24. April 2021

Der Ausflug ins Bild - Pearl S. Buck, "Kaiserliche Hoheit" (1956)





Die einfachste und üblichste Methode, einen "Spaziergang im Bild" zu unternehmen, ist das Spielenlassen der menschlichen Phantasie, die Versenkung ins Dargestellte, die Tagträumerei. Die Gemälde im westlichen Kanon, die dazu am meisten verführen, dürften wohl die Stadtveduten Canalettos sein. Und vor chinesischer Kulisse findet sich solch ein Ausflug in Pearl S. Bucks romanhafter Schilderung des Lebensweges von Cixi, der "Kaiserinwitwe," dem "alten Buddha", die zwar nicht dem Rang nach, aber doch ihrer Macht macht die letzte Kaiserin auf dem Drachenthron war. "Imperial Woman," 1956 erschienen und im gleichen Jahr von Hans B. Wagenseil ins Deutsche übersetzt, zeichnet Cixis Leben vom Eintritt in den kaiserlichen Harem im Alter von 17 Jahren im Jahr 1852 bis zum Ausbruch des Aufstandes der "Vereinten Kämpfer für das Recht," bei uns als "Boxeraufstand" geläufig, nach und schildert ihre Wandlung von einem verletzlichen Wesen mit Kunstsinn zu einem skrupellosen macchiavellistischen Machtmenschen, der im Wortsinn über Leichen geht.

(Der Name "Orchidee," bei Pearl S. Buck "Orchid," der erste der wechselnden Namen und Titel, die Cixi im Roman gemäß der historischen Vorgabe trägt, ist eine wörtliche Übersetzung des Namensteils im ersten "offiziellen" Titel, 蘭貴人 / Lan Guiren, "edle Dame" Lan / 蘭 - als Konkubine 6. Ranges, den sie von ihrem Eintritt am 26. Februar 1852 bis zum Aufstieg in den fünften Rang am 28. Februar 1854 führte. Betonen möchte ich, daß meine Übersetzung der beiden Passagen völlig unabhängig von Wagenseils Übertragung entstanden ist. Bei meiner Fassung habe ich, entgegen meiner Gewohnheit, die Umschrift der Namen nach dem System von Wade und Giles, wie es sich bei Buck findet, beibehalten. In meinen Amerkungen benutze ich die heute gebräuchliche Pinyin-Transliterierung.)

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* * *
I


Aber heute war der Tag, an der Malunterricht für sie angesetzt war, und sie war dankbar dafür, denn ihre Gedanken irrten hin und her und sie war nicht in der Lage, über die gemessenen Worte eines toten Weisen nachzudenken. Sie mußte sich auf auf das Malen konzentieren, denn ihr Lehrer war eine Frau, in noch jungem Alter, und äußerst streng. Es handelte sich um die Dame Miao, eine Witwe, eine Chinesin, deren Gatte früh gestorben war. Da es normalerweise Chinesinnen nicht erlaubt war, sich am Mandschu-Hof aufzuhalten, war ihr gestattet worden, ihre Füße nicht zu binden, ihr Haar nach der Art der Mandschu-Damen hochzustecken und Mandschu-Kleidung anzulegen, damit sie zumindest wie eine Mandschu wirkte, und sie verdankte dieses Privileg der Tatsache, daß sie ihre Kunst vollkommen beherrschte. Sie stammte aus einer chinesischen Künstlerfamilie: ihr Vater und ihre Brüder waren ebenfalls Maler, aber sie übertraf sie alle, besonders in der Darstellung von Hähnen und Chrysanthemen, und ihre Aufgabe bestand darin, den Konkubinen diese Kunst zu lehren. Aber ihre Kunstfertigkeit und ihr Stolz führten dazu, daß sie sich weigerte, Konkubinen zu unterrichten, die lustlos oder unbegabt waren. Yehonala verfügte sowohl über Fleiß wie Talent, und als der Dame Maio dies auffiel, widmete sie sich ganz diesem stolzen jungen Mädchen - aber sie blieb eine strenge Lehrerin. Bislang hatte sie Yehonala noch nicht gestattet, etwas nach der Natur zu zeichnen. Stattdessen ließ sie sie alte Holzschnitte und die Drucke alter Meister betrachten, damit sie sich die Linienführung, die Farbmischungen, die sie verwendeten, einprägte. Erst danach erlaubte sie es ihr, diese Bilder zu kopieren, verbot ihr aber weiterhin, alleine zu zeichnen.

Heute erschien Frau Miao wie üblich um Punkt vier Uhr. In der kaiserlichen Bibliothek gab es viele Uhren, Geschenke von Gesandten aus vergangenen Jahrhunderten. Es waren so viele geworden, daß drei Eunuchen dafür eingeteilt worden waren, sie aufzuziehen. Frau Maio beachtete die Uhren aus dem Westen nicht, sondern sah nach der Wasseruhr am Ende des Lesezimmers. Ihr mißfielen exotische Dinge, die ihrer Ansicht nach die Ruhe störten, die zum Malen nötig war.

Sie war eine kleine Frau, die man schön hätte nennen können, wenn ihre Augen nicht zu klein ausgefallen wären. Heute trug sie ein pflaumenfarbenes Gewand und auf der hochgesteckten Frisur den Perlenkopfschmuck der Mandschus. Ein Eunuch folgte ihr und öffnete einen Schrank, dem er Pinsel und Wasserschalen entnahm. Yehonala erhob sich und blieb vor ihrer Lehrerin stehen.

"Setz dich, setz dich," befahl Frau Miao.



Sie nahm selber Platz, so daß Yehonala sich wieder setzen konnte. Während ihre Lehrerein sprach, sah sie das riesige Land und seine Menschen, in dessen Mitte sie lebte, aus einem anderen Fenster: durch die Kunst der vergangenen Jahrhunderte, angefangen mit dem berühmtesten aller chinesischen Maler, Ku k'ai-chih, der vor anderthalb Jahrtausenden gelebt hatte. Sie schätzte die Werke dieses frühen Künstler ganz besonders: die Göttinnen, die über den Wolken ritten, in Wagen, die von Drachen gezogen wurden. Und er hatte Kaiserpaläste gemalt, auf einer langen Bildrolle aus Seide, auf die der Kaiserliche Ahn Ch'ien Lung vor hundert Jahren sein Siegel gedrückt hatte und mit eigener Hand hinzugefügt hatte: "Dieses Bild hat all seine Frische bewahrt." Die Rolle hatte eine Länge von elf Fuß und war eine Handspanne hoch, von brauner Farbe, und von den neun Szenen am Kaiserhof, die auf ihr dargestellt waren, gefiel Yehonala am besten die, auf der ein Bär, der den Jägern entkommen war, die damit den Hof unterhalten wollten, auf den Kaiser losstürzte. Eine Hofdame warf sich ihm in den Weg, um das Leben des Himmelssohns zu retten. Diese Frau, dachte Yehonala, glich ihr selbst: hochgewachsen, schön, tapfer stand sie da mit verschränkten Armen, während die Wachen mit gesenkten Spießen herbeieilten. Daneben gab es eine weitere Szene, die sie bewegte: der Kaiser mit seiner Kaiserin und ihre beiden Söhne. Ammen und Lehrer standen neben den beiden Jungen, es herrschte Frieden und Familienglück, aber der jüngere Sohn blickte so rebellisch und empört drein, während ihm ein Barbier den Kopf rasierte, daß Yehonala fast laut gelacht hätte. Solch einen Sohn würde sie ebenfalls haben, wenn es dem Himmel gefiel.



Aber heute war das Thema Wang Wei, ein Arzt, der vor dreizehn Jahrhunderten gelebt hatte und der seinen angestammten Beeruf aufgegeben hatte und dich der Malerei und der Dichtkunst gewidmet hatte.

"Heute," sagte Frau Miao in ihrer scharfen Silberstimme, "wirst du diese Zeichnungen von Wang Wei studieren. Sieh dir genau an, wie zart sich die Bambusblätter von den dunklen Steinen dahinter abheben. Achte auf die Pflaumenblüten zwischen den Chrysanthemen."

Während des Unterricht war keine Frage erlaubt, die nicht das Malen zum Thema hatte, und Yehonala, die in Gegnewart ihrer Lehrer immer gehorsam war, hörte zu und sah hin. Jetzt sprach sie.

"Ist es nicht merkwürdig, daß sich Pflaumenblüten und Chrysanthemen auf demselben Blatt abgebildet sind? Werden das nicht die Jahreszeiten durcheinandergebracht?"



Frau Miao war nicht erfreut. "Es ziemt sich nicht, von Verwirrung zu sprechen, wenn die Rede von Wang Wei ist," sagte sie. "Wenn sich der Meister entschließt, Pflaumenblüte unter die Chrysanthemen zu mischen, dann liegt darin ein tieferer Sinn. Es handelt sich nicht um einen Irrtum. Denk an eins seiner berühmtesten Bilder, das schneebedeckte Bananblätter zeigt. Ist es möglich, daß Schnee auf Bananenblätter fällt? Wenn Wang Wei es malt, dann ist es möglich. Bitte denk über diese Poesie nach. Manche sagen, daß Wang Wei mehr Dichter als Maler gewesen ist. Ich behaupte, daß seine Gedichte Bilder sind, seine Bilder Gedichte, und daß darin das Wesen der Kunst liegt. Eine Stimmung darzustellen, keine Wirklichkeit - darin liegt die vollkommene Kunst."

Während sie redete, mischte sie die Farben und wählte die Pinsel, während Yehonala ihr zusah. "Du wirst dich fragen, warum ich dich bitte, die Bilder von Wang Wei zu kopieren," sagte Frau Miao. "Ich möchte, daß du dir Genauigkeit und Zartheit aneignest. Du hast Kraft. Aber Kraft muß von innen heraus beherrscht und begrenzt werden. Erst dann wird eine Gabe daraus."

"Ich möchte meiner Lehrerin eine Frage stellen," sagte Yehonala.

"Frag," antwortete Frau Miao. Mit raschen Strichen bedeckte sie ein großen Blatt Papier, das auf einem Tischchen lag, das der Eunuch neben ihr abgestellt hatte.

"Wann darf ich anfangen, eigene Bilder zu malen?" fragte Yehonala.

Ihre Lehrerin hielt inne, die Hand schwebte einen Moment regungslos in der Luft. Sie warf ihr einen Blick aus den schmalen Augen zu. "Wenn ich dir nichts mehr befehlen darf."

Yehonala gab keine Antwort. Es war klar, was gemeint war. Wenn die Wahl des Kaisers auf sie gefallen war, konnte ihr Frau Miao nichts mehr befehlen, nur noch der Kaiser, denn dann gab es niemanden mehr, der eine höhrere Stellung als sie innehatte. Sie nahm den Pinsel und begann, sorgfältig die Pflaumenblüten zwischen den Chrysanthemen zu kopieren.

* * *

Ich bin zu niedergeschlagen, dachte sie. Selbst meine Knochen sind eiskalt vor Trauer.

Aber sie war nicht krank. Ihre Arme unter der Bettdecke waren warm und kräftig. Ihr Blut floß ruhig, ihr Geist war klar. Sie war nur krank vor Sehnsucht.

Wenn ich nur meine Mutter sehen könnte, dachte sie. Die Frau, die mich geboren hat -

Sie erinnerte sich an das Gesicht ihrer Mutter, einfühlsam, gut, fröhlich und klug, und sie sehnte sich danach, zu ihrer Mutter zurückzukehren und ihr zu sagen, daß sie im Palast einsam und voller Angst war. Im Haus ihres Onkels in der Zinngießergasse herrschte keine Furcht, kannte man keine ungewisse Zukunft. Jeder Morgen brachte nur die einfachen Notwendigkeiten des Tagwerks und des Essens mit sich. Es gab keinen Prunk, niemand forderte Haltung von einem.

"Ach, Mutter," seufzte sie erneut, und sie sehnte sich wie ein kleines Kind nach seinem Zuhause. Wenn sie doch nur dahin zurückkönnte!

Der Drang erfüllte sie ganz; als sie aufstand, war ihr Herz noch voll davon, und den ganzen Tag über war sie niedergeschlagen. Es war ein trauriger Tag: das graue Tageslicht drang kaum durch die Weiße des fallenden Schnees, so daß die Laternen in den Zimmern am Mittag noch brannten. Sie ging nirgendwohin - nur in ihr Bücherzimmer, das sie in einem der kleinen seitab liegenden Paläste in einem seit langen nicht mehr benutzten Raum hatte einrichten lassen. Sie hatte den Eunuchen befohlen, dort die Bücher zusammenzutragen, die ihr am besten gefielen, und die Bildrollen, die sie gern entrollte und ansah. aber die Bücher sprachen sie heute nicht an, und sie brachte die Stunden damit zu, eine Rolle nach der anderen langsam aufzurollen, bis sie die fand, die sie gesucht hatte: eine Handrolle, siebzehn Fuß lang, gemalt von dem Künstler Chao Meng-fu zur Zeit der mongolischen Yüan-Dynastie. Diese Rolle, die ein halbes Jahrtausend oder älter war, war inspiriert gewesen von den Bildern ihres Lieblingsmalers, dem großen Wang Wei, dem Meister der Landschaftsmalerei, der diese Szenen von seiner eigenen Hütte aus gemalt hatte, in der er die letzten dreißig Jahre vor seinem Tod gelebt hatte. Und nun, hinter den Mauern des Palastes, an diesem Wintertag, an dem nichts zu sehen war außer dem Himmel und dem fallenden Schnee, betrachtete Tzu Hsi die grünen Auen des ewigen Frühlings. Eine Landschaft verschmolz mit der nächsten, während sie langsam die Rolle entrollte, um bei jeder Einzelheit von Bäumen und Bächen und fernen Hügelzügen zu verweilen. So schwebte sie, in ihrer Phantasie, durch die hohen Mauern, die sie einschlossen, und sie wanderte durch ein bezauberndes Land, vorbei an plätschernden Bächen und ruhigen Seen, folgte dem strömenden Wasser des Flusses, überquerte ihn auf hölzernen Brücken und stieg den steilen Pfad empor, der einen hohen Berg hinaufführte und sah in der Tiefe unter sich in der Schlucht einen gischtenden Sturzbach, der von Bächen über ihr gespeist wurde und bei seinem Weg in die Ebene in Wasserfällen zersprühte. Sie stieg wieder abwärts, und kam an kleinen Dörfern vorbei, die einsam in Kiefernwäldern lagen, gelangte in die wärmeren Täler mit ihren Bambushainen, verweilte im Pavilion eines Dichters und kam so zum Schluß an den Strand, wo der Fluß sich in einer Meeresbucht verlor. Dort hob und senkte sich das Boot eines Fischers auf den Wellen. Hier endete der Fluß: die offene See dehnte sich bis zum Horizont und dahinter lagen die im Nebel verhüllten Berge der Unendlichkeit. Auf dieser Rolle, so hatte ihr Frau Miao einmal erklärt, hatte der Maler das Wesen der menschlichen Seele dargestellt, wie er sie sah - wie sie die Schönheiten der Erde durchquerte, um sich endlich in der unbekannten fernen Zukunft zu verlieren.

"Und weshalb," fragte sie der Kaiser in dieser Nacht, als der lange, einsame Tag verstrichen war, "ist dein Geist so abwesend? Du kannst mich nicht täuschen. Dein Körper ist hier, aber es ist kein Leben in ihm."

Er faßte ihre Hand, die jetzt schön war, die alle Spuren von Rauheit eingebüßt hatte, mit zarten Fingern und kräftiger Handfläche.

"Schau dir diese Hand an," sagte er. "Ich halte sie, und sie schließt sich um meine, aber sie könnte jeder anderen Frau gehören."

* * *

II

An dieser Stelle komme ich zu dem, was der Anlaß, die Initialzündung für diese kleine Serie zum Thema des "Malers, der im Bild verschwindet," gewesen ist. Vor einigen Wochen erhielt ich auf Facebook eine Anfrage, ob ich als jemand, der mit der chinesischen Kultur nicht völlig unvertraut ist, bei der Suche nach einer Stelle behilflich sein könnte: "Ich suche seit Jahren einen Hinweis auf ein Bild, das in einem der Romane von Pearl S. Buck beschrieben wird. Sie ist ja in China aufgewachsen. Sie beschreibt in einem Roman ein Bild, ein Roll-Bild: ein einzelner hoher Berg mit einem winzig kleinen Mann, der den Berg empor klimmt. Anscheinend in Tusche gezeichnet. Mir kam's immer so vor, als würde dieses Bild auch in der Realität existieren. Kennst du so etwas?" Das Ergebnis der so ausgelösten Suche ist als erste Abbildung in diesem Posting zu sehen; die Weiterverfolgung des Motivs in diversen Varianten, in denen das Bild als magischer, betretbarer Kosmos erscheint, habe ich in den letzten Wochen an dieser Stelle ansatzweise nachgezeichnet.

* * *



Pearl Sydenstricker Buck, 1892 in West Virginia geboren, war das Kind eines Paares von presbyterischer Missionaren, die für ihre Geburt in die alte Heimat zurückgekehrt waren. Ab dem fünften Lebensmonat wuchs sie in Zhenjiang in der Provinz Jiangsu auf, am Südufer des Yangtzekiang in der Nähe des südchinesischen Meers auf gut der Hälfte der Distanz zwischen Shanghai und Peking gelegen. Anders als die meisten Kinder der europäischen "Expats" wuchs sie in einem zweisprachigen Umfeld auf (eigentlich sogar einem dreisprachigen, da sie Unterricht im Wenyan, dem damals noch als Verwaltungs- und Literatursprache gebräuchlichen "klassischen Chinesisch" erhielt). Nach dem Ausbruch des Boxeraufstands, als sich die mörderische antiwestliche Rebellion im späten Frühling des Jahres 1900 von der nördlichsten Küstenprovinz Shandong auf den gesamten Norden des Landes ausbreitete, floh die Familie nach Shanghai, wo Pearl von dem Rassismus ihrer neuen Klassenkameraden gegenüber den "Heiden," von deren Sprache und Kultur sie nichts kannten, schockiert war. Von 1911 bis 1914 besuchte sie das College in Virginia. Sie hatte vor, den Rest ihres Lebens in Amerika zu verbringen, aber als ihr Vater, der in China geblieben war, ihr schrieb, daß ihre Mutter im Sterben lag, trat sie in den Missionsdienst und verbrachte die Jahre von 1914 bis 1932 zuerst in Suzhou in der Provinz Anhui und anschließend in Nanjing. Ein Vortrag, den sie 1934 in New York hielt und in dem sie den christlichen Missionaren Arroganz und Kulturimperialismus vorhielt, führte zum Zerwürfnis mit dem Missionsdienst und zu ihrer Rückkehr in die USA. Ihre vehemente Gegnerschaft zum Kommunismus brachte es mit sich, daß sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Neuauflammen des Bürgerkriegs in China 1946, der mit der Machtübernahme Maos endete, nie wieder ihre eigentliche geistige Heimat besuchen konnte.

Ihr zweiter Roman, "The Good Earth," Anfang 1931 im New Yorker Verlag John Day erschienen, änderte die Sicht des westlichen Lesepublikums auf das China der Gegenwart - noch mehr tat das dann die Verfilmung durch MGM unter der Regie von Sidney Franklin von 1937. Das Buch, das in den Jahren 1931 und 1932 der meistverkaufte Roman in den Vereinigten Staaten war, schilderte China aus einer völlig neuen Sicht: nicht mehr als exotische, gefährliche Kulisse, in der die Westler Abenteuer mit Banditen und Rebellentruppen zu bestehen hatten (wie etwa Marlene Dietrich in Josef von Sternbergs "Shanghai Express" ein Jahr später), auch nicht mehr als pittoresker Schauplatz einer unverständlichen, bizarr-dekadenten Kultur, und schon gar nicht als literarische Chinoiserie, wie sie in den zwanziger Jahren etwa Ernest Bramah mit den Geschichten um seinen Geschichtenerzähler Kai Lung pflegte. ("Wenn ein Reisender bei der Rückkehr aus der Stadt sein Heim in Flammen vorfindet, tut er gut daran, das Wechselgeld nachzuzählen, das ihm die Sänftenträger gegeben haben, denn ein Unglück kommt selten allein.") Hier wurde das tatsächliche China aus der Binnensicht der armen Landbevölkerung gezeichnet, aus der Perspektive der unendlichen Mühe, der Last der lebenslangen Armut und der beständigen Gefährdung durch Hunger und Krieg, und der stillen Würde, mit der sie dieses Leben ertrugen - und das zwei Jahre von André Malrauxs "La condition humaine," dem Panorama über die Zustände in der internationalen Metropole Shanghai während der Vernichtung und Verfolgung der Kommunisten im April 1927. Die melodramatischen Umschläge des Schicksals der Familie Wang trugen dem Buch allerdings auch den Vorwurf ein, es handle sich eher um triviale Unterhaltungsliteratur - zumindest aus Sicht elitärerer Autoren: als William Faulkner 1951, vierzehn Jahre nach Pearl S. Buck, den Nobelpreis für Literatur erhielt, gab er brieflich recht drastisch seinem Unmut darüber Ausdruck, jetzt mit "Mrs. Chinahand Buck" in einen Topf geworfen zu werden.

Der Erfolg der Verfilmung, die maßgeblich zu dieser vermeintlichen Entwertung dieser Klubmitgliedschaft beigetrangen hatte, zeigt recht gut die widersprüchlichen Facetten des Ostasienbilds jener Zeit. Harold Lloyds erster Tonfilm, "Welcome Danger," löste wegen der negativen Darstellung der Bewohner der Chinatown in San Francisco als Opiumsüchtige und Diebe vehementen Protest der Nationalchinesischen Regierung unter Tschiang Kaischek aus, als er im Frühjahr 1930 in den Shanghaier Kinos anlief. 1934 erwirkte die Regierung ein Abkommen mit den großen Hollywood-Studios, künftig Chinesen nicht mehr negativ oder in klischeehaften Rollen darzustellen. Regisseur Franklin hatte ursprünglich vorgehabt, "The Good Earth" ausschließlich mit chinesischen Darstellern zu besetzen, das Studio entschied sich anders, weil man darin eine Garantie für einen Mißerfolg des Films sah, der mit seinen Produktionskosten von 2.8 Millionen Dollar zu den drei teuersten Filmen zählte, die Hollywood bis dahin gedreht hatte (Howard Hawks' erster Tonfilm von 1930, "Hell's Angels" kam ebenfalls auf 2,8 Millionen; die Pole Position nahm Fred Niblos Inszenierung des "Ben-Hur"-Stoffs von 1925 mit 4 Millionen Dollar ein. Erst "Gone with the Wind" riß dann 1939 wieder die Viermillionen-Grenze). So wurde dieser Film, in dem kein einziger Westler einen auftritt hat, komplett mit kaukasischen Darstellern besetzt (ich vermeide, absichtlich "politically incorrect," den Ausdruck "PoC", da sich Chinesen, wie auch Japaner und Koreaner, nicht als People of Color, als wortwörtlich "Farbige" empfinden). Der Regisseur hatte geplant, die Rolle von Wangs Frau, O-Lan, mit dem ersten im Westen chinesischen Filmstar, Anna May Wong, zu besetzen, aber die Regeln des seit 1934 geltenden Hays Code, die vorschrieben, daß die Darsteller von Ehe- und Liebespaaren nicht "verschiedenen Rassen" angehören durften, führten dazu, daß O-Lan von der in Düsseldorf geborenen Luise Rainer gespielt wurde, die in Deutschland in einigen Filmnebenrollen nicht weiter aufgefallen war, aber von Louis B. Mayer 1935 bei einem Theaterengagement in Wien für MGM unter Vertrag genommen wurde, weil er sich für das Studio eine zweite Greta Garbo erhoffte, deren erste Filme für MGM sich als Kassenschlager erwiesen hatten - wobei das Studio sie aus Angst vor Vorbehalten gegenüber Schauspielern "aus Nazideutschland" als Österreicherin ausgab. Ihre ersten beiden Filmrollen in Hollywood, in "The Great Ziegfeld" (1936) und "The Good Earth" brachten ihr jeweils einen Oscar als beste Schauspielerin ein. Als ihre nächsten fünf Filme an der Kinokasse floppten, bedeutete das nach drei Jahren das Aus ihrer Filmkarriere.



(Luise Rainer und Paul Muni in "The Good Earth")

* * *

Pearl S. Buck blieb auch nach ihrer Rückkehr (oder besser: Übersiedlung) in die USA 1935 literarisch beim Thema China - anders als etwa Emily Hahn, deren "Letters from Shanghai," die zwischen 1935 und 1941 den Lesern des "New Yorker" regelmäßige Einblicke in das Leben der Hautvolée und dem sozialen Leben in der Internationalen Konzession gab (Vicky Baums "Hotel Shanghai" aus dem Jahr 1937 fußt zu einem großen Teil auf den Gesprächen, die die Autorin von "Menschen im Hotel" mit Hahn in der nobelsten Adresse am Bund, dem Cathay Hotel, geführt hat), und die nach ihrer Rückkehr in die USA drei Bücher zum Thema verfaßte, um sich dann für den Rest ihres Lebens andren Sujets zu widmen. Bei Bucks 29. Roman, eben "Imperial Woman," aus dem die beiden übersetzten Passagen stammen, handelt es sich, wie eingangs erwähnt, um eine romanhafte Schilderung des Lebens und vor allem der inneren Wandlung der "letzten Kaiserin auf dem Drachenthron," Cixi, dessen Ereignisse und Dramatis personae weitgehend nach den Quellen gestaltet sind, wie sie der Autorin vorlagen. Die Hautquelle ist in diesem Fall Sir Edmund Backhouses "China Under the Empress Dowager," das Backhouse 1910 zusammen mit dem englischen Journalisten J. O. Bland veröffentlicht hatte, das dessen Ruf als Kenner China und vor allem der Verhältnisse am Kaiserhof begründet hatte.

Es gibt nur ein kleines, aber nicht ganz unwichtiges Problem dabei: bei Backhouse handelte es sich um einen Hochstapler, Fälscher und zwielichtigen Charakter von seltener Güte, wie sie in den unsicheren, chaotischen Verhältnissen in Ostasien in den Jahren nach der Jahrhundertwende gar nicht so selten auftreten. Der notorischste, großkalibrigste dieser, nun, Abenteurer dürfte der heute fast völlig vergessene Ignaz Trebitsch-Lincoln gewesen sein, mit dem Backhaus beinahe die Lebensdaten teilt (im Fall von Trebitsch-Lincoln 1879 bis 1943; im Fall von Backhouse 1873 bis 1944). Trebitsch-Lincoln, in eine orthodox-jüdische Familie in einem Shtetl der tiefsten ungarischen Provinz hineingeboren, schaffte es, in kanadischen eine Zweigstelle der anglikanischen Mission "zur Bekehrung der Juden" zu gründen, die er nach drei Jahren wegen Unterschlagung von Finanzen verlor, sich in England zum Abgeordneten für die Liberal Party ins Unterhaus wählen zu lassen, obwohl er nur die ungarische Staatsbürgerschaft besaß, sich im Ersten Weltkrieg als Doppelagent sowohl der englischen wie der deutschen Seite anzudienen (freilich erfolglos), beim Kapp-Putsch 1920 zum Pressezensor der Putschisten ernannt zu werden und sich, nachdem er nach Fernost geflohen war, ebenso erfolglos mehreren Warlords anzudienen, zum buddhistischen Mönch weihen zu lassen, einen eigenen Orden zu gründen und ab 1932 in Shanghai für die japanischen Geheimpolizei Kempetai als Agent zu arbeiten. Ganz so dick hatte es Backhouse nicht hinter den Ohren, wenngleich auch er eine beachtliche kriminelle Energie an den Tag legte, die sich allerdings weitgehend auf das Erfinden zwielichtiger Abenteuer beschränkte. In seinen wahrscheinlich von A bis Z erfundenen "Erinnerungen" mit dem Titel "Décadence Mandchoue," die als literarisches Kuriosum erst 2011 vom Verlag Earnshaw Books veröffentlicht wurden, schreibt er sich zahllose, zumeist homosexuelle Affären etwa mit Lord Rosebery, Oscar Wilde und Paul Verlaine zu - aber eben auch mit der "Kaiserinwitwe" Cixi. Die Unwahrscheinlichkeiten und Unstimmigkeiten des Textes brachten den britischen Historiker Hugh Trevor-Roper, dem das Manuskript 1973 zur Begutachtung vorgelegt worden war, dazu, sich mit dem weiteren Lebensumständen und Schriften des "Einsiedlers von Peking" zu befassen. Mit den zehn Jahre später von ihm begutachteten Tagebüchern Hitlers hatte Trevor Roper bekanntlich dann weniger Fortüne.



Backhouse, der 1899 mit 26 Jahren nach China gekommen war, verbrachte den Rest seines Lebens dort fast völlig von seinen westlichen Kollegen isoliert. Seinen Adelstitel als Baronet erbte er 1918 nach dem Tod seines Vaters, der als Direktor der Barclays Bank in den Adelsstand erhoben worden war. Die über 17000 chinesischen Bücher und Handschriften, die er zwischen 1913 und 1923 der Bodleian Library in Oxford schenkte, waren dazu gedacht, ihm eine Professur zu verschaffen. Daraus wurde nichts. Auch von den von Backhouse behaupteten engen Beziehungen zum kaiserlichen Hof, als dessen vorgeblicher Delegierter er 1916 ein Abkommen mit den englischen Reederei John Brown & Company aushandelte, haben sich nie nachweisen lassen. Auch das Tagebuch des Hofbeamten 景善, Jing Shan, dem Backhouse die Details seiner Schilderungen über die Verhältnisse am Kaiserhof entnommen haben will und das er angeblich fand, als er die Wohnung des Mandarins nach dessen Tod mietete, dürfte eine Fiktion sein. Immerhin handelt es sich bei Jing Shan selbst um eine urkundlich bezeugte Person. Ein Mandschu aus dem Clan der Seifen, 1823 im mandschurischen Zhengbai-Banner geboren, lehrte er zunächst an der Akademie von Hanlin, anschließend an der kaiserlichen Akademie von Jiju und arbeitete später als hoher Beamter im "Amt für zivile Angelegenheiten" (also dem Innenministerium) sowie dem Amt für Riten, wie man den Akten im Archiv der Verbotenen Stadt entnehmen kann (Einträge im Archiv für die Geschichte der Qing-Dynastie, 國立故宮博物院圖書文獻處清國史館傳包 , Nr. 702001658-1, 702001658-2 und 701007831-A). 1900 wurde er von den Rebellen des Boxeraufstands ermordet.

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In diesem Milieu, wo alles Feste sich auflöst, Bilder zu Portalen werden und die Wirklichkeit zum Vorschein, fügt es sich passend, daß der Name, unter dem der "alte Buddha" heute in West wie Ost bekannt ist, Cixi, nicht zu ihren "eigentlichen" Namen zählt, sondern ein Herrschaftsname ist - den sie freilich zu der Zeit, zu der die oben übersetzten Passagen spielen, (noch) nicht geführt hat. Den Titel 慈禧皇太后 / Cixǐ huáng tài hòu, führte sie erst ab 1861, nach der Thronbesteigung ihres Sohns, des Tongzhi-Kaisers im Alter von 5 Jahren und 7 Monaten; Cixi und die Kaiserinwitwe Ci'an übernahmen beide die Vormundschaft als stellvertretende Regentinnen für das Kind. Der Tongzhi-Kaiser, der noch als machtloser Regent im Alter von 18 Jahren im Januar 1875 an Pocken starb, hinterließ keine Erben und stürzte das Reich damit in eine Regierungskrise. Die Schriftzeichen von Cixis Namen bedeuten "sanfte Freude;" angesichts ihres späteren Wirken liegt in dieser Namenswahl eine jener Ironien, zu denen der Weltgeist mitunter neigt. Daß sie in den Rang einer Ko-Regentin gekommen war, verdankte sie dem Umstand, daß sie dem Xianfeng-Kaiser, der seit 1850 regierte, als einzige Ehefrau oder Konkubine einen männlichen Erben geboren hatte. Seit dem Eintritt in den kaiserlichen Harem im Juni 1852 hatte sie den Namen Yi geführt, als "Edle Dame," "Konkubine," "Gefährtin" und schließlich "Noble Gefährtin" gemäß ihres Aufstiegs vom sechsten bis zum dritten Rang. Ihr Geburtsname ist unbekannt. Der Name Yehonala, den Pearl S. Buck ihr in den ersten Kapiteln ihren Romans beilegt und den sie auch in den westlichen Quellen führt, ist der Name, unter dem sie die chinesischen Hofakten vor der Ankunft am Kaiserhof nennen: es sind die Namen der mandschurischen Clans, aus dem ihre Mutter und ihr Vater stammen: der Yehe und der Nara.

Von der chinesischen Geschichtsschreibung - jedenfalls der traditionellen - wurden seit jeher die vier Frauen, die auf dem Kaiserthron saßen, im äußerst negativem Licht gezeichnet. Die traditionelle Frauenfeindlichkeit des Konfuzianismus und seine Absolutsetzung des Kaisers als Garant irdischer Ordnung, lassen kaum eine andere Sicht zu. Aber bei Cixi ist das Urteil der Zeitgenossen - nicht nur im Westen, sondern auch in China selbst - und auch der Nachgeborenen nicht ganz unbegründet: Cixis Einfluß war maßgeblich, daß der Reformversuch der "Hundert Tage" im Sommer 1898 unter dem Nachfolger der Tongzhi-Kaisers, dem Guangxu-Kaiser (dem Sohn von Cixis jüngerer Schwester Yehe Nara Wenzhen) brutal beendet wurde, mehrere der beteiligten Minister hingerichtet wurden, die Ministerialbeamten Kang Youwei und Liang Qichao, die mit ihren Denkschriften Anlaß für diesen Erneuerungversuch gewesen waren, ins japanische Exil fliehen mußten, um dem "Tod der hundert Schnitte" zu entgehen und der Kaiser selbst bis zu seinem Tod unter Hausarrest gestellt wurde und nur noch zeremonielle Funktionen ausüben durfte. Selbst bei seinem Tod im Alter von 37 Jahren am 14. November 1908, einen Tag vor Cixis eigenem Hinscheiden, vermuteten schon die Zeitgenossen ihre Hand im Spiel, um jedes Risiko eines erneuten Reformversuchs auszuschließen. Eine forensische Untersuchung der Leiche im Jahr 2008 wies einen Arsengehalt im Gewebe nach, der über dem Zwanzigfachen einer tödlichen Dosis lag.

Cixis Entscheidung, die zum Aufbau einer modernen Kriegsflotte vorgesehenen Steuergelder stattdessen für den Bau und die Ausschmückung des "Neuen Sommerpalastes" als Ersatz für den Yuangmingyuan, den "Alten Sommerpalast," zu verwenden, der am Ende des Zweiten Opiumkrieges 1860 von englischen Truppen niedergebrannt worden war, führte zu der verheerenden Niederlage der chinesischen Marine im chinesisch-japanischen Krieg von 1895, der Korea de facto zu einer Kolonie Japans machte. Das Gerücht, sie habe Ke Shun, eine der Konkubinen des Guangxu-Kaisers, die den Westler als die "Perlenkonkubine" bekannt war und die sich für die Kunst der Photographie begeisterte, zur Zeit der Besetzung Pekings durch westliche Truppen während des Boxeraufstands in einem der zahllosen Brunnen der Verbotenen Stadt ertränken lassen, bevor der Hof nach Xi'an floh, ist bis heute in China allgemein bekannt. Schon zu Cixis Lebzeiten und kurz danach rankten sich wilde Gerüchte um ihre Laster und Vergehen. In Ce Shaozhens (Mandschurischer Name: Dsedan Dordji, 1914-1995) Erinnerungen an seine Jugend in Peiing in den Jahren zwischen 1914 und 1930, die der Autor auf Deutsch schrieb und die 1987 unter dem Titel "Flaneur im alten Peking" im Verlag Eugen Diedrichs erschienen, findet sich gleich nach der Erwähnung der "Perlenkonkubine" unter der Überschrift "Menschenleichen im kaiserlichen Graben" folgende Schilderung:

"Ein Freund von mir, Herr Xing, erzählte mir folgendes: Sein Vater kannte einen ungebildeten Mongolen, der im Kaiserpalast als Kuli Kehricht aussonderte und aus dem Palast fortschaffte. Weil er erstens kein Chinesisch verstand, zweiten weil er verschwiegen war, gaben ihm die Eunuchen ab und zu den Auftrag, heimlich einen Sack in den Wassergraben zu werfen, der die Verbotene Stadt umgibt.

Herr Xing fragte mich: "Was glauben Sie, was in diesen Säcken war?" Ich konnte keine Antwort geben. Er lächelte über meine Unkenntnis und fuhr fort: "Es waren Leichen, Menschenleichen. Sie wissen doch, daß sich die Kaiserinwitwe Cixi oft junge, kräftige Burschen von ihren Eunuchen in den Palast bringen leiß. Jemand, der mit einer Kaiserin geschlafen hat, begeht aber Majestätsbeleidigung und muß daher hingerichtet werden. Außerdem wollte Cixi nicht, daß man von ihren Bettgeschichten erfuhr. Die jungen Männer wurden am nächsten Morgen kurzerhand umgebracht und in den Wassergraben geworfen. Für jeden Sack bekam der Kuli eine gewisse Summe Geld, so daß sich für ihn das 'Sacktragen' als eine gewinnbringende Nebenbeschäftigung erwies." (S. 23)


(Wer sich fragt, wieso ein chinesischer Autor - selbst bei eigenen mandschurischen Wurzeln - dazu kommt, seine Erinnerungen auf Deutsch zu schreiben: Ce Shaozhen hatte in der Deutschen Schule in Peking studiert, weil sein Vater, ein General in der Armee Yuan Shikais, ihn für ein Studium im Ausland und wenn möglich den Eintritt in den diplomatischen Dienst vorgesehen hatte; durch die Vermittlung eines Lehrers verbrachte er die Jahre zwischen 1930 und 1932 in Hirschberg in Schlesien. Wegen seiner Herkunft galt er während der Kulturrevolution als "Volksfeind." Seine Memoiren begann er in den siebziger Jahren auf Deutsch niederzuschreiben, um sie bei Bedarf als Abschriften marxistischer Klassiker ausgeben zu können, die er ins Chinesische übersetzen wollte.)



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Einzelanmerkungen:

- "Frau Miao": auch hier handelt es sich, wie im Fall von Backhouses vorgeblicher Quelle, Jing Shan, um eine historisch verbürgte Person - und um ein Beispiel dafür, wie Irrtümer aus Quelltexten übernommen werden. Pearl S. Bucks Hauptquelle für ihre Schilderungen war zwar Backhouses Buch, aber es war nicht der einzige Brunnen, aus dem sie schöpfte. In diesem Fall verdanken sich sämtliche Details dem Buch "Court Life in China," das der amerikanische Missionar Isaac Taylor Headland (1859-1942) 1909 im New Yorker Verlag Fleming H. Revell Co. veröffentlichte. Dort heißt es im Kapitel "The Empress Dowager - as an artist" ("Die Kaiserinwitwe als Künstlerin"):

"Einige Zeit darauf wurde Mrs. Headland erneut zur Visite bei der Prinzessin (gemeint ist Cixis jüngere Schwester) und zur ihrer Überraschung der Hofdame Frau Miao vorgestellt, mit der sie und die Prinzessin eine sehr angenehme Stunde verbrachten. Als sie sich verabschieden wollte, zeigte ihr die Prinzessin, die jüngste Schwestern der Kaiserin Yehonola, das Bild eines Hahns, der im Begriff war, einen Käfer aufzupicken, das Frau Miao auf ihre Bitte hin gemalt hatte, und bat Mrs. Headland, es als Geschenk von ihr und der Malerin anzunehmen.

Während des Gesprächs hatte Mrs. Headland die Vermutung geäußert, daß die Kaiserinwitwe sich sicher schon seit langer Zeit mit Kunst beschäftigt habe.

"Ja," sagte Frau Miao. "Als sie damit anfing, waren wir beide noch jung. Kurz nachdem sie in den Palast geholt wurde, begann sie die Bücher zu studieren. Und als Zeitvertrieb, aber vor allem aus Liebe zur Kunst, griff sie zum Pinsel. Sie studierte die alten Meister nach den Holzschnitten, die sie in Büchern fand and und den Gemälden, die in der Sammlung in Palast erhalten sind, und sie zeigte bald ein außergewöhnliches Talent. Ich war damals eine junge Frau, meine Brüder waren Maler, mein Mann war schon verstorben, und ich erhielt den Auftrag, in den Palast zu kommen und mit ihr zu arbeiten."

"Sie sind doch Chinesin, Frau Miao?"

"Ja," antwortete sie, "und weil es unter der herrschenden Dynastie nicht üblich ist, daß Chinesinnen sich am Hof aufhalten, hat man mir erlaubt, meine Füße nicht zu binden, mein Haar nach Art der Mandschus hochzustecken und die Mandschu-Kleidung zu tragen." (S.87)




Hier hat die Quelle die Autorin (verständlicherweise) in die Irre geführt. Der "Yehonala" betreffende Passus spielt während der ersten beiden Jahre in Cixis Aufenthalt in der Verbotenen Stadt, also zwischen 1852 und 1854. 缪嘉惠 / Miao Jiahui, die aus Kunming in Yunnan stammte und dessen früh verstorbener Mann, Chen Rui, Beamter in Sichuan gewesen war, kam erst zur Regierungszeit des Guangzu-Kaisers an den Hof, nachdem Cixi ein Edikt erlassen hatte, daß sich begabte Künstlerinnen am Kaiserhof melden sollten und die Wahl auf sie als Lehrerin fiel. Sie wurde dem Bedienstetenstab im Fuchang-Palast zugeordnet und erhielt ein Monatsgehalt von 200 Silber-Tael. Die Nachrufe zu ihrem Tod im Jahr 1918 geben ihr Alter mit "77 Jahren" an. Da nach chinesischer Zählung schon das erste Lebensjahr mitgehält wird, kommt man so auf das Geburtsjahr 1842. Einige Autoren sind der Ansicht, daß sämtliche der zahlreichen Aquarelle von Blumen, die Cixi hinterlassen hat, in Wirklichkeit von Miao Jiahui stammen. Headland gibt auf S. 83 den Namen von Cixis Schwester Wanzhen, die 1896 starb, mit "Prinzessin Shun" an. Der Ehrentitel der "Hofdame," den ich informell auf das in diesem Zusammenhang nach "edle Dame" klingende "Frau xxx" verkürzt habe, wäre im Gebrauch jener Zeit im Original der Titel 命妇, mìngfù ("Edelfrau," "adlige Dame") gewesen, der für Frauen, die nicht der Kaiserfamilie angehörten, reserviert war.

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- "der berühmteste aller chinesischen Maler, Ku k'ai-chih": oder, in moderner Pinyin-Transliterierung, Gu Kaizhi / 顾恺之 (344-405) ist der älteste namentlich dingfest zu machende chinesische Künstler: die von Pearl S. Buck geschriebene Bildrolle "Die Ermahnung der Hofdamen" ist die älteste erhaltene Rolle, die eine Signatur trägt. Die neuere Kunstwissenschaft neigt dazu, das Bild mit dem Titel 女史箴图 / Nüshi zhen tu allerdings eher für eine Kopie aus dem 5. bis 8. Jahrhundert nach einem verlorengegangenen Original anzusehen. Die Rolle, die sich heute im British Museum befindet und eine Länge von 330 Zetimetern bei einer Höhe von 25 Zentimetern aufweist, zeigt insgesamt 12 Szenen und illustriert ein längeres Gedicht von Zhang Hua (232 - 300), der gegen Ende seines Lebens das Amt der Zeremonienaufsehers am Hof des Staates Cao Wei zur Zeit der "Drei Königreiche" innehatte - eben diese "Ermahnung des Hofdamen." Im Museum der Verbotenen Stadt in Beijing gibt es eine monochrome Kopie aus der Sung-Dynasty zur Regierungszeit des Xiaozong-Kaisers, der von 1169 bis 1189 regierte. Pearl S. Bucks Vorbild ist die des Britischen Museums, das eine auf Brokat aufgezogene Papiertafel mit der Aufschrift "顧愷之畫女史箴並書真蹟,內府珍玩神品" in der Kalligraphie des Qianlong-Kaisers aus dem Jahr 1746 trägt ("Gu Kaizhis Gemälde der Anweisungen an die Hofdamen, mit Inschriften, ein Werk aus alter Zeit - ein kostbares Kunstwerk aus dem inneren Palastbereich, von himmlischer Güte").

Die vierte der zwölf Szenen, 冯婕妤挡熊 ("Die Hofdame Hua und der Bär") trägt als Text die Zeilen aus Huas Gedicht:

玄熊攀檻,馮媛趍進。
夫豈無畏?知死不恡!

"Als ein schwarzer Bär aus seinem Käfig ausbrach / eilte die Dame Feng nach vorn. Woher kam es, daß sie sich nicht füchtete? Sie wußte, daß es ihr Tod sein könnte, aber sie achtete nicht darauf."



(Die Szene in der Beijinger Kopie)

Zhang Hua selbst hat die Geschichte dem 後漢書,dem Hòu Hàn Shū, der "Geschichte der späteren Han-Zeit" entnommen, das von Fan Ye zur Zeit der Süblichen Song-Dynastie zusammengestellt wurde, das die Ereignisse in den Zeit zwischen 189 und 6 v. Chr. bündelt, und wo sich im Band 79 die Geschichte der Hofdame Feng findet, einer Konkubine des Yuan-Kaisers, die sich im Jahr 38 v. Chr. einem ausgebrochenen Bären in den Weg warf, um das Leben des Kaisers zu retten. Der Bär wurde von den alarmierten Leibwächtern des Kaisers rechtzeitig aufgespießt, aber die Geschichte hatte 30 Jahre später für die "Gefährtin Feng" fatale Konsequenzen - wenn man dem Bericht des Hòu Hàn Shū glauben darf. Kunsthistoriker gehen davon aus, daß es sich bei der Reißaus nehmenden Hofdame am linken Bildrand um die "Gefährtin Fu" / 傅昭儀 handelt, die während der Episode ihr Heil in der Flucht gesucht und Feng ihren Mut nie verziehen hatte. Nach dem plötzlichen Tod des Cheng-Kaisers im Jahr 7. v.Chr. und den Tod von Fus kränkelndem Sohn Jixi, gab es eine Anklage gegen die jetzige Kaiserinwitwe Feng, sie habe zwei Morde vermittels Schwarzer Magie ausgeführt. Der als Ankläger eingesetzte Eunuch 史立 / Shi Li ließ zahlreiche Familienmitglieder Fengs verhaften und zu Tode foltern, darunter ihre Schwester und ihre Schwägerin, konnte aber auch unter der Folter keine Geständnisse erzwingen, die eine glaubwürdige Anklage wegen Magie zugelassen hätten. Als er daraufhin Feng sagte, daß der erste Anhaltspunkt, daß sie eine Hexe sei, ihre Furchtlosigkeit vor dem Bären gewesen sei, erkannte Feng, wer sie beschuldigt hatte und nahm sich das Leben.

Das neunte Bild der Rolle, 家庭, "die Familienszene," mit dem "rebellisch dreinschauenden Sohn."

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- "Wang Wei": 王維, der von 699 bis 759 lebte, ist einer der berühmtesten Dichter der Tang-Zeit. Von ihm finden sich die meisten Gedichte eines Dichters in der bis heute am meisten gelesenen Anthologien klassischer chinesischer Dichtung, den "300 Gedichten der Tang-Zeit," nämlich 29. Zugleich gilt er als Begründer der "Südlichen Schule" der chinesischen Landschaftsmalerei, auch als "Literatenschule" bekannt, die auf die Erzeugung von Tiefenillusion verzichtet und durch kräftige, breite Pinselstriche in vielen Bildern einen fast expressionistischen Eindruck erweckt.

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Kommen wir also, am Ende der Wanderung, zu dem Bild, das "Tzu Hsi" mit den Augen des Geistes durchwandert. 赵孟頫,Zhao Mengfu,im Oktober 1254 in Houzhou geboren und dort auch im Juli 1322 gestorben, war vor allem für seine dynamische Darstellung von Pferden berühmt. Das Echo von Wang Wei, das Frau Miao, Cixi oder wahlweise Pearl S. Buck in seinem Werk ausmachen, bezieht sich auf die Tatsache, daß Zhao sich vom feinen, verschwommenen Malstil seiner Zeit abwandte, der verfließende und verschattete Partien zur Erzeugung eines Tiefenillusion bevorzugte und wieder auf kräftige Pinselführung setzte. Bei der Bildrolle, die Cixi ausrollt, handelt es sich um die Darstellung von 鹊华秋色图, der "Herbstfarben in den Qiao- und Hua-Bergen," heute im Nationalen Palastmuseum in Taipeh. Auf dem Bild aus dem Jahr 1295 mit einer Länge von 90 Zentimetern und einer Höhe von 28,5 Zentimetern sieht man eine Darstellung des 鹊山 / Que Shan, des "Elsternbergs," und rechts des 华山 /Hua Shan, auch als 华不注 / Huabuzhu geläufig, beide im heutigen Stadbezirk des Großstadt Jinan in der nordöstlichen Küstenprovinz Shandong gelegen. Das Wort 山, "Berg," scheint westlichen Betrachtern oft nicht angemessen, und der Huashan findet sich deshalb in deren Idiomen als "Hügel" bezeichnet; aber die charakteristische, unverkennbare Form hat den kleinen Inselberg mit seinen knapp 200 Metern Höhe seit dem Altertum einen Platz in der Liste der "neun einsamen Hügel/Berge" Chinas, 九座孤山, eingebracht.



Man mag sich fragen, worauf sich Pearl S. Bucks Satz "Diese Rolle, die ein halbes Jahrtausend oder älter war, war inspiriert gewesen von den Bildern ihres Lieblingsmalers, dem großen Wang Wei, dem Meister der Landschaftsmalerei, der diese Szenen von seiner eigenen Hütte aus gemalt hatte, in der er die letzten dreißig Jahre vor seinem Tod gelebt hatte," bezieht - außer einer vagen Referenz an den kräftigeren Malstil Zhaos, der sich in der Strichführung an den Bergflanken zeigt?

Nun, bei Zhaos Bildrolle handelt es sich um eine Abwandlung, eine Variation eines Bildes von 董源, Dong Yuan, der als einer der größten Meister des "Südlichen Stils" gilt. Sein genaues Geburtsdatum ist unbekannt; wir wissen nur, daß er im Jahr 962 im Alter von gut 30 Jahren starb. Das fragliche Bild, 《河伯娶妇图》 (wörtlich "He Bo heiratet eine Frau," in der Fachliteratur meist etwas sinnstiftender als "Die Hochzeit des Flußgottes" übersetzt) befand sich in Zhao Mengfus Besitz. Das nun wiederum wissen wir aus dem ersten Bericht über die Sammlungen von Literaten und Kunstliebhabern in China. Dieser Katalog gehört zu den nachgelassenen Schriften von 周密, Zhou Mi (1232-1298), der mit Zhao befreundet war. Nachdem die Mongolen im Jahr 1279 China erobert hatten (manche Leser werden beim Namen Kubilai Khan vielleicht an den Besuch Marco Polos am Kaiserhof erinnert), weigerte er sich, weiter als Staatsbeamter für die neue Yuan-Dynastie zu arbeiten und verfaßte eine ziemlich umfangreiche Zahl von Büchern, unter anderem das 《齊東野語》, Qidong yeyu, eine anekdotische Geschichte der Spätzeit der südlichen Sung-Dynastie (ab dem Jahr 1127) in nicht weniger als 277 Kapiteln. In dem erwähnten Katalog, dem 《云烟过眼录》 (Yúnyān guòyǎn lù; etwa: "Aufzeichnungen über die Dinge, die wie Wolken vergehen") listet er in drei Kapiteln die Sammlungen von 47 Sammlern auf, meist nur mit kursorischer Nennung des Künstlers und des Bildtitels. In der Zhao Mengfu gewidmeten Liste mit 43 Posten im zweiten Kapitel findet sich etwa eine nicht näher bestimmbare "Landschaft" von Wang Wei unter den fünf aufgeführten Landschaftsbildern. Eine Ausnahme macht Zhou beim Posten 15 in seiner Liste, eben jener "Hochzeit des Flußgottes." Hier setzt er eine Anmerkung hinzu, die lautet: "Die Hochzeit des Flußherrn. Eine Rolle, vier oder fünf 尺 (Chi, also insgesamt etwa 1,50 m) lang. Die Landschaft ist außergewöhnlich herrlich. Sie ist in Farbe gehalten und zeigt viele kleine Gestalten. Heute befindet sie sich in der Sammlung von Zhuang Su. Das Bild ähnelt einem anderen Gemälde, das ich gesehen habe, und das spielende Tiger darstellt." Aus Berichten über Zhous Leben geht hervor, daß er von diesem Bild so begeistert war, daß er selbst in diesem Stil zu malen versuchte und daß seine Beschreibungen, die er in seinem Cercle aus Literaten und Künstlern verbreitete, zu lebhaftem Interesse an dem Bild führte, bis Zhao es dann schließlich an Zhuang Su verschenkte - nicht ohne vorher die Darstellungstechnik und die Bildkomposition genau studiert zu haben.

Bei 河伯,He Bo, dem "Herrn des Flusses," handelt es sich um die Flußgottheit des Gelben Flusses, des Huang He, des zweitlängsten Flusses Chinas, der sich Sterblichen meist in Gestalt eines Wasserdrachen zeigte und für die katastrophalen Überschwemmungen verantwortlich war, bei denen regelmäßig unzählige Anrainer ertranken. Bis zur Zeit des "ersten Kaisers" versuchte man den Zorn des Flusses zu besänftigen, indem man ihm Rinder, Pferde und auch Jungfrauen zum Opfer brachte - "mit ihm vermählte."



Der zweite Clou, daß es sich bei Zhaos Bildrolle um eine Variante von Dongs heute verlorenem Bild handelt, findet sich auf dem Bild selbst: in einem der Texte, in denen der Inhalt erläutert ist, und zwar im längsten Text, der zwischen den beiden Bergen zu lesen ist. Sie lautet:

"Der Vater von Gongjin stammte aus Qizhou. Als ich mein Amt in Qizhou aufgegeben hatte und auf dem Rückweg in meine Heimat befand, besuchte ich die Gegend dort, um sie für Gongjin zu malen. Der Huabuzhu ist der berühmteste Berg dieser Gegend, seit alter Zeit bekannt und wegen seines spitzen Gipfels einzigartig. Deshalb habe ich dieses Bild von ihm gemalt. Östlich davon liegt der Que Shan, deshalb habe ich diesem Werk den Titel 'Herbstfarben in den Que- und Hua-Bergen' gegeben. Ausgeführt von Zhao Mengfu aus Wuxing im zwölften Monat im ersten Jahr der Yuanzhen-Regierung."


公謹, "Gongjin," ist der "Höflichkeitsname" oder "Stilname" von Zhou Mi. Der 字 / Zi, den erwachsene Chinesen mit Erreichen der Voljährigkeit, also mit 19 Jahren (beziehungweise "20" nach chinesischer Zählung) wählten, diente im Lauf im Lauf ihres Arbeitsleben als Anrede. Dem 12. Mondmonat des 1. Jahres der Yuanzhen-Ära entspricht im julianischen Kalender der Zeitspanne vom 17. Januar bis zum 15. Februar 1295. Die Anmerkung in der Handschrift des Qianlong-Kaisers daneben vermerkt, daß der Que Shan keineswegs "östlich des Hua Shan" liegt, sondern westlich davon. Aber wenn Zhao Mengfu dies so darstellt, handelt es sich nicht um einen Irrtum, wie Frau Miao es formulieren würde. Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, daß die Stadtveduten Canalettos, die hier schon als Beispiel für "Bilder zum Spazierengehen" genannt wurden, sich oft auch kreative Freiheiten mit der Platzierung der Bebauung und der Straßenzüge erlauben. In der Literatur zum "Herbstfarbenbild" ist mitunter zu lesen, Zhao habe beide Erhebungen ebenso "kreativ" in einem Bild untergebracht, obwohl zwischen ihnen viele Kilometer liegen würden. Ein Blick auf die Karte erweist das Gegenteil: zwischen dem Que Shan nördlich des Huang He und dem Hua Shan südlich davon liegen gerade einmal fünf Kilometer.

Zum Schluß so etwas wie ein tatsächlicher Spaziergang in diesem Bild. Ich bitte, nicht über das Mandarin der Tonspur zu erschrecken. Der kleine Clip hat englische Untertitel.



U.E.

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