Man betrachte folgendes Zitat:
ARTIKEL 8(1) Persönliche Freiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Postgeheimnis und das Recht, sich an einem beliebigen Ort niederzulassen, sind gewährleistet. Die Staatsgewalt kann diese Freiheiten nur auf Grund der für alle Bürger geltenden Gesetze einschränken oder entziehen.ARTIKEL 9(1) Alle Bürger haben das Recht, innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze ihre Meinung frei und öffentlich zu äußern und sich zu diesem Zweck friedlich und unbewaffnet zu versammeln. Diese Freiheit wird durch kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis beschränkt; niemand darf benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht.(2) Eine Pressezensur findet nicht statt.ARTIKEL 10(1) Kein Bürger darf einer auswärtigen Macht ausgeliefert werden.(2) Fremde Staatsbürger werden weder ausgeliefert noch ausgewiesen, wenn sie wegen ihres Kampfes für die in dieser Verfassung niedergelegten Grundsätze im Ausland verfolgt werden.(3) Jeder Bürger ist berechtigt, auszuwandern. Dieses Recht kann nur durch Gesetz der Republik beschränkt werden.
Wo stammt das her?
Nun, schwer ist es vermutlich nicht gewesen, aber das sind drei Artikel aus der "Verfassung" der DDR (Version von 1949). Und spätestens ab 1961 wurden dann selbst dem dümmsten Anhänger des Sozialismus bewusst, dass diese "Rechte" keinen Schuss Pulver wert waren und nicht verhindern konnten, dass man nicht nur Millionen Menschen über Jahrzehnte eingesperrt, sondern das man auch etliche hundert Menschen an der deutschen Grenze ermordet hat. Die Verfassung der DDR war vollkommen wertlos und der ziemlich schwache Versuch eines autoritären Regimes sich den Lack von Legitimität aufzutragen.
Dieser Tage feiern "wir" (also die heutige Bundesrepublik) das 75 jährige Bestehen unserer "Verfassung" (die aus formalen Gründen immer noch Grundgesetz heißt). Wobei: Wenn man auch nur für zwei Cent ehrlich wäre, kann man keine 75 Jahre daraus machen, da die Verfassung inzwischen öfter geändert wird als die Heizkostenverordnung, seit dem "Bestehen" des Gesetzes ist es fast 200 mal in irgendeiner Form abgeändert oder erweitert worden (also im Schnitt drei Änderungen pro Jahr). Einen solchen Flickenteppich überhaupt als Verfassung zu bezeichnen ist schon eigentlich von sich aus unfreiwillig komisch. In der selben Zeit wurde die amerikanische Verfassung übrigens ganze fünf mal erweitert. Betonung liegt auf erweitert, denn Abwehrrechte gegen den Staat werden in den USA nicht aufgehoben oder eingeschränkt.
Aber selbst unter der Prämisse, dass die Änderungen das Wesen der Verfassung nur unwesentlich verändert haben (was nicht der Fall ist), so ist das Feiern dieser Verfassung dennoch recht absurd. Hatte die DDR 1961 ihre "Feuerprobe", so fand diese in der BRD erst deutlich später, namentlich im Jahr 2020 statt, als die Verfassung wie auch ihre Hüter, ebenso wie die eigentlichen Träger der dort verbrieften Grundrechte, indiskutabel gnadenlos und auf ganzer Linie, versagten. In dem Moment wo es wirklich drauf ankam, war die deutsche Verfassung ein nutz- und wertloses Stück Papier, dessen alleiniger Vortrag in der Öffentlichkeit(!) dazu geeignet war, verhaftet und angezeigt zu werden.
Das nun ausgerechnet diejenigen, die die Verfassung mit aller Gewalt geschliffen haben, denen der "starke Staat" gar nicht robust genug gegen all diejenigen vorgehen konnte, die sich auf eben jenes Grundgesetz beriefen, wenn ausgerechnet die nun versuchen die Verfassung vor sich herzutragen wie eine Monstranz, dann ist das Land von einem schlechten Zustand endgültig in die Farce abgegelitten. Wenn die Verfassung irgendetwas wert wäre, dann würden diejenigen, die sie heute vor sich hertragen und feiern, stattdessen in Sack und Asche in der Ecke stehen und sich schämen. Aber sie schämen sich nicht, weil sie genau wissen wie hohl ihre Worte sind und wie wenig sie ein Land zur Verantwortung ziehen wird, dem eben jene Werte genauso am Allerwertesten vorbei gegangen sind, so lange es nur eine Minderheit gab, auf die sie ihre Angst und ihre Wut projezieren konnten.
Auffällig ist, dass die deutsche Verfassung durch die letzten Jahre auch einem starken Wandel in der Betrachtung unterzogen wurde: Zentraler Inhalt ist eigentlich(!) die Sammlung von Abwehrrechten gegen den Staat, d.h. das Grundgesetz definiert vor allem die Grenzen staatlichen Handelns. Die DDR Verfassung war in der Beziehung von vorneherein ehrlicher: Bereits in Artikel 6 (also noch vor den oben genannten Rechten) droht sie dem Bürger den Entzug seiner Bürgerrechte wie auch seiner wirtschaftlichen Existenz, damit wird bereits vor den dann folgenden, angeblichen Grundrechten, klar gemacht, dass die Verfassung der DDR sich nicht als Schild des Bürgers sondern zunächst als Schild des Staates gegen seine Bürger definiert. Doch genau diese Leseweise hat sich durch die letzten Jahre auch in Deutschland etabliert: So wird das Grundgesetz heran gezogen, um dem Bürger weitere Einschränkungen, beispielsweise beim "Klimaschutz", aufzuzwingen und genauso wurden auch die Grundrechtsentzüge im Zuge der Corona-Krise argumentiert. Mithin ist das Grundgesetz von einem Abwehrrecht gegen den Staat zu einem Instrument geworden mit dem der Staat seine Bürger zu etwas zwingen kann oder will. Eine völlige Pervertierung der ursprünglichen Idee, aber eine die durch die angeblichen "Verfassungshüter", die nicht zufällig aus dem politischen Establishment stammen, konsequent durchgesetzt wird.
Das nun mancherorts ausgerechnet Kinder(!) und Jugendlichen aus Schulen abgeordnet werden, um für das Grundgesetz, bzw. für "Freiheit und Demokratie" zu demonstrieren ist dabei nur ein weiterer Scherz am Rande. Die FDJ hat ebenso gerne mit solchen Demonstrationen gearbeitet und wer würde es denn nicht toll finden wenn Kinder(!) uns doch allen erklären, was ihnen die Lehrer vorher eine Stunde lang eingebläut haben.
Als ich Abitur machte (als noch Dinosaurier auf der Erde weilten) überreichte man uns zusammen mit dem Abiturzeugnis eine Ausgabe des Grundgesetzes (die ich heute noch habe). Ein kleines, eher unscheinbares, weißes Büchlein, kleiner noch als A5 und in jede Gesäßtasche passend. Ich fand das damals toll. Und ich fand das ganze Gesetz toll. Und ich fand es war DAS Dokument schlechthin. Der Beleg dafür, dass das Land, in dem ich aufgewachsen bin und weiter leben wollte, nichts mit eben jenem "Rechtsvorgänger" zu tun hatte, der in der Schule immer und immer wieder durchgekaut wurde. Ich hätte es damals nicht so formuliert, aber ich habe mich der Illusion voll unterworfen, dass ein solches Dokument der Wertvorstellungen in der Lage ist eine ganze Welt in einer andere zu verwandeln. Das die Logik, die sich dahinter verbirgt, die Ideale, die dort niedergeschrieben sind, so evident sind, dass es nur logisch ist, dass wir das alle haben wollen und alle verteidigen werden.
30 Jahre später ist dieser Wunsch nicht nur Ernüchterung gewichen. Sondern eher massiver Enttäuschung. Nicht nur in die Schwäche des Wortes sondern vor allem in die Schwäche derjenigen, die es verteidigen sollten, vom obersten Verfassungshüter (welch ein Hohn) bis zur kleinsten Sanitärkraft bei McDonalds. Und es jetzt zu umtanzen ist doch völlig absurd. Was ist es denn wert? Schützt es mich gegen die WHO, wenn sie die nächste "Pandemie" verkündet? Schützt es mich gegen Nancy Faeser, wenn sie den Verfassungsschutz endgültig zur Stasi umwandelt? Schützt es mich gegen gegen Lisa Paus, wenn sie meine Kinder im Kindergarten indoktrieren will? Wogegen soll es mich denn schützen? Ernsthaft: Gibt es irgendetwas(!), was der Staat will, aber nicht bekommen wird, weil das Grundgesetz dagegen steht?
Ich hatte es während der Corona Zeit mehrfach gesagt: Von all dem Schaden, den Merkel an der BRD angerichtet hat, ist dieser Schaden vermutlich der schlimmste: Die zusammenbrechende Energievversorgung kann man neu bauen, auch AKWs kann man neu bauen, die hunderten von Milliarden, die Merkel an die EU verschenkt hat, kann man neu erarbeiten, ihre Flüchtlingskatastrophe kann man, auch wenn das irre schwer und noch viel teurer wird, zumindest beherrschen. Aber der Schaden, den sie am deutschen Rechtsstaat angerichtet hat, der ist innerhalb der deutschen Ordnung praktisch nicht zu reparieren. Gnadenrechte können nicht in Grundrechte gewandelt werden und ein einmal wertlos gewordenes Recht kann nie wieder glaubwürdig hergestellt werden. Es mag in Form einer Illusion wieder hergestellt werden, aber es ist am Ende genau das.
Es mag irgendwann dazu kommen, dass Artikel 146 zumindest im Geiste umgesetzt wird und sich das deutsche Volk eine neue Verfassung geben wird. Und vielleicht wird diese Verfassung dann im Laufe von Jahrzehnten eine ähnliche Bedeutung und ähnlichen Respekt bekommen, den das Grundgesetz bis vor wenigen Jahren noch hatte. Aber das heutige Grundgesetz zu retten dürfte kaum möglich sein. Und es zu Umtanzen ändert daran genau gar nichts.
Llarian
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