9. Juni 2007

Marginalie: Der Islam im multiethnischen Malaysia - Hinweis auf eine spannende Diskussion

In "Al Jazeera" habe ich heute eine sehr informative Diskussion gesehen. Da sie vermutlich wiederholt wird (und auch über YouTube anzusehen sein dürfte), möchte ich kurz auf sie hinweisen.

Der Anlaß war der Fall einer Frau, die in Malaysia vom Islam zum Christentum konvertiert war und die nun verlangte, daß die betreffende Eintragung in ihrem Paß geändert würde.

Ein formaler Akt, sollte man meinen. Aber ihr wurde diese Änderung verwehrt, und zwar mit der Begründung, daß der Islam es nicht erlaube, ihn zu verlassen. Sie ging bis zum Obersten Gericht, und das verweigerte ihr kürzlich mit 2 : 1 Stimmen die Änderung der Eintragung. Es verwies sie zugleich an das oberste islamische Gericht, das nach der Scharia urteilt.



In der Diskussion wurde der Hintergrund dieser seltsamen Rechtslage sichtbar. Es diskutierten Dr. Syed Ali Tawfik Al-Attas, Direktor eines islamischen Instituts, Dr. Farish Noor, ein Soziologie mit säkularen Überzeugungen und der Jurist Dr. Lee Heng Seng, ein Rechtsanwalt und Christ.

Aus der Diskussion ging hervor, daß es in Malaysia ein gewissermaßen geschachteltes Rechtssystem gibt: Die Verfassung ist säkular. Aber unter ihrem Dach wird den einzelnen Gemeinschaften - die nicht nur religiöse, sondern zugleich ethnische Gruppen sind - ihre eigene Rechtsprechung zugestanden; jedenfalls dem Islam, der davon eifrig Gebrauch macht.

Und aus dem Islam kann nun mal niemand heraus, der einmal Moslem ist.

Ein stupendes Argument dafür brachte der islamische Gelehrte Al-Attas vor: Moslem zu sein sei ein Vertrag mit Gott. Wer den Islam verlasse, der werde also vertragsbrüchig. Und wer vertragsbrüchig sei, der werde in jeder Rechtsordnung bestraft.



Da er aber wirklich ein Gelehrter zu sein scheint, hat er auch den Hintergrund des Verbots, den Islam zu verlassen (samt drastischer Strafen), erläutert: Es sei ergangen, als in der Frühzeit des Islam die akute Gefahr bestanden habe, daß schon zum Islam Bekehrte wieder zu Stammesreligionen zurückkehrten. Es sei zwar Bestandteil islamischen Rechts, aber nicht im Koran enthalten.