"Ich liebe - Ich liebe doch alle - alle Menschen - Na ich liebe doch - Ich setzte mich doch dafür ein!"
-Erich Mielke, 13. November 1989
Karl Lauterbach, vom einen oder anderen, auch diesem Autor, zärtlich als Klabauterbach bezeichnet, wird bedroht. Das ist, im Unterschied zu den Aussagen von vielen öffentlich "Bedrohten", ausgesprochen glaubwürdig. Und ausgesprochen schlecht: Wir leben in einem freien Land (noch), es regiert die Macht des Wortes, nicht der Faust und im Allgemeinen gilt (ebenso noch) Gewalt kaum als zulässiges Mittel der Politik. Es gibt sicher inzwischen zunehmend Aufweichungen davon (wenn mal wieder aus irgendeinem linken Grunde demonstriert wird und die Gewalt der Faust als Antwort auf die "Gewalt der Worte" oder "die strukturelle Gewalt der Gesellschaft" gerechtfertigt wird), aber der grundsätzliche Betrieb ist im Allgemeinen noch friedlich. Insofern gibt es keine Berechtigung oder Rechtfertigung Karl Lauterbach zu bedrohen. Und nein, jetzt kommt auch kein aber.Was dennoch erstaunlich ist, dass sich Karl Lauterbach wirklich wundert. Vielleicht tut er das auch nicht und stellt nur eine künstliche Verwunderung zur Schau, um bloß das eigentliche Verhalten nicht reflektieren zu müssen, aber ein bischen Nachdenken würde dieser Verwunderung vielleicht abhelfen können. Als Erich Mielke im November 1989 vor die Volkskammer trat und unter anderem die eingangs zitierten Sätze hervorbrachte, erhob sich in jener Kammer lautes Gelächter. Die Idee, die der (später verurteilte) Mörder und Unmensch in diese Worte kleidete, war einfach nur absurd, geradezu grotesk. Aber er auch er wollte zumindest den Eindruck erwecken, er wundere sich über seine Behandlung und darüber, dass sich viele der Anwesenden eben nicht als Genossen von ihm ansprechen lassen wollten. Denn er liebe ja alle Menschen.
Herr Lauterbach hat sich, im Unterschied zu Herrn Mielke, mit seiner permanenten Panikmache wohl kaum strafbar gemacht. Das Aufwiegeln von Personen ist nur in sehr engem Rahmen strafbar und das ist auch gut so. Worte sollten, zumindest in einem freien Land, nie strafbar sein, zumindest so lange sie keine Aufforderungen zu Straftaten enthalten (graue Theorie, ist dem Autor bekannt). Insofern möchte dieser Autor auch nicht den Funken eines Eindrucks erwecken, er glaube das Karl Lauterbach vor Gericht oder gar in ein Gefängnis gehöre. Karl Lauterbach prügelt nicht für seine Ideen, er wirft keine Steine, er benutzt Worte. Das ist legitim.
Und trotzdem ist es erstaunlich, dass sich Karl Lauterbach über den Hass wundert, der ihm entgegen schlägt. Denn Worte haben, ebenso wie Gewalt, auch wenn sie selber keine Gewalt vorstellen oder strafbar sind, auch Folgen. Wenn man seinem Nachbarn jeden Tag erzählte, dass man ihn im Grunde für einen nichtsnutzigen Trottel halte, dann sollte man sich nicht wundern, wenn man nicht zur Gartenparty eingeladen wird. Wenn man seinem Chef jeden Tag das selbe erzählte, dann sollte man sich nicht wundern, wenn der Nachbar nicht einmal mehr höflich grüßt. Und wenn der betreffende Nachbar auch noch aufgrund dessen entlassen würde, würde man sich ernsthaft wundern, auch wenn es natürlich eine verbotene Straftat wäre, dass man abends mal in eine geparkte Faust rennen würde?
Worte sind absolut legitim, aber sie haben Folgen. Und die Panikmache von Karl Lauterbach (und diversen seiner Mittänzer bis zur Frau Bundeskanzler) hat für hunderttausende, möglicherweise Millionen, ganz verheerende Folgen. Sie werden ihrer Existenz beraubt, sie verlieren die Dinge, für die sie jahrelang hart geschuftet haben, man richtet an ihren Kindern massiven Schaden an. Und Lauterbach tingelt von Talk-Show zu Talk-Show und hat die Zeit seines Lebens. Glaubt wirklich irgendjemand, dass das keine Aggressionen erzeugt?
Natürlich kann man sich hinstellen und erzählen, dass man ja gar nichts für die Situation könne, dass es das Virus wäre, dass den Schaden verursacht und man nur der Überbringer der schlechten Nachricht sei. Aber das stimmt natürlich nicht. Die Maßnahmen sind keinesfalls so unumstritten, wie es gerne in der deutschen Propagandapresse erzählt wurde (Nachdem die Stimmung kippt, findet dort erstaunlicherweise(?) auch ein Umdenken statt.). Und ebenso wird das ganze wenig glaubwürdig, wenn man gleichzeitig massiv von der Lage profitiert, die man herbei redet. Karl Lauterbach, ein lange vergessener Hinterbänkler einer sterbenden Partei, bis Corona ohne jedwede Chance auch nur ein Außenseiter in der aktuellen Politik zu werden, ist heute der Talkshowkönig von Deutschland. Angela Merkel, lange abgehalfterte Frau Kanzler vor den Scherben ihrer Politik: Eine Zeit lang (inzwischen sinkt der Stern wieder) mit Umfragewerten wie seit Jahren nicht. Markus Söder, ein Provinzpolitiker allererster Klasse: Eine Zeit lang gehandelt als ernsthafter Kanzlerkandidat. Sie alle profitierten massiv und deutlich von der Panik, die sie schüren. Angst ist ein hervorragendes Machtinstrument, das wurde nicht erst 2020 entdeckt.
Inzwischen sinkt der Stern. Und es wird immer deutlicher was die Angst angerichtet hat. Wir stehen vor einem Scherbenhaufen aus Pleiten, ruinierten Existenzen, vor einer Jugend, denen wir ein Jahr ihrer Kindheit und Jugend gestohlen haben, indem wie sie eingesperrt und ihnen die Bildung verweigert haben. Wir stellen fest, dass wir großflächig mehr Schaden angerichtet haben, als jemals zuvor seit dem zweiten Weltkrieg. Und wir fangen an zu reflektieren, warum wir das gemacht haben. Und in dem Maße wo die Angst selber sinkt, stellen wir Fragen wer die Angst geschürt hat. Und unser Blick richtet sich auf die Lauterbachs, Merkels, Söders. Genauso wie sich der Blick der SED 1989 auf die Honneckers, Mielkes und Schnitzlers richtete. Das ist natürlich zu einem guten Grad unfair: WIR, als Bevölkerung, haben die Angst zu Teilen mitgetragen (ich möchte hier explizit sagen "zu Teilen", weil das nicht für alle gilt). Wir haben den Schaden mit angerichtet. Weil wir Angst hatten. Aber wir richten unseren Blick ebenso zunehmend auf die, die die Angst schürten.
Und vor diesem Blick, vor dieser Reflektion, die kein Gericht darstellt, die keine Strafen vergibt und keine Menschen zur Rechenschaft zieht, vor dieser Reflektion werden Urteile gefällt. Über Menschen wie Karl Lauterbach. Über Angela Merkel. Über Markus Söder. Und die Reaktion ist Hass. Teilweise blinder Hass. Wenn jemandem die Arbeit von Jahrzehnten genommen wird, und er sieht den Verursacher dafür, dann ist die Reaktion ganz simpel Hass. Beißender Hass. Und er verstärkt sich noch dadurch, dass das Ziel seines Hasses keinesfalls für das bestraft wird, was er getan. Nicht bestraft werden kann. Nicht bestraft werden darf. Aber sehr viel davon profitiert.
Und sich dann auch noch wundert. Ich glaube, wenn die Lauterbachs, Merkels, Söders, einfach in Schande langsam mal die Klappe halten würden, dann wäre es möglich die Scherben besser weg zu räumen. Aber jedes einzelne "ich wüsste nicht, was ich falsch gemacht habe" schürt für sich nur den selbst beklagten Hass. Und auch wenn der Aufhänger dieses Artikel Karl Lauterbach ist, so hat den Vogel selber Angela Merkel (was wohl ihr Prerogativ ist) abgeschossen, als sie verkündete, sie müsste eigentlich bei jedem vorbeikommen und drei Stunden die Kinder hüten. Welch Hohn! Welch ekliger, abstoßender und grotesker Hohn. Das ist wie im obigen Beispiel, wo der Nachbar noch wegen dem Jobverlust sein Haus verloren hätte und ich ihm verspräche ihm jedes Jahr eine Postkarte zu schicken. Was wäre wohl die angemessene Reaktion?
Llarian
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