20. März 2020

Nichts wird mehr wie es war

Vor knapp 20 Jahren entführte eine Bande von irren Mördern vier Linienmaschinen und setzen diese als fliegende Bomben ein, zwei davon brachten das World Trade Center zum Einsturz, alles in allem eine Tat mit etwa 3000 Toten und einem Sachschaden im Bereich von um die 10 Milliarden Dollar. Eigentlich nicht viel, sollte man meinen, aber es genügte das Denken einer ganzen Generation zu verändern, sorgte für massive Veränderungen sowohl im amerikanischen Haushalt wie auch in der amerikanischen Politik, innen wie außen. Es produzierte einen jahrzehntelangen Krieg, der selbst heute noch nicht beendet ist und kostete seitdem etliche zehntausend Menschen das Leben. Der 11. September 2001 war eine Zäsur der Geschichte, vielleicht nicht die alles umwerfende (wie der Beginn des zweiten Weltkrieges vielleicht), aber doch ein zentraler Wendepunkt.


Die derzeitige Corona-Krise lässt sich zwar nicht auf einen Tag festnageln, zeigt aber bereits einige Anzeichen eine Zäsur weit größeren Ausmaßes zu werden. Wir stehen, unabhängig von dem persönlichen Leid und einer Vielzahl von Toten, ebenso vor einer massiven Weltwirtschaftskrise. Vielleicht vor der größten Krise seit 1929. Die Zeichen stehen auf Sturm: Europa, Australien, Nordamerika, alle fahren in den Shutdown mit völlig offenem Ende und vor allem ohne Konzept wie es weitergehen wird. Lieferketten fallen aus, Nachfrage bricht weg, Unsicherheit geht um, die sich seit der Euro-Krise vergrößernde Blase droht zu platzen. Und nicht ganz unwichtig in diesem Kontext: Die westlichen Volkswirtschaften, allen voran die europäische, hat praktisch keine Puste mehr. Durch die absurde Draghi-Geldflut hat es seit etlichen Jahren keine Bereinigung mehr gegeben, abertausende unproduktive Firmen bestehen nur aufgrund des billigen Geldes und jedes Tag ist der dafür notwendige Schuldenturm größer geworden. Ein Schuldenturm, der vor allem auf einem basierte: Vertrauen. Und genau dieses Vertrauen erodiert mit jedem neuen Tag jeder neuen Horrormeldung. Die Dekadenz der westlichen Gesellschaften, die ihre wirtschaftliche Stabilität mehr und mehr anderen Themen wie "sozialer Gerechtigkeit", Diversität, Klimakampf und Gendergeschwurbel geopfert haben, zeigt das erste mal ihre Klauen. Statt in prosperierenden Zeiten Kapital zu schaffen, Investitionen zu tätigen, Technologie zu erweitern und Infrastruktur zu schaffen, wurden die Überschüsse im Wesentlichen konsumiert. Für sehr viel Unsinn konsumiert, muss man dabei sagen.

Umgekehrt steht die Weltmacht, die zu Anfang der jetzigen Krise die schlechteste Position aufwies (weil eben jener Virus dort zuerst ausbrach UND die Menschen auf engstem Raum zusammen leben), zurecht heute in den Startlöchern die(!) neue Supermacht der 21. Jahrhunderts zu sein. Während man in Deutschland ängstlich darauf warten will, bis 60 oder 70% "damit zu tun haben" werden ((c) A.Merkel), fährt man in China wieder die Produktion hoch. Das, was weltweit aus Deutschland nicht mehr exportiert werden kann, weil wir mit Corona beschäftigt sind, wird China mit Leichtigkeit ersetzen. Und zwar dauerhaft. Und das nicht nur für deutsche Produkte. Und warum auch nicht? Man muss einräumen, dass China, zumindest seit Ende Januar, vorbildlich mit der Krise umgegangen ist. Mit der Präzision und der Planung eines Ingenieurs wurden im ganzen Land haufenweise Scanner installiert, die Menschen in Fieberkliniken isoliert und massenhaft getestet. Und im Falle eines positiven Befundes auch wirklich isoliert, statt in solchen Schwachfug wie "Heimisolation" geschickt. Es wurde nicht mit halbherzigen sondern massiven Maßnahmen die Seuche zurück gedrängt. Mit dem Erfolg dass Corona in China nahezu besiegt ist und in zwei Wochen wohl auch besiegt sein wird.
Um bei dem Bild zu bleiben agiert Europa dagegen eher mit der Präzsion eines Soziologen, genaues weiß man nicht, Fakten muss man erst einmal kritisch dekonstruieren und jeder darf seine eigene Meinung dazu haben und auch umsetzen. Sich ansehen was andere besser machen? Aber warum denn? Zwei Länder weltweit schaffen es derzeit das Virus effektiv einzudämmen: China und Südkorea. Beide mit massivem Einsatz von Technologie und rigider Umsetzung der daraus folgenden Erkenntnisse. In Deutschland? Oder Europa? Ja, da muss man mal schauen. Die Dinge vom Ende her denken. Und erst einmal abwarten. Und wenn man denn handelt, dann bitte nicht konsequent. Besser ist jeder macht wie er denkt.

Natürlich kann immer noch ein kleines Wunder passieren. In Deutschland werden bereits die ersten Impfstoffe getestet. Und vielleicht hilft der Sommer ja doch. Könnte ja sein. Und vielleicht kommen geistige Extremkaliber wie Jakob Augstein, wenn sich in den Krankenhäusern wirklich mal ein paar tausend Tote stapeln, zur Vernunft und erkennen, dass ihre persönliche Freiheit Party zu machen, vielleicht auch mal ein paar Monate warten kann. Könnte sein. Könnte auch nicht sein. Aber fast unabhängig davon muss man zu dem Ergebnis kommen, dass China in dieser Krise besser, deutlich besser, funktioniert als Europa. Deswegen muss man kein Anhänger von Staatskommunismus (so man davon wirklich noch sprechen kann) oder autoritären Systemen sein. Aber ich glaube auch das ist gar nicht kriegsentscheidend, insbesondere deshalb weil Südkorea ein demokratischer, kapitalistischer und freiheitlicher Rechtsstaat ist und die Sache auch auf die Kette bekommt. Ich glaube entscheidend ist tatsächlich ob in einem Land Technokraten oder Soziologen die Geschicke bestimmen und nicht zuletzt auch welche Strömungen und Denkrichtungen in eben jenen Gesellschaften vorherrschend sind. China als auch Südkorea sind, wie nahezu alle asiatischen Staaten, Gesellschaften, die sehr stark der Zukunft zugewandt sind aber auch einen vergleichsweise starken gesellschaftlichen Zusammenhalt aufweisen. Es gibt einen starken Glauben an Technologie und ebenso auch an die eigene Gesellschaft. Die Zustimmung zum eigenen Land ist massiv, gleichzeitig wäre eine Verachtung der eigenen Gesellschaft nahezu undenkbar.
Deutschland (stellvertretend für Europa) steht im krassen Gegensatz dazu, Technologie wird eher als gefährlich betrachtet, auf jeden Entwickler kommen mindestens drei Bedenkenträger und die Gesellschaft an sich offen zu verachten, ist nicht nur nicht ungewöhnlich, in vielen Kreisen gilt es als nahezu chic. Und ebenso logisch daraus resultiert eine Regierung, die eben genau so agiert und auftritt, Leute die nicht nur keine Ahnung von Technik haben, sondern auch gar nicht haben wollen. Statt sich Gedanken zu machen wie es die Asiaten schaffen die Kehrtwende hinzulegen, erhöht man hier lieber den Rundfunkbeitrag. Und wenn einen dann doch die äußeren Zwänge dazu bringen zu handeln, dann versucht man so gut es eben geht irgendetwas zu tun (was man sich abgucken muss, da man selber keine Ahnung hat) und erzählt jedem was für ein toller Hecht man doch ist, vollkommen ungeachtet dessen, dass man beizeiten nichts getan hat. Was man macht, macht man halbherzig.

Ein weiteres Übel daran ist, dass natürlich auch so keine Verbesserung kommen kann. Wer Probleme und Fehler analysiert, der kann es beim nächsten mal besser machen. Nicht nur Menschen, auch Gesellschaften können sich entwickeln. Das geht aber nicht, wenn man sich einredet keinen Fehler zu machen und die Folgen der Fehler als Schicksal weg erklärt. Dabei bedarf es doch einer klaren Analyse, wenn man feststellt, dass Deutschland zwar nicht in der Lage ist ausreichende Mengen an Schutzausrüstung oder auch nur Desinfektionsmitteln zu lagern oder gar zu produzieren, aber über 200 Genderprofessuren bezahlen kann. Um es an Douglas Adams anzulehnen: Wir haben Heerscharen an Telefondesinfizierern. Nur leider keine Desinfektionsmittel.
Und das ist nur die technische Seite. Auch gesellschaftlich muss man sich fragen, ob China uns nicht weit überlegen ist. In China wären "Corona-Partys" undenkbar. Und kein Jakob Augstein könnte sich hinstellen und die Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit beheulen, weil die Gefahr ja nur für "wenige" andere gilt. Und es würde sich auch keine Meike Lobo hinstellen und sich darüber freuen, dass die Überbevölkerung jetzt ja zurück geht.

Als ich anfing in der Industrie zu arbeiten war China bereits eine deutliche wirtschaftliche Größe. Gigantisch in der Produktion, aber technologisch noch hinterher. Da gabs oftmals den Spruch, dass die uns in 20 Jahren ein haben. Simpel gesprochen: Das dauert keine 20 Jahre mehr. Auch keine 10. In dieser Krise ist China nicht hinten. Es ist deutlich vorne weg. 

Und diese Erkenntnis wird mit jedem Tag, den die Entwicklung in Europa eben nicht jenen Knick nimmt, wie in China, deutlicher. Ob Corona eine Zeitenwende bewirken wird, weiß ich nicht. Wie schon oben angemerkt, es kann viel passieren. Das Potential ist aber auf jeden Fall vorhanden. Und wenn Sie mir das nicht glauben, lieber Leser, dann fragen Sie sich selber: Hätten Sie sich vor einem Jahr träumen lassen, dass sich  Kunden in einem x-beliebigen Discounter in Deutschland um einen Pack Klopapier kloppenm würden? Hätten Sie sich vorstellen können, dass es im Aldi keine Nudeln mehr gibt? Dass Sie seit Wochen in keinem Discounter mehr ein billiges Desinfektionsmittel mehr kaufen können?


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Llarian

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