6. Februar 2022

BigTech und der Tod der Freiheit. Eine Historie und Gedankensplitter.

"Power tends to corrupt and absolute power corrupts absolutely."
                                                                        -- Lord Acton

1993 war das Jahr in dem dieser Autor das erste Mal einen Zugang zum Internet bekam, damals noch mit Tools, an die sich heute nur noch Eingeweihte und Historiker erinnern können: Mosaic, Netscape, Tin oder Gopher. Im Vergleich zu heute war die Technik unheimlich primitiv, nur ein Bild runterzuladen konnte Minuten dauern, an Filme war gar nicht zu denken und der Austausch von Nachrichten im damaligen Usenet konnte bis zu 24 Stunden dauern. Einwählen konnte man sich mit Modems, bei denen schon eine Übertragungsgeschwindigkeit von knapp 33.000 Baud (also knapp 4 kByte pro Sekunde) als recht schnell galt. Und der Zugang kostete Geld und das nicht zu knapp, die Minutenpreise waren recht happig und eine lange Nacht konnte schnell soviel kosten wie ein heutiger High-Speed Zugang für einen ganzen Monat. Es war die Antike des Internets. (Ja, Opa erzählt vom Krieg.)

Aber die primitive Technik war nicht der einzige Unterschied zu heute, ein ganz zentraler Unterschied lag in der Freiheit des Netzes. Zensur existierte nicht, weil sie zum einen politisch nicht wichtig war in einer Zeit in der 19 von 20 Bundesbürgern nicht einmal vom Netz gehört hatten, zum anderen weil sie sich technisch als extrem schwierig darstellte. Die entsprechenden Newsgruppen konnte zwar theoretisch moderiert werden, praktisch gestaltete sich das aber schwierig, weil eine einmal übertragene Information nur sehr schwer wieder einzufangen war. Webseiten zu zensieren war schon ganz unmöglich, nicht zuletzt deswegen, weil ohnehin keine Indizierung dafür existierte, die das überhaupt ermöglicht hätte. Oder anders gesagt: Google war noch nicht erfunden. 

Das Netz war in dem Sinne wirklich frei, was dann auch dazu führte, dass sich eine Menge Schmutz ausbreiten konnte, der technisch nicht aufzuhalten war. Von Bombenbauanleitungen über Bilder von extremer und ganz realer Gewalt bis zu verbotenen Formen der Pornographie. Nicht das man damit zugeworfen wurde, man hätte es schon suchen müssen, aber es war unmöglich aus dem Netz zu entfernen. Damals konnten noch Leute wie Irving ihre Theorien zum Holocaust problemlos verbreiten und wer schon immer wissen wollte wie man seine Schule in die Luft sprengt, bekam im "Anarchists Cookbook" (das man durchaus auch in Papierform, wenn auch deutlich aufwendiger, erwerben konnte)  eine Handreichung wie das zu bewerkstelligen war. 

Diese Zustand der Freiheit blieb eine ganze Weile erhalten und das Netz wuchs mit exponentieller Geschwindigkeit. Google trat auf dem Markt. Amazon begann Bücher zu verkaufen. Und ein etwas sozial gestörter Teenager gründete ein Unternehmen namens Facebook. Aber das Netz blieb frei und die damals noch kleinen Technikunternehmen (vielleicht mit Ausnahme von Google) waren lange nur einzelne, wenn auch erfolgreiche, Unternehmen unter vielen. 

Mit der zunehmenden Popularität des Internets wuchs auch der zunehmende Ruf nach Zensur. Die Freiheit des Netzes drohte ihren anarchistischen Character über die Welt des Netzes hinaus zu exportieren. In Deutschland waren plötzlich verbotene Schriften für jeden Schüler mit einer Suchmaschine erhältlich, Pornographie war in jeder Form und Farbe plötzlich verfügbar und nicht wenige totalitäre Systeme sahen sich zunehmend mit dem Problem konfrontiert, dass sie kritische Berichterstattung nicht mehr effektiv verhindern konnte. Entsprechend gab es haufenweise staatliche Versuche das Netz zu zensieren. Teilweise waren diese erfolgreich, wie die berühmte "great chinese firewall" schon recht früh demonstrierte. In westlichen Länder dagegen fuhren diese Bemühungen lange Jahre mit viel Wuff und Karacho vor die Wand. Unvergessen in Deutschland beispielsweise die DNS Filter, die von der schon damals weit überforderten Familienministerin van der Leyen umgesetzt wurden, und vermutlich eines der besten Beispiel von staatlicher Inkompetenz im Bezug auf technisches Verständnis darstellen. Das Internet "weigerte" sich, sich zensieren zu lassen, zumindest wenn man nicht wie das Vorbild China zentrale und vor allem nützliche Funktionen wie DNS oder VPN beschädigen wollte oder konnte. 

Doch der Zustand der Freiheit wärte am Ende dann doch nicht ewig. Nicht primär wegen staatlicher Maßnahmen, die eigentlich grundsätzlich an technischen Hürden scheiterten, sondern an einer anderen Entwicklung, deren primäres Ziel eigentlich nicht die Zensur gewesen ist. Der Aufstieg von BigTech. Das dem Internet zugrunde liegende Protokoll, bzw. der Aufbau der Protokolle aufeinander war, das ist keine Legende, basierend auf dem Gedanken ein Netz zu schaffen, das großen Teilausfällen im Falle eines Krieges, widerstehen konnte. Seine ganze Struktur war, vielleicht mit Ausnahme des DNS Systems (und selbst das ist nicht so eindeutig), dezentral organisiert. Es war umhin schlecht anzugreifen. Das änderte sich aber in dem Moment, als das Netz zentraler wurde. Und dieser Kristallisationspunkt war BigTech. 

Den Anfang machte Google, dass aufgrund der technischen Überlegenheit seines Suchalgorithmus in nur wenigen Jahren alle vorher namenhaften Konkurrenten wie Yahoo, Metacrawler oder Altavista einfach wegfegte. Einige Jahre später wiederholte sich das Spiel bei sozialen Netzen, die offensichtlich bessere Software von Facebook, bzw. die größere Nutzerbasis verdrängte in sehr kurzer Zeit Alternativen wie Jappy, StudiVZ oder das zunächst erfolgreiche Myspace. Die Marktmacht wird irgendwann so stark, dass selbst Google mit seiner geballten Macht Facebook nicht mehr ernsthaft gefährden kann. Amazon steigt zum größten Einzelhändler weltweit auf und dominiert zunehmend das exponentiell gewachsene Online-Bestell-Geschäft. "Historische" Händler wie beispielsweise die deutschen Platzhirsche Neckermann oder Quelle fahren vor die Wand, der letzte überlebende Versandhändler Otto führt ein unbedeutendes Nischendasein  im Schatten des amerikanischen Überhändlers. Viel später tritt dann den dreien noch Twitter hinzu, die durch ihre niedrige Eingangsschwelle die letzten Nutzer einladen, denen Facebook zu anstregend oder zu aufwendig ist. Vor allem die Politik entdeckt Twitter schnell als praktisches Verkündungsmedium, das bedeutend schneller Nachrichten verbreiten kann und mehr Leute anspricht, als traditionelle Verkündungsformen wie eigene Webseiten es könnten. Und um das ganze zu komplettieren realisierte Google vor seinen Konkurrenten die Möglichkeiten einer neuen Plattform namens Youtube und verleibt sich diese ein, um seiner Liste von Pseudomonopolen ein weiteres hinzuzufügen, welches inzwischen mächtiger ist als jeder Fernsehsender weltweit. 

Jeder der genannten verfügte entweder über überlegene Technik oder Marktmacht, um sich als festes Monopol im Markt integrieren zu können. Für den Nutzer war das in aller Regel sehr positiv, da sich (mit Ausnahme von Amazon) die Serviceleistungen über Werbung finanzieren konnten und man quasi eine überlegene Technik vermeintlich geschenkt, zumindest aber sehr günstig zur Verfügung gestellt bekam. Der nicht direkt ersichtliche Nachteil war aber die Zentralisierung des Internets, bzw. indirekt (im Falle von Amazon) die Zentralisierung von Dienstleistungen des täglichen Lebens. Die ganze Struktur war plötzlich angreifbar. Und sie wurde angegriffen. Sei es aus historischen Gründen oder einfach aus Zufall heraus, fanden linke Aktivisten und Regierungen zuerst den richtigen Dreh die "Großen" passend unter Druck zu setzen. Und die Firmen konnten diesem Druck, trotz aller finanzieller Macht, wenig entgegen setzen. Vielleicht wollten sie es auch nicht. Alle vier genannten Beispiele werden im Wesentlichen von Gründern zumindest wesentlich beeinflusst und das sind in aller Regel Leute, die mehr Geld haben als sie je sinnvoll verschwenden können und damit linke Freiheitseinschränkungen am eigenen Leib am allerwenigsten spüren. 

So oder so wurden die vier mehr und mehr zum Werkzeug eben jener Aktivisten. Am Anfang waren es noch kleine Dinge, als Facebook begann die ersten Beiträge zu zensieren, quasi als Testballon um mal zu eruieren wie einfach es sein würde. Doch ziemlich schnell war klar wie erfolgreich das ganze sein würde und mit der Präsidentschaft von Donald Trump, insbesondere gegen Ende dieser, fielen bei den Großen zunehmend die Hemmungen. Diesmal machte Twitter den Anfang und mischte sich direkt in den Wahlkampf ein, flankiert von Amazon, die Twitter einen möglichen und gefährlichen Konkurrenten effektiv vom Hals hielten. Facebook ging ebenso auf Linie, einzig Google stand noch eine Zeit lang zurück. Doch mit dem erfolgreichen Abschuss des US-Präsidenten durch BigTech brachen dann alle Dämme. Bei Facebook hatten endgültig die "Faktenchecker" (was nichts anderes ist als ein Tarnbegriff für einen linken Aktivisten) die Macht übernommen, Twitter war voll auf Linie und schließlich entschloß sich auch Google bei dem Spiel mitzumachen. Das neue Label "Misinformation" war geboren und es wurde drauf los zensiert, was das Netz hergab. War eine Information auch nur irgendwo kritisch zur Regierungslinie, wurde sie mit Hinweisen auf die "Wahrheitsseiten" der Regierung bereichert, offen widersprechende Meinungen wurden simpel mit dem Hinweis auf "Gemeinschaftsstandards" gelöscht. Journalisten, die Youtube als Verbreitungsmedien verwendeten, wurde sehr schnell klar gemacht, dass sie entweder regierungskonform zu berichten hatten oder ihrer Plattform und damit oftmals ihrer wirtschaftlichen Existenz beraubt werden würden. Was auch öfter passierte. 
  
Das Netz war faktisch zu einem Sprachrohr der Regierungen, bzw. der diese unterstützenden linken Gruppen geworden. Das liegt natürlich nicht in dem Sinne am Netz, es liegt an der Zentralisierung der genutzten Dienste. Weswegen auch süffisant dann gerne darauf hingewiesen wird, dass man ja nicht auf die Dienste von BigTech angewiesen sei und durchaus seine eigenen Seiten machen könne. Vergleichbar mit einem konkurrenzlosen Supermarkt in einer Stadt, der einen bestimmten Bürger nicht mehr beliefert mit dem Hinweis, er könne ja seine eigenen Lebensmittel anbauen. 

Unabhängig davon ob man diese Argumentation kaufen will (Libertäre würden das wohl selbstredend so sehen), so ist diese Entwicklung für den demokratischen Prozess, wie auch den Rechtsstaat, einfach nur verheerend. Faktisch sind die großen sechs (um das ganze nicht zu überfrachten habe ich Microschuft und Apfel hier mal weggelassen, sie sind nicht die primären Protagonisten, laufen aber in die selbe Richtung) das effektivste und größte Zensurnetzwerk der Geschichte mit der Macht die Informationen zu selektieren, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung noch erhält.

Das Netzwerk ist dabei, in Kombination mit den dysfunktionalen traditionellen Medien, ausgesprochen effektiv. Kritische Positionen finden nicht mehr öffentlich statt und erreichen vielleicht noch ein Viertel der Bevölkerung (wenn es hoch kommt) und das auch nur über verschlungene Wege, die auch zunehmend ausgedünnt werden. Das herrschende Narrativ kann, egal wie falsch oder absurd es ist, erst einmal nicht gebrochen werden. So herrschte (und herrscht) lange das Narrativ, dass die als "Maßnahmen" verbrämten Angriffe auf Freiheit und Grundrechte der Bürger, völlig alternativlos seien und selbst als sich zunehmend zeigte, dass es durchaus Alternativen und Länder gab, die es besser machten, drang diese Position nie durch. Bis heute glauben die Deutschen mehrheitlich, dass in Schweden die Menschen wie die Fliegen gestorben wären und wähnen sich im Vorteil. Ebenso eisern zementiert ist der Glaube, dass es sich bei Covid um eine unheimlich tödliche Krankheit handelt, völlig unvergleichbar mit "normalen" Seuchen. Das die Infektionssterblichkeit bei weniger als 2 Promille liegt, ist den Deutschen, wie auch den meisten Bewohnern der westlichen Welt, nicht geläufig. Was auch nicht verwunderlich ist, wenn jeder, der das offen vorträgt aus Medien und Netz entfernt wird. Kritische Positionen von extrem namenhaften Wissenschaftlern wie beispielsweise Robert Malone oder John Ioannidis finden nicht nur nicht statt, ihr Ruf wird gezielt ruiniert und diskreditiert. Und wenn sich jemand vor sie stellt, wird die Person von BigTech aus dem Netz entfernt. 

Wenn Gegenpositionen nicht mehr stattfinden, setzt sich die Lösung durch, die den Herrschenden am nützlichsten ist. Und so ist es auch kein Wunder, dass es die große Zeit von Politikern wie der letzten Frau Bundeskanzler ist, die nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie lieber "durchregieren" würde, als sich mit Kritik auseinanderzusetzen. Aber wie es eben typisch ist, ist die Lösung der Herrschenden selten die, die den Regierten besonders gut tun. 

Am Ende ist die verheerende Corona-Politik, das finanzielle Desaster, das Verbrechen an den Kindern und Jugendlichen, die zehn- wenn nicht hunderttausenden vernichteten Existenzen, der zerstörte Rechtsstaat, mit eine direkte Folge nicht nur der Bereitschaft von BigTech sich dem Regierungsnarrativ zu ergeben sondern auch der Kollaboration in der Beseitigung von allem, was sich dem entgegen stellt. Eine alternative Position, eine Diskussion um die beste Lösung, ja selbst Korrekturen einer völlig aus dem Gleis gelaufenen Politik fanden und finden nicht mehr statt. Sie wurden von BigTech und den Medien schlicht beseitigt. 

BigTech macht unser Leben angenehmer, soziale Netzwerke verbinden Menschen, Youtube unterhält besser als jeder Fernsehsender, Google erlaubt uns Dinge zu finden, ohne lange suchen zu müssen. Unser ganzer Alltag würde erheblich erschwert werden, wenn die großen sechs von heute auf morgen verschwinden würden. Aber der Preis, den wir dafür zahlen ist nicht nur zu hoch, er ist viel zu hoch. Der Preis ist nicht weniger als unsere Freiheit. Und wie hoch dieser Preis ist, sehen wir an den explodierenden Preisen, an der Bildung und dem Zustand unserer Jugend und nicht zuletzt am jämmerlichen Zustand unseres ehemaligen Rechtsstaates. 

Das Internet war zivilisatorisch sicher eine der größten Entwicklungen der letzten hundert Jahre, aber seine Zentralisierung möglicherweise ebenso der größte Zerstörer demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen des selben Zeitraums. Wenn BigTech nicht zerschlagen wird oder zumindest in seiner Macht begrenzt wird, dann wird es am Ende vermutlich unsere Gesellschaft zerschlagen, zumindest die, die auf Pluralismus, Debatte, Diskussion und Diskurs aufgebaut ist und war. Totalitäre Gesellschaftsformen haben nichts zu fürchten, aber vielleicht ist das dem einen oder anderen auch ganz recht so.

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Llarian

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