5. Januar 2019

Land unter im südlichen Bayern: Vorsicht vor einfachen Klimawahrheiten

Das Foto, mit dem ich diesen Beitrag illustriere, habe ich heute kurz vor Mittag im äußersten Südosten Bayerns aufgenommen. Es zeigt zwei Skistöcke mit einer Länge von 125 Zentimetern, die ich auf einer ebenen Fläche in einer Höhe von etwa 1000 Metern in den unberührten Schnee gerammt habe. Die Spitze (also der unterste Teil) der Stöcke erreichte übrigens nicht den Boden, sondern eine weitere, harte bis eisige Schneeschicht, die zu durchdringen die Stockteller verhinderten. Realistischerweise kann man von einer Schneehöhe an meinem Messort – Stand heute Mittag – von mindestens 130 bis 140 Zentimetern ausgehen. In den circa sieben Stunden seit meiner Sondierung dürften an der besagten Stelle noch einmal 15 bis 30 Zentimeter Schnee gefallen sein.

Warum erzähle ich Ihnen das? Wenn Sie nicht beschlossen haben, dieses Wochenende nachrichtenlos zu verbringen, haben Sie zweifellos von dem „Schneechaos“ – so ein häufig gebrauchter Terminus – in den Bergen gehört oder gelesen. Freunde des passiven Wintersportgenusses werden auch mitbekommen haben, dass der Qualifikationsdurchgang für das morgige Dreikönigsspringen in Bischofshofen – einem Ort im Salzburger Pongau, also in den östlichen Nordalpen (oder nördlichen Ostalpen, wenn man so will) – abgesagt wurde.
­
Ich erzähle Ihnen das, weil mir gestern Abend eine Prognose des Ozeanographen – in diesem Fach wurde er promoviert und hat er sich habilitiert – Mojib Latif in den Sinn gekommen ist. SPIEGEL-Online zitiert den Kieler Wissenschaftler in einem Beitrag vom 1. April 2000 mit den folgenden Worten:
Winter mit starkem Frost und viel Schnee wie noch vor zwanzig Jahren wird es in unseren Breiten nicht mehr geben[.]
Ort und Datum der Veröffentlichung mögen bei manchem Zeitgenossen Skepsis hinsichtlich der Korrektheit dieser Anführung hervorrufen. Und, wie sich aus einem späteren Interview von ZEIT-Online mit Latif eruieren lässt, könnte dieses Misstrauen durchaus berechtigt sein. Denn der 64-Jährige habe, so seine eigene Darstellung, das Ende der weißen Pracht für den Zeitraum zwischen 2050 und 2100 und nur für den Fall vorhergesagt, dass keine Gegenmaßnahmen zur Anwendung gelangten. Es ist durchaus möglich, dass Latif dies gegenüber SPIEGEL-Online so gesagt hat. Andererseits ist es in der Klimaforschung offenbar eine nicht ganz seltene Vorgehensweise, jeden noch so wenig zur eigenen Theorie passenden Befund in diese zu integrieren und sich nicht durch allzu viel widerspenstige Realität in seinen Überzeugungen beirren zu lassen.

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und ein schneereicher Winter ist klimatologisch weitgehend bedeutungslos. Es kann sein, dass die kanonische These eines anthropogenen, insbesondere durch CO2-Emissionen versursachten Klimawandels stimmt. Es gibt aber auch gewichtige Gründe – Vahrenholt/Lüning sprechen einige davon in dem vorverlinkten Beitrag an – diese Vermutung zu bezweifeln. Bis zu diesem Punkt könnte die Debatte eine rein akademische sein. Das Problem liegt jedoch darin, dass sich an die herrschende Meinung politische Forderungen von gewaltiger Tragweite knüpfen.

Wenn wir diese erfüllen und die Katastrophe ausbleibt, so werden die Umkehr-und-Buße-Befürworter von einer selbstzerstörenden Prophezeiung sprechen oder doch zumindest vorbringen, dass im Hinblick auf das Vorsorgeprinzip auch einschneidende Änderungen unserer Infrastruktur gerechtfertigt waren. Verlieren können die Unkenrufer nur, wenn nichts getan wird, aber auch nichts passiert. Oder wenn der Normalbürger nicht mehr bereit ist, Beeinträchtigungen seiner alltäglichen Bedürfnisbefriedigung zwecks Einhegung der eschatologischen Ängste der zivilreligiösen Avantgarde hinzunehmen. 

Noricus

© Noricus (Text und Bild). Für Kommentare bitte hier klicken.