27. Mai 2007

Pfingsten, das liebliche Fest ...

Von einem Pfingst-"Fest" spricht man heute nur noch selten. Sehr zu Recht. Denn ein Fest - also ein soziales Ereignis mit bestimmten Traditionen, oft bestimmten Ritualen, mit gemeinsamem Feiern, vor allem mit einem (meist religiösen) Sinn - ist Pfingsten für die meisten Deutschen nicht mehr.

Es ist dem Pfingstfest gegangen wie den meisten christlichen Festen. Sie wurden erst vom Fest- zum Feiertag und dann vom Feiertag zum freien Tag. Im Grunde sind die meisten ehemaligen Festtage heute Urlaubstage, nur übers Jahr verstreut, zusätzlich zum Jahresurlaub. Urlaubstage, die man bekanntlich dann, wenn sie günstig liegen, mittels Brückentagen zu einem kleinen veritablen Urlaub ausbauen kann.



Ich neige nicht zur Kulturkritik. Ich bin überhaupt nicht der Meinung, daß früher alles, oder auch nur vieles, besser war als heute. Ich bin im Gegenteil fortschrittsgläubig. Ich bin sicher, daß die Menschen heute in Europa ungleich besser leben als irgendwann in unserer Geschichte.

Auch, was das kulturelle Leben angeht. Niemals haben so viele Menschen soviel Zugang zu Kultur gehabt, und davon auch Gebrauch gemacht, wie heute in den entwickelten kapitalistischen Ländern. Nie waren, beispielsweise, die Deutschen in ihrer Gesamtheit so gebildet wie heute.

Trotzdem empfinde ich es als einen Verlust, daß uns die Feste verlorengehen. Von allen christlichen Feirtagen hat nur noch Weihnachten bei uns den Charakter eines Festes, in geringem Umfang vielleicht noch Ostern. Das heißt, es handelt sich nicht nur um Urlaubstage, sondern um Tage, an denen etwas Besonderes stattfindet.

Aber schon bei Ostern geht es los mit der, sagen wir, Festvergessenheit. Nach einer Umfrage von 2002 kannten nur 52 Prozent der Befragten die Bedeutung des Karfreitags und von Ostern.

Immerhin - auch die Ignoranten dürften in ihrer Mehrheit ein Osterfrühstück genießen, vielleicht im Schmuck eines Osterstraußes; und ihre Kinder suchen vermutlich Ostereier. Rudimentäre Festlichkeit ist noch erhalten.

Nicht bei Pfingsten. Die Ignoranz ist, nicht verwunderlich, noch extremer als bei Ostern: Eine diesjährige Umfrage für die Frauenzeitschrift "Bella" förderte zutage, daß nicht weniger als 73 Prozent der Befragten die Bedeutung des Pfingstfests nicht kannten.

Und "Pfingstbräuche" - wo werden sie noch zelebriert? In Frankfurt, da gibt es den "Wäldchestag"; der ist allerdings der (inoffizielle) "dritte Feiertag" am Dienstag nach Pfingsten. Mag sein, daß hier und da auch noch ein Pfingstochse geschmückt wird oder dergleichen. Aber das ist Folklore, nicht mehr Brauchtum.



Feste sind etwas Schönes; in vielen Kulturen ja etwas nachgerade Rauschhaftes. Feste zu feiern ist etwas hochgradig Emotionales. Soziale Emotionalität, der Gleichklang der Affekte. Gerüche, Speisen, die festliche Kleidung, Melodien, oft auch Tänze spielen dabei eine Rolle.

Da das alle Kulturen in der einen oder anderen Form haben - sollte es uns wirklich verlorengehen? Nein. Nur müssen wir, vermute ich, von den überkommenen Festen Abschied nehmen.

Ihre Funktionen werden heute durch andere Veranstaltungen erfüllt, die viele Merkmale eines Festes tragen - Pop-Konzerte zum Beispiel.

Oder eine Fußball-WM. Dieses Feiern, diese ungeheure Festtagsstimmung im Sommer 2006 - ich glaube, das war so etwas wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten zusammen. Ersatz- Weihnachten, Ersatz- Ostern, Ersatz- Pfingsten. Vielleicht im Grunde ja auch nicht schlechter. Statt Fest halt Event.



Nein, so richtig sind sie doch kein Ersatz für Feste, die Events.

Denn was die alten Feste auszeichnete, das war der Umstand, daß sie so vieles in unserer Psyche zugleich ansprachen - vom religiösen Emfinden über soziales Erleben, über die Freuden der Musik und des Tanzes bis hin zu sehr sinnlichen Genüssen. Das fehlt den Events, jedenfalls den meisten.

Sie waren schon raffiniert, unsere Altvorderen, was das Befriedigen unserer Bedürfnisse anging. Mir scheint, so ganz reichen wir noch nicht wieder an ihre psychologische Raffinesse heran.