesetzt worden sein könnte. Daß also Obama gar nicht gemeinsam an erster Stelle Christen und Moslems und dann - wieder gemeinsam - an zweiter Stelle Juden und Hindus nennen wollte, sondern daß es hätte heißen sollen: " ... nation of Christians, and Muslims, Jews, and Hindus, and unbelievers (" ... Nation von Christan, und Moslems, Juden, und Hindus, und Nichtgläubigen").

Aber so ist es nicht. Der Text, aus dem ich zitiert habe, ist der offizielle, vom Presidential Inaugural Committee verbreitete Text. Es gibt auch eine Abschrift der geprochenen Rede. Diese findet man zum Beispiel in der New York Times; und dort ist die Interpunktion des Satzes in der Tat anders. Aber nicht an der entscheidenden Stelle, sondern erst am Ende: "We are a nation of Christians and Muslims, Jews and Hindus, and nonbelievers".



Im Wahlkampf ist darauf hingewiesen worden, daß Barack Obama väterlicherseits aus einer moslemischen Familie stammt, daß sein Vater ihm aus diesem Grund den Middle Name "Hussein" gegeben hat und daß er in Indonesien auf eine islamische Schule gegangen ist; vielleicht - das blieb umstritten - sogar dort als Moslem geführt wurde.

Wer hierauf hinwies, der wurde in der Regel als unverbesserlicher Rechter abgetan. Jetzt redet Obama selbst darüber. Wie Thomas Lifson am Tag vor der Inauguration im American Thinker schrieb:
Now that he is elected and almost inaugurated, the rules of public discourse have changed when it comes to Barack Obama and Islam. During the campaign, you were a racist if you noticed that his middle name is Hussein. If you added that his father was a Muslim, and that Islam regards anyone born of a Muslim father as a Muslim, then you were a fear-mongering hysteric.

But tomorrow when he takes the oath of office, he has let it be known he will use his full name. He has also let it be known that he will travel to the capital of an Islamic nation to meet with leaders of Muslim nations. Suddenly, Islam is "in".

Jetzt, wo er gewählt ist und vor der Einführung in sein Amt steht, haben sich in Bezug auf Barack Obama und den Islam die Regeln des öffentlichen Diskurses geändert. Während des Wahlkampfs war man ein Rassist, wenn man anmerkte, daß sein zweiter Vorname Hussein ist. Wenn man hinzufügte, daß sein Vater Moslem war und daß der Islam jeden, der von einem moslemischen Vater abstammt, als Moslem ansieht, dann war man ein hysterischer Panikmacher.

Aber morgen, wenn er den Amtseid ablegt, wird er - so ließ er bekanntgeben - seinen vollen Namen verwenden. Er hat auch wissen lassen, daß er in die Hauptstadt eines islamischen Staats reisen wird, um sich mit den Führern der moslemischen Nationen zu treffen. Plötzlich ist der Islam "in".
Wie sollte es auch anders sein?

Barack Obama wurde als Kind durch die moslemische Umgebung geprägt, in der er jahrelang aufwuchs; so, wie er später durch den christlichen Fundamentalismus des Pastors Jeremiah Wright geprägt wurde.

Mit dem Judentum hatte er nie Berührung. Er hat, soweit erkennbar, keine Beziehung dazu. Natürlich bestimmt sich die Politik eine Regierung nicht allein und nicht primär nach solchen persönlichen Prägungen. Aber ebenso falsch wie eine solche Vermutung wäre es, die Wirkung solcher Faktoren einfach zu vernachlässigen.

Sie waren bekannt, diese Faktoren im Leben Barack Obamas. Da war und ist nichts Geheimnisvolles. Das einzige Geheimnisvolle ist für mich, wieso 77 oder 78 Prozent der jüdischen Wähler für Obama und nicht für McCain gestimmt haben.



Die Titelvignette zeigt das offizielle Foto von Präsident Obama. Es wurde wenige Stunden vor seinem Amtsantritt von Peter Souza aufgenommen und ist unter Creative Commons Attribution 3.0 Unported License freigegeben. Für Kommentare bitte hier klicken.