Lieber Horst
Seehofer,
ich hoffe,
Sie nehmen mir die vertrauliche Anrede nicht übel. Wir kennen uns ja nicht. Das
heißt: Sie wissen nichts von mir (und das ist auch gut so) und ich lese, sehe
und höre von Ihnen immer nur in den Medien. Was dort über Sie berichtet wird,
ist jedenfalls seit drei Jahren meist nicht besonders wohlwollend. Von links
wird Ihnen vorgeworfen, die Arbeit der Bundesregierung zu sabotieren; von
rechts werden Sie des Maulheldentums geziehen. Wenn ich ehrlich sein darf:
Beide Anschuldigungen sind, nachdem man sie ihrer polemischen Glasur entkleidet
hat, nicht ganz unberechtigt. Und Sie haben mir oft genug Rätsel aufgegeben und
mich zu verwundertem Kopfschütteln veranlasst.
Doch
inzwischen glaube ich zu verstehen, was der Zweck Ihres Handelns ist. Als einer
der letzten verbliebenen politischen Haudegen dieser Republik ist Ihnen
natürlich klar, dass die CDU ein Kanzlerwahlverein ist, der ziemlich viele
ideologische Kröten schluckt, wenn er sich mit der aktuellen Nummer Eins immer noch
mehr Chancen ausrechnet als mit den designierten oder auch nur gemutmaßten
Thronprätendenten. Und deshalb ist Ihr vordringliches Ziel, Merkel so weit zu
schwächen, dass auch die Schwesterpartei einen Wechsel in der Führungsebene für
geboten erachtet.
Begonnen hat das alles ja schon mit der Autobahnmaut, einem – wie Sie unter vier Ohren vielleicht einräumen würden – absolut nebensächlichen Thema, das Ihnen aber die Möglichkeit bot, Ihren Willen gegen Madame Non durchzusetzen. Selbstverständlich haben Sie begriffen, dass der jähe Fall der FDP damit zu tun hatte, dass sie sich von Merkel thematisch kastrieren ließ, und dass sich das langwierige Siechtum der SPD völlig schlüssig damit erklären lässt, dass es der Wähler nicht als Zeichen staatsmännischer Kraft ansieht, wenn man alles zugeworfen erhält und stets nur offene Türen einrennt.
Ihre
Ernennung zum Bundesinnenminister dürfte der Kanzlerin auch nicht wirklich
gefallen haben. Wer will schon seinen Erzfeind in einem wichtigen Ressort
vorfinden? Und in der Asylkrise ging es Ihnen vermutlich nicht so sehr um die
Sache als vielmehr darum, dass sich die unantastbar Gewähnte bei dem Thema, zu
dem sie vor drei Jahren eine Volte vollzogen hat, die ihr auch noch die
verstocktesten Grünen-Herzen zufliegen ließ, wenigstens ein bisschen in Ihre
Richtung bewegt.
Dem
Vernehmen nach soll Merkel damals ja von der Unionsfraktion zu dem
Formelkompromiss gezwungen worden sein. Das glaube ich gern, zumal ebendiese
Abgeordneten der Kommandantin treuen Feldwebel nunmehr zugunsten eines politischen Nobodys abserviert haben. Sie werden mir nicht allzu sehr
schmollen, lieber Horst Seehofer, wenn ich Ihnen und Ihren Parteifreunden nicht
so ganz abnehme, dass Sie vor der Wahl des Vorsitzenden der Unionsfraktion so
voll und ganz hinter Volker Kauder standen, wie Sie das behaupteten. Und ein
bisschen Schadenfreude über Merkels Demütigung durch die Deputierten werden Sie
wahrscheinlich schon empfinden, nicht wahr?
Freilich
droht auch Ihnen, Herr Seehofer, in näherer Zukunft so einiges Ungemach. Wenn
die CSU bei der Landtagswahl derart abschmieren sollte, wie es die Umfragen
vorsehen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man Ihnen dafür den Schwarzen Peter zuschieben und darüber Ihre Verdienste um die bayerische Dominanzpartei
vergessen wird. Wer war es, der die CSU aus dem von Beckstein und Huber
beschrittenen Tal der Tränen geführt hat?
Aber, lieber
Horst Seehofer, Sie wissen so gut wie ich, dass Ihre politische Zukunft bereits
hinter Ihnen liegt. Das befreit und beschwingt doch, oder? Und vielleicht wird
man in ein paar Jahren oder vielleicht Jahrzehnten allgemein zugestehen, dass
Sie in den Jahren 2015 ff der Mann waren, der am meisten Wirksames zugunsten
der Demontage Angela Merkels getan hat. Und übrigens: Dass Sie jüngst Opfer eines ziemlich peinlichen Moralexhibitionismus geworden sind, spricht dafür,
dass der von Ihnen eingeschlagene Weg so falsch nicht sein kann. Zumal Sie ja in der Causa Maaßen Ihre Widersacherin erneut vorgeführt haben, hätte diese doch so ziemlich jede Anschlussverwendung des Verfassungsschützers abgenickt, um endlich Ruhe im Karton zu haben.
Nun denn,
lieber Horst Seehofer: Ich wünsche Ihnen alles Gute, und dies umso mehr, da ich die Meinung
meines geschätzten Bloggerkollegen Llarian teile, dass Ihre Partei die einzige
in der Bundesregierung ist, die noch alle Tassen im Schrank hat.
Mit den besten Grüßen
Noricus
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