Wer die entsetzlichen, die perversen Details dieses Mords noch nicht kennt und sie wissen will, der findet sie im Bericht der FAZ.
Wie reagiert man auf so etwas? Natürlich zunächst einmal mit einer Mischung aus Abscheu und Interesse. Das war so bei allen aufgedeckten Lustmorden - denen von Peter Kürten beispielsweise, von Fritz Haarmann, von Jürgen Bartsch, Fritz Honka, Jack Unterweger.
Das waren Serienmörder, anders als die drei, die jetzt vor Gericht stehen.
An Grausamkeit, an Gefühllosigkeit stehen sie, soweit die Einzelheiten ihrer Tat bisher bekannt geworden sind, diesen früheren Lustmördern nicht nach.
Einen Menschen, nachdem vier Mordversuche gescheitert sind, durch Ohrfeigen wieder zu Bewußtsein zu bringen, um ihn zu befragen, wie es denn war; ihn beim fünften Versuch des Henkens, wie bei den vorherigen, zu zwingen, selbst den Putzeimer und den Bücherstapel umzustoßen, auf die man ihn gestellt hatte - das zeigt ein Maß an Roheit, an Unmenschlichkeit, das diesen Mord in dieselbe Kategorie stellt wie die der Lustmörder in Serie.
Wie reagiert man auf so etwas, nachdem die erste Abscheu abgeklungen ist, sich das erste Interesse gelegt hat? Wie ist so etwas möglich? Wie konnten die Mörder so etwas tun?
Das sind Fragen, auf die nicht nur sehr unterschiedliche Antworten gegeben werden, sondern auch Antworten auf sehr verschiedenen Erklärungs- Ebenen (oder Ebenen des Nicht- Erklären- Könnens).
Es gibt eine anthropologische Ebene. Daß Menschen so etwas tun können, wirft ja ein Licht auf das, was der Mensch ist. Die Lust am Quälen, die Lust am Töten - sie muß wohl zum Menschlichen gehören. Sie durchzieht die Mythologie, sie durchzieht die Geschichte.
Je älter ein Mythos, umso grausamer geht es dort in der Regel zu. In der ältesten Schicht der griechischen Mythologie kastriert Kronos seinen Vater, der seine Kinder aus früherer Ehe in den Tartaros geworfen hatte. Kronos seinerseits frißt seine Kinder.
Es gibt die moralische Ebene. Wie geht man mit Menschen um, die in derart eklatanter Weise alle moralischen Normen ignorieren? In allen Gesellschaften vor dem Zeitalter der Aufklärung hätte man kurzen Prozeß gemacht: Wer so etwas tut, der hat nichts mehr zu suchen in der menschlichen Gemeinschaft.
Es gibt einen Grad des Bösen, bei dem kein Verzeihen, kein Verstehen mehr möglich ist. Das haben die traditionellen Gesellschaften so empfunden, und in Extremfällen empfinden auch wir es noch so: Einen sadistischen KZ-Wärter zu verstehen versuchen ist nachgerade obszön. Man kann ihn nur bestrafen.
Seit der Aufklärung denken wir aber in der Regel, denken jedenfalls viele in der Regel anders. Wir sehen nicht nur den anthropologischen, den moralischen Aspekt, sondern wir fragen auch nach Ursachen, nach Möglichkeiten der Prävention.
Wir tendieren dazu, die Ursachen für Verbrechen, auch für so unfaßbar brutale, in der Erziehung zu sehen, in den Lebens- Umständen der Täter. Also auf der gesellschaftlichen Ebene.
Ursachen könnten freilich auch auf der biologischen Ebene liegen; vor allem in Wechselwirkung mit der gesellschaftlichen Ebene. Ungünstige Erbanlagen; eine Beeinträchtigung von Hirnfunktionen durch Drogen- Gebrauch beispielsweise. Kommen ungünstige Umwelt- Einflüsse dazu, verstärkt sich das gegenseitig, dann kommt es, wie Fachleute gern sagen, zu "deviantem" also zu von der Norm abweichendem Verhalten.
Nur führt die Frage nach "den Ursachen" in einem Fall wie dem von Siegburg ganz und gar ins Ungewisse.
Klischees bieten sich an, springen sozusagen ins Auge, werden von den Verteidigern bereitwillig verwendet: Die schwere Kindheit, wie auch anders. Drogen. Der Einfluß des kriminellen Milieus. Die soziale Interaktion zwisichen den Knast- Kumpanen, die sich gegenseitig in ihrem Tun bestärkten.
Dann die Zustände im Jugend- Strafvollzug. Die Financial Times Deutschland schrieb:
Nur frage ich mich, ob alle diese Versuche, Ursachen zu finden - in der Kindheit der Täter, in ihrem Drogenkonsum, in dem Milieu, in dem sie lebten, in den Bedingungen des Strafvollzugs - nicht am Kern der Sache vorbeigehen.
Alle diese Faktoren, ob für sich wirkend oder in Wechselwirkung, erklären ja nicht eine solche Tat. Zehntausende, vielleicht Hundertausende sind in Deutschland denselben Faktoren ausgesetzt, und sie tun so etwas nicht.
Was ich vermisse - in der linken Diskussion jedenfalls, auch größtenteils in der liberalen -, das ist die moralische Dimension. Diejenigen, die das getan haben, sind, um das altmodische Wort zu verwenden, Übeltäter. Sie haben sich als gefühlskalte Egoisten gezeigt, die hemmungslos ihren sadistischen Impulsen gefolgt sind, ohne jedes Mitleid für den Menschen, den sie gequält haben.
Sie müssen dafür büßen. Ihre Tat muß gesühnt werden, nach dem Maß ihrer Schuld.
Ist das eine überholte, eine unserem Strafrecht fremde Betrachtungsweise? Keineswegs. Der Paragraph 46 des StGB bestimmt im Absatz 1 die allgemeinsten Kriterien für die Zumessung einer Strafe:
Als ich Kommentare zu der Tat von Siegburg gelesen und gehört habe, die sich überwiegend mit Versäumnissen - der Gesellschaft, der für den Strafvollzug zuständigen Behörden - befaßten, da habe ich mich gefragt, wie solche Kommentare, falls sie denn etwas davon erfahren, auf die Täter wirken.
Mir scheint es nicht unwahrscheinlich, daß sie sich sagen werden: Dumm gelaufen. Aber wir konnten ja eigentlich nichts dafür. Wir sind halt Opfer der Gesellschaft. Und hätte man uns nicht in eine Vier- Mann- Zelle gesperrt, dann wäre uns das nicht passiert.
Dumm gelaufen. Es tue ihm leid, hat einer der Täter gesagt, denn er hätte schließlich "keinen Bock auf die Hölle".
Vielleicht geht den Tätern auf, welche entsetzliche Schuld sie auf sich geladen haben. Vielleicht ist es ihnen schon aufgegangen. Aber daß die Art, wie die Öffentlichkeit mit ihrer Tat umgeht, ihnen das erleichtert, wird man nicht behaupten können.
Wie reagiert man auf so etwas? Natürlich zunächst einmal mit einer Mischung aus Abscheu und Interesse. Das war so bei allen aufgedeckten Lustmorden - denen von Peter Kürten beispielsweise, von Fritz Haarmann, von Jürgen Bartsch, Fritz Honka, Jack Unterweger.
Das waren Serienmörder, anders als die drei, die jetzt vor Gericht stehen.
An Grausamkeit, an Gefühllosigkeit stehen sie, soweit die Einzelheiten ihrer Tat bisher bekannt geworden sind, diesen früheren Lustmördern nicht nach.
Einen Menschen, nachdem vier Mordversuche gescheitert sind, durch Ohrfeigen wieder zu Bewußtsein zu bringen, um ihn zu befragen, wie es denn war; ihn beim fünften Versuch des Henkens, wie bei den vorherigen, zu zwingen, selbst den Putzeimer und den Bücherstapel umzustoßen, auf die man ihn gestellt hatte - das zeigt ein Maß an Roheit, an Unmenschlichkeit, das diesen Mord in dieselbe Kategorie stellt wie die der Lustmörder in Serie.
Wie reagiert man auf so etwas, nachdem die erste Abscheu abgeklungen ist, sich das erste Interesse gelegt hat? Wie ist so etwas möglich? Wie konnten die Mörder so etwas tun?
Das sind Fragen, auf die nicht nur sehr unterschiedliche Antworten gegeben werden, sondern auch Antworten auf sehr verschiedenen Erklärungs- Ebenen (oder Ebenen des Nicht- Erklären- Könnens).
Es gibt eine anthropologische Ebene. Daß Menschen so etwas tun können, wirft ja ein Licht auf das, was der Mensch ist. Die Lust am Quälen, die Lust am Töten - sie muß wohl zum Menschlichen gehören. Sie durchzieht die Mythologie, sie durchzieht die Geschichte.
Je älter ein Mythos, umso grausamer geht es dort in der Regel zu. In der ältesten Schicht der griechischen Mythologie kastriert Kronos seinen Vater, der seine Kinder aus früherer Ehe in den Tartaros geworfen hatte. Kronos seinerseits frißt seine Kinder.
Es gibt die moralische Ebene. Wie geht man mit Menschen um, die in derart eklatanter Weise alle moralischen Normen ignorieren? In allen Gesellschaften vor dem Zeitalter der Aufklärung hätte man kurzen Prozeß gemacht: Wer so etwas tut, der hat nichts mehr zu suchen in der menschlichen Gemeinschaft.
Es gibt einen Grad des Bösen, bei dem kein Verzeihen, kein Verstehen mehr möglich ist. Das haben die traditionellen Gesellschaften so empfunden, und in Extremfällen empfinden auch wir es noch so: Einen sadistischen KZ-Wärter zu verstehen versuchen ist nachgerade obszön. Man kann ihn nur bestrafen.
Seit der Aufklärung denken wir aber in der Regel, denken jedenfalls viele in der Regel anders. Wir sehen nicht nur den anthropologischen, den moralischen Aspekt, sondern wir fragen auch nach Ursachen, nach Möglichkeiten der Prävention.
Wir tendieren dazu, die Ursachen für Verbrechen, auch für so unfaßbar brutale, in der Erziehung zu sehen, in den Lebens- Umständen der Täter. Also auf der gesellschaftlichen Ebene.
Ursachen könnten freilich auch auf der biologischen Ebene liegen; vor allem in Wechselwirkung mit der gesellschaftlichen Ebene. Ungünstige Erbanlagen; eine Beeinträchtigung von Hirnfunktionen durch Drogen- Gebrauch beispielsweise. Kommen ungünstige Umwelt- Einflüsse dazu, verstärkt sich das gegenseitig, dann kommt es, wie Fachleute gern sagen, zu "deviantem" also zu von der Norm abweichendem Verhalten.
Nur führt die Frage nach "den Ursachen" in einem Fall wie dem von Siegburg ganz und gar ins Ungewisse.
Klischees bieten sich an, springen sozusagen ins Auge, werden von den Verteidigern bereitwillig verwendet: Die schwere Kindheit, wie auch anders. Drogen. Der Einfluß des kriminellen Milieus. Die soziale Interaktion zwisichen den Knast- Kumpanen, die sich gegenseitig in ihrem Tun bestärkten.
Dann die Zustände im Jugend- Strafvollzug. Die Financial Times Deutschland schrieb:
Die Tat erregte bundesweit Aufsehen und zog eine politische Diskussion über Gewalt hinter Gittern nach sich. In Nordrhein-Westfalen werden die Zellen nur noch mit höchstens zwei Häftlingen belegt. Stark unter Druck geriet die nordrhein-westfälische Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU). (...)Natürlich ist nichts zu sagen gegen Verbesserungen im Strafvollzug. Wenn eine solche scheußliche Tat die Politik dazu veranlaßt, Mittel dafür bereitzustellen, die zuvor verweigert worden waren - gut so.
Zu viele Häftlinge und zu wenig Personal kennzeichnen die Situation im Jugendstrafvollzug. Müller-Piepenkötter kündigte nach der Tat die Aufstockung des Personals an. Insgesamt 330 neue Stellen sollen im Strafvollzug geschaffen werden. Außerdem wird in Wuppertal eine neue Haftanstalt mit 500 Plätzen gebaut.
Nur frage ich mich, ob alle diese Versuche, Ursachen zu finden - in der Kindheit der Täter, in ihrem Drogenkonsum, in dem Milieu, in dem sie lebten, in den Bedingungen des Strafvollzugs - nicht am Kern der Sache vorbeigehen.
Alle diese Faktoren, ob für sich wirkend oder in Wechselwirkung, erklären ja nicht eine solche Tat. Zehntausende, vielleicht Hundertausende sind in Deutschland denselben Faktoren ausgesetzt, und sie tun so etwas nicht.
Was ich vermisse - in der linken Diskussion jedenfalls, auch größtenteils in der liberalen -, das ist die moralische Dimension. Diejenigen, die das getan haben, sind, um das altmodische Wort zu verwenden, Übeltäter. Sie haben sich als gefühlskalte Egoisten gezeigt, die hemmungslos ihren sadistischen Impulsen gefolgt sind, ohne jedes Mitleid für den Menschen, den sie gequält haben.
Sie müssen dafür büßen. Ihre Tat muß gesühnt werden, nach dem Maß ihrer Schuld.
Ist das eine überholte, eine unserem Strafrecht fremde Betrachtungsweise? Keineswegs. Der Paragraph 46 des StGB bestimmt im Absatz 1 die allgemeinsten Kriterien für die Zumessung einer Strafe:
§ 46 Grundsätze der StrafzumessungNach unserem Strafrecht ist also nicht Prävention - weder General-, noch Individualprävention -, ist nicht Besserung die Grundlage für die Zumessung der Strafe. Diese sind "zu berücksichtigen". Aber die Grundlage ist die Schuld des Täters.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
Als ich Kommentare zu der Tat von Siegburg gelesen und gehört habe, die sich überwiegend mit Versäumnissen - der Gesellschaft, der für den Strafvollzug zuständigen Behörden - befaßten, da habe ich mich gefragt, wie solche Kommentare, falls sie denn etwas davon erfahren, auf die Täter wirken.
Mir scheint es nicht unwahrscheinlich, daß sie sich sagen werden: Dumm gelaufen. Aber wir konnten ja eigentlich nichts dafür. Wir sind halt Opfer der Gesellschaft. Und hätte man uns nicht in eine Vier- Mann- Zelle gesperrt, dann wäre uns das nicht passiert.
Dumm gelaufen. Es tue ihm leid, hat einer der Täter gesagt, denn er hätte schließlich "keinen Bock auf die Hölle".
Vielleicht geht den Tätern auf, welche entsetzliche Schuld sie auf sich geladen haben. Vielleicht ist es ihnen schon aufgegangen. Aber daß die Art, wie die Öffentlichkeit mit ihrer Tat umgeht, ihnen das erleichtert, wird man nicht behaupten können.
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