22. März 2022

Anmerkungen zur Energiewende(2): Die Sache mit dem Speichern

Bevor ich mich dem Windstrom widme (und seiner Verteilung), möchte ich erst einmal das Speicherproblem ansprechen, bzw. die Möglichkeiten ansprechen wie man Strom speichern kann. Um nicht schon wieder den nächsten Seitenhieb auf Frau Baerbock loszuwerden, muss man einfach sagen: Strom zu speichern ist schwierig. Sehr schwierig. Und teuer. Doch der Reihe nach.

Um dann auch dem Erbenszählen gerecht zu werden, muss außerdem bemerkt werden, dass es Möglichkeiten Strom zu speichern erst einmal nahezu gar nicht gibt, vielleicht mal ab von einem Kondensator und der ist, auch wenn es heute schon ziemlich riesige Kondensatoren gibt, nicht praktikabel. Was man dagegen speichern kann ist Energie, entweder als chemische Energie (Akkumultatoren aber auch chemische Verbindungen), potentielle Energie (Pumpspeicher) oder auch in Form von Druck oder Wärme. Es gibt sicher Dutzende Möglichkeiten, aber im Rahmen der Energiewende werden eigentlich nur wenige davon in Betracht gezogen und drei davon möchte ich hier erwähnen, bzw. deren Eckdaten für spätere Verwendung diskutieren.

Da wäre zunächst mal ganz platt das Akkumulator (im letzten Beitrag auch öfter flapsig als Batterie beschrieben). Akkumulatoren haben einen hohen Wirkungsgrad (teilweise 90% und mehr) und sind dafür ziemlich teuer. Auch wenn in der Diskussion einiges davon in Frage gestellt wurde, liegen die Preise derzeit wohl bei 500-1000 Euro pro gespeicherter Kilowattstunde,  zumindest wenn man Lithium-Akkus betrachtet. Der größte Vorteil des Akkus liegt in seiner hohen Geschwindigkeit. Prinzipiell kann ein Akku in Sekunden umgeschaltet werden, fällt der Strom bei der Ladung aus, macht ihm das nichts, wird dagegen schnell Strom benötigt, kann er ihn schnell zur Verfügung stellen. Und er ist kompakt. Im Unterschied zu Pumpspeicherwerken oder gar Power-to-XYZ Anlagen, kann ein Akkumulator an jedem Solardach ergänzt werden. Aus technischer Sicht müsste man noch die Tendenz zur Selbstentladung beschreiben, aber da aus rein ökonomischen Gründen niemand auf die Idee kommt solche Akkus monatelang geladen zu lassen, ist das ein Randdetails. Zusammenfassend muss man sagen: Akkus sind schnell, effizient und teuer. 

Als zweiter Speicher der Energiewende wird gerne das Pumpspeicherkraftwerk genannt. Das ist im Prinzip ein geteilter See, wobei es ein oberes und ein unteres Becken gibt, die Energie wird als potentielle Energie des Wassers gespeichert. Im Falle der Aufladung wird Wasser vom unteren ins obere Becken gepumpt, im Falle der Entladung wird Wasser nach unter gelassen, wobei es auf dem Weg einen Generator antreibt. Das sind natürlich Großanlagen, man muss den Strom erst einmal von seiner Erzeugung im Windgenerator oder in der Solarzelle zum Kraftwerk transportieren. Dafür muss er mindestens einmal transformiert werden (Effizienzverlust). Der Hauptverlust kommt aber dadurch zustande, dass das Pumpen des Wassers und das Erzeugen des Stromes beim Ablassen ebenso natürlich nur einen begrenzten Wirkungsgrad aufweisen. Man geht wohl derzeit von einem Wirkungsgrad von 75-80% aus. Abzüglich der oben erwähnten Leitungsverluste möchte ich im weiteren mit 75% kalkulieren, was ich als recht optimistisch betrachte.
Nun ist so ein Pumpspeicherwerk auch nicht umsonst. Die wirtschaftliche Seite ist im Vergleich zu Akkumulatoren deutlich diversifizierter: So hat das in Deutschland immer gerne angeführte Pumpspeicherkraftwerk "Goldisthal" (liegt in Thürigen) eine Kapazität von 8,5 GWh und wurde 1997-2003 für 623 Millionen Euro gebaut. Allerdings gibt es auch kleinere Speicherkraftwerke wie "Nant de Drance" (Schweiz), das mehr als doppelt soviel gekostet hat und gerade mal ein Neuntel der Kapazität aufweist. Bei letzterem kommt man zu dem Ergebnis, dass ein Akku deutlich billiger gewesen wäre. Allerdings erscheint ersteres realistischer zu sein, denn das größte deutsche PSK "Schluchsee" weißt ähnlich gute Eckdaten wie das "Goldisthal" auf. Daher komme ich zu dem vorläufigen Ergebnis, dass man für ein PSK ausreichender Größe mit ungefähr 100 Euro Investition pro gespeicherter kWh rechnen kann (selbst unter der Prämisse, dass 2003 natürlich inflationstechnisch weit weg ist). Betriebskosten kommen natürlich dazu (was bei einem Akku ja deutlich günstiger ist). Die Wikipedia nennt eine Zahl von etwa 3-5 Cent pro kWh und Tag als Vollkostenrechnung, was mir angesichts der Investition als realistisch erscheint (man verzeihe mir den Fehler, dass in einer Vollkostenrechnung natürlich Kapitalkosten eingerechnet werden, was wir bei dem Akku vorher nicht getan haben). Aus technischer Sicht muss noch beigetragen werden, dass man ein PSK nicht wie einen Akku mal eben schnell laden oder entladen kann. Die Verzögerung liegt im Minutenbereich, die Auslegung geht dahin, dass man das gesamte Kraftwerke in ungefähr 10 Stunden entweder "laden" oder "entladen" kann. 

"Moment mal!", wird jetzt jemand rufen. Und die Flächen fallen vom Himmel oder wie? Ja, das tun sie. Das Hauptargument gegen Pumpspeicherwerke ist ihr gigantischer Flächenverbrauch. Und das stimmt. Selbst ein Riesenwerk wie das Goldisthal mit seinen fast 30 Millionen Kubikmetern Wasser (ich habe es auf Google mal nachgemessen, alleine das Oberbecken ist locker 500 Meter breit) hat gerade mal die Kapazität von 8,5 GWh, was, jetzt wird es wirklich böse, gerade mal etwas mehr als ein halbes Prozent des durchschnittlichen Tagesverbrauches an Strom in der BRD ausmacht (also roundabout ein paar Minuten). Oder anders gesagt: Wenn wir uns auch nur einen durchschnittlichen Tag mit Strom versorgen wollen, brauchen wir 200 mal ein solches Goldisthal. Ja, dem ist so. Man muss sich schon darüber klar werden, dass das ein Mammutprojekt ist, mit dem nicht einmal die deutsche Einheit mitkommt, eher vergleichbar mit den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Krieg. Das wird Landschaft kosten und zwar gewaltig. Und es wird hunderte von Milliarden kosten. Aber wie viel "Goldisthale" man braucht, soll ja am Ende die Rechnung ergeben. Entscheidend ist erst einmal, dass wir ein Preisschild dran machen können, Flächenverbrauch und Umsiedlungen sind hier erst einmal noch kein Maß (ich weiß wie kalt das ist, aber ich wollte ja gerade politische Anmerkungen vermeiden). 
Es gibt natürlich auch Politiker aus der NIMBY Fraktion (Not In My BackYard), die zwar ungeheuer grün sind und meinen man müsse den Strom nur nach und von Norwegen transportieren, dort gebe es viel bessere geologische Gegebenheiten und vor allem weniger deutsche Anwohner die protestieren. Das ist natürlich einerseits richtig, andererseits kann man sich fragen wie sinnvoll es ist die gesamte Stromversorgung ins Ausland abzugeben. Aber auch das erscheint mir ein Randaspekt, denn die Physik lässt sich auch in Norwegen nicht betrügen, das Preisschild wird am Ende ähnlich ausfallen.  

Dritte (und ich glaube am Ende wichtigste) Speichermethode ist..... Power-to-Gas. Das hat einen ganz simplen Grund: Selbst wenn wir hunderte von Goldisthalen bauen, wird das maximal reichen um einen oder maximal zwei Tage zu überbrücken. Das Stichwort das dazu später kommt, nennt sich Dunkelflaute. Und Dunkelflauten können sehr lang sein (durchaus auch zwei Wochen). Diese Energie aus Pumpspeicherwerken zu bestreiten ist schlicht unrealistisch, wir können nicht fünftausend Speicherseen (bzw. mehr als zehntausend Becken) bauen. Chemische Energie (die unterschiedlich sein kann, von Wasserstoff über Methan und Methanol bis zu künstlichem Sprit) hat den entscheidenden Vorteil langzeitspeicherbar zu sein. Zudem ist es sehr praktisch rückzuverstromen, selbst im kleinen Maßstab. Der Nachteil ist, das die Erzeugung wiederum teuer ist, der Wirkungsgrad ist nicht besonders dolle, das größte Problem besteht aber darin, dass die Anlagen hohe Investitionskosten haben. 

Wir könnten jetzt einen Dutzende Seiten langen Exkurs über die verschiedenen Verfahren führen, das erscheint mir aber nicht zielführend. Aufgrund der Problematik mit reinem Wasserstoff zu arbeiten (im Vergleich schlecht zu speichern, sehr reaktiv, korrosiv) werde ich mich auf Methan beschränken und flüssige Treibstoffe erst einmal liegen lassen. Um Methan zu erzeugen muss man zunächst Wasserstoff erzeugen (Elektrolyse), und diesen Wasserstoff dann mit CO2 methanisieren (Sabatier-Prozess). Für letzteren Schritt brauchen wir halbwegs konzentriertes CO2, was wir wiederum aus einem Luftwäscher (in der Regel ein Amin Wäscher) beziehen. Das ist alles viel Chemie, aber wir wollen ja eh lieber Zahlen haben als chemische Formeln. Auch hier werde ich, weil es sich um akute Forschung und Entwicklung handelt, einige nur abschätzen können.

Da wäre zunächst die Investition in die Anlage zur Methanherstellung. Diese wird, wenn man im Web sucht, derzeit mit 2500-3500 Euro pro kw Stromleistung angegeben. Stromleistung ist hier sehr wichtig, denn aus einer Kilowattstunde Stromleistung entsteht noch lange keine Kilowattstunde Energie in Form von Methan sondern deutlich weniger. Wir müssen den Wirkungsgrad berücksichtigen, der bei solchen  Anlagen zwischen 50% und 64% angegeben werden. Aber: Hier muss direkt auf die Unsicherheit dieser Zahlen hingewiesen werden. Es gibt Studien die dem Gesamtprozess Strom->Gas->Strom eine Effizienz von bis zu 80% bescheinigen. Solche Kraftwerke gibt es bis dato nicht. Möglich, dass es irgendwann solche geben wird. Mit heutigem Stand aufstellen kann man wohl ein Werk mit den vorher genannten Zahlen, deswegen sollten wir auch diese verwenden. 
 
Jetzt habe ich den Luftwäscher oben erwähnt, wenn auch nur der Vollständigkeit halber. Das hat einen simplen Grund: Wenn wir wirklich nur Methan erzeugen wollen, das wir anschließend ins deutsche Gasnetz einspeisen, dann müssten wir natürlich die Kosten für das CO2 einpreisen. Da wir aber das Gas hier im Wesentlichen als Stromspeicher betrachten wollen, kann es bei seiner anschließenden Verbrennung auch wieder genutzt werden. Das Abgas enthält bei vollständiger Verbrennung nur CO2 und Wasser, was leicht abgetrennt werden kann. Daher werde ich die Kosten für die anfängliche CO2 Gewinnung im folgenden vernachlässigen. Wenn wir uns später mit Gas beschäftigen, das in heimischen Brennern oder Autos verbrannt werden soll, müssen wir diese Kosten wieder vorholen. 
Zusammengefasst: Um mit PTG eine Kilowattstunde Strom in eine 2/3 Kilowattstunde Gas-Äquivalent zu wandeln, brauchen wir eine Investition von 2500 Euro pro Kilowattstunde. 

Das sind meines Erachtens die wesentlichen Speicher der bisher geplanten Energiewende. Aus meiner Sicht sind sie auch technisch ausreichend, denn aus ihnen lässt sich eine Kaskade von Speicherung aufbauen, wie wir im weiteren sehen werden. Ich bin mir durchaus bewusst, dass es ebenso Versuche gibt Windenergie erst einmal in Form von Druckluft zu speichern, dass man sich auch mit langfristgen Wärmespeichern auseinandersetzt und so weiter und so fort. Alles irgendwann denkbar, aber ich kann es nicht kaufen, daher bleibe ich erst einmal bei den dreien. Wenn es mit den dreien ginge, dann wäre das ja schon was, dann kann es ja nur besser werden.....

Am Ende zum Thema Speicherung möchte ich aber noch einen vierten, eine Art "Nicht-Speicher" ansprechen. Ob der thematisch in die Reihe gehört ist fragwürdig, aber ich halte es für wichtig es einmal angesprochen zu haben, denn viel zu oft hört man, dass die Energiewende doch bis hierher super funktioniert habe und man ja schon ein Drittel des Stromes mit alternativen Energien bestreite. Was sachlich falsch ist. Daher möchte ich als vierten "Speicher" einen extrem populären, aber immer wieder wegdiskutierten Speicher nennen: Das Speichern durch Dampfablassen. Man könnte auch sagen parasitäres Speichern. Es ist genau genommen der "Speicher", der bisher die Energiewende in Deutschland trägt. Das Stichwort ist der Einspeisevorrang. 
Stromanbieter sind bekanntermaßen zu 100% nachfrageorientiert. Wenn der Kunde Strom braucht, muss der Anbieter auch liefern können, alles andere wären Brown-, bzw. Blackouts, vulgo Stromausfälle. Wie macht der Anbieter das? In dem er natürlich immer ausreichend Strom vorhalten muss. Und der muss, völlig unabhängig von irgendwelchen Spot-Energie-Märkten, irgendwo erzeugt werden. Oder anders gesagt: Er muss regeln. Durch den Einspeisevorrang sind "erneuerbare" Energien von der Regelproblematik ausgenommen. Was produziert wird, muss auch angenommen werden (eine solch absurde Abkehr von der Marktwirtschaft wird man in anderen Bereichen eher verzweifelt suchen müssen). Für den Stromanbieter ergibt sich damit ein doppeltes Problem, nicht nur schwankt seine Nachfrage (obschon die wenigstens gut vorhergesagt werden kann), sein Angebot schwankt noch viel schlimmer. Und dummerweise kann man Kernkraftwerke oder auch nur Kohlekraftwerke nicht im Sekundentakt ausregeln. Was also passiert? Der Kraftwerksbetreiber wird erst einmal mehr Dampf machen, als er eigentlich muss, immer mit dem Risiko, dass der Dampf auch gebraucht wird. Es wird sozusagen chemische Energie (Kohle) in Dampf umgewandelt. Wird diese Energie gebraucht, dann wird der Dampf in Strom umgewandelt. Wird sie aber nicht gebraucht, so muss der Dampf entweichen oder abkühlen, das Kraftwerke läuft sozusagen in einem Teil-Standby. Zusätzlich zu dem muss er, umso größer der mögliche Abruf bei ihm sein könnte (sprich: umso mehr installierte Leistung dem Zufall überlassen wird), mehr und mehr echte Standby-Kapazität vorhalten. Oder anders gesagt: Er ist der konventionelle Speicher, wenn die "erneuerbare" Energie ausfällt. Völlig unabhängig von der wirtschaftlichen oder moralischen Bewertung, ist diese Form der heutigen "Speicherung" natürlich nicht mehr möglich, wenn die Energiewende denn durchgeführt sein soll. Es gibt keine konventionelle Regelleistung mehr. Man könnte auch sagen: Bisher haben die Anbieter von "erneuerbarer" Energie ihr Regelproblem einfach an den konventionellen Anbieter weiter gereicht und der musste halt um den Preis der Effizienz seine konventionellen Kraftwerke damit kannibalisieren. 

Das ist natürlich nichts, wo ich ein Preisschild dran kleben kann, entscheidend ist nur im weiteren, dass wir, wenn wir ein "erneuerbares" Stromnetz aufbauen, uns nicht darauf zurückziehen können die Regelung konventionellen Kraftwerken oder dem Ausland zu überlassen. Simpel ausgedrückt: Es kann nicht sein, dass man in Deutschland nur deswegen Ernergiewende spielen kann, weil französische AKWs im Standby bereit stehen. 
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Llarian

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