18. Juni 2018

Schneeflöckchens Brautschau

Wenn "man" keine echten Probleme hat - oder man sich um die echten Probleme der Welt nicht kümmern will, dann bieten "First World Problems" willkommene Ablenkung. Z. B. beschäftigt man sich dann in der ehemals liberalen ZEIT mit der Frage, ob das eigene Beischlaf-Verhalten auch politisch korrekt ist: "Warum liebe ich nur weiße Frauen?"

Wenn die ZEIT bei ihrer Nachwuchsauswahl auf ein bißchen mehr Allgemeinwissen und Praxisnähe achten würde, dann wüßte der Autor, daß "gleich und gleich gesellt sich gern" schon immer ein Grundprinzip bei der menschlichen Partnerwahl ist. Daß auch Heiratsvermittler oder Partneragenturen persönliche Umstände, Hobbies und Hintergrund abfragen, um möglichst viele Übereinstimmungen zu finden - das gibt nämlich die beste Chance, daß es paßt.
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Und wenn sich Leute unvermittelt irgendwo treffen und ineinander verlieben, ist natürlich auch ein gewisser Gleichklang beim persönlichen Hintergrund oder den Vorlieben üblich: Man trifft sich bei der Arbeit, im Studium, in der Nachbarschaft, in irgendwelchen Freundescliquen die sich aus gemeinsamen Hobbies ergeben. Und wo man sich trifft, da entstehen eben auch die meisten Beziehungen.

Das ist Alltagswissen und dazu müßte sich der Autor nicht irgendwelche Psychologen als Experten heranziehen, die ihm das mit akademischer Weihe erklären.
Hätte sich der Autor in typischer Journalistenmanier die verlinkten Studien auch mal wirklich durchgelesen, dann hätte er festgestellt, daß nicht nur die pösen Weißen gleiche Herkunft bevorzugen, sondern eben auch die Latinos, Schwarzen und Asiaten.

Und das ist auch völlig legitim. Gleiche Rechte gelten vor dem Gesetz, im persönlichen Umgang darf man nach völlig willkürlichen privaten Vorlieben seine Freunde und seine Partner aussuchen.
Es ist schlicht falsch wenn der Autor behauptet: "Rassistisch ist zu sagen: Ich stehe nicht auf schwarze Frauen." Das ist nicht rassistisch, sondern einfach nur Geschmackssache. Man darf auch beliebig auf Blonde, auf Vollschlanke, auf Krankenschwestern oder Veganerinnen stehen.
Maximal könnte man es als Rassismus bezeichnen, daß der Autor von allen diesen möglichen Vorlieben ausgerechnet die Hautfarbe als untersuchungswürdiges Kriterium hervorhebt.

Wobei es ihm vielleicht gar nicht um die Hautfarbe geht. Den verlinkten Definitionen folgend gibt es beim Thema Rassismus überhaupt nur zweierlei Menschen, und die unterscheiden sich nicht nach der Hautfarbe. Sondern das eine sind die Farbigen (PoC): "Der Zusatz "of colour" meint keine Hautfarbe im biologischen Sinn, sondern ist ein Sammelbegriff von und für Menschen mit Rassismuserfahrung aufgrund ihrer vermeintlichen Hautfarbe."
Und das andere sind die Weißen: "Ebenso wie "of colour" beschreibt "weiß" keine messbare Hautpigmentierung, sondern eine soziale Zugehörigkeit. Gemeint ist: Ein Mensch, der aufgrund seines Aussehens im Alltag eher keine Rassismuserfahrungen macht. Wer als "weiß" zählt, ist nicht streng definiert, sondern kontextabhängig."
Wobei natürlich "Rassismuserfahrung machen" nicht definiert ist und der subjektiven Gefühligkeit unterliegt. Wenn man das ernst nehmen würde, wäre Trump kein Weißer - weil ihn die schwarzen Wähler fast komplett nicht gewählt haben.

Wenn man erst einmal in dieser Beliebigkeits-Richtung unterwegs ist, dann paßt natürlich die in manchen Kreisen übliche Theorie von "Privilegien" dazu. Natürlich gibt es Leute, deren Eltern haben mehr Geld oder die hatten eine bessere Ausbildung. Das nun auf "Machtstrukturen" zurückzuführen ist dagegen eher fragwürdig.
Überhaupt scheint der Autor relativ merkwürdige Vorstellungen von dem zu haben, was hierzulande erlaubt oder möglich ist:
"Dass ich hier diesen Text schreiben darf, in dem ich als weißer Mann öffentlichkeitswirksam und angstfrei reflektieren darf, ob ich mich rassistisch verhalte, ist auch so ein Privileg."
Mir wäre kein rechtliches oder soziales Hindernis bekannt, warum in Deutschland jemand NICHT über seinen eigenen Rassismus reflektieren dürfte. Dazu muß man weder "weiß" noch Mann sein.

Dieser Exkurs über angebliche Machtstrukturen lenkt im wesentlich davon ab, daß bei der Partnerwahl andere Aspekte eine viel größere Rolle spielen: In erster Linie das Aussehen, dann Eigenschaften wie Intelligenz, Humor, sportliche oder musikalische Begabung usw. Diese Eigenschaften zu haben oder nicht zu haben ist in viel größerem Maße "Privileg" und für den Erfolg bei der Partnerwahl meist viel entscheidender als die Herkunft der Eltern. Aber daraus ließe sich ja keine "Rassismus"-Theorie ableiten, deswegen blendet der Autor diese Faktoren aus.

Das Schöne beim menschlichen Verhalten ist: Es ist vielfältig. Neben dem generellen "gleich und gleich gesellt sich gern" gilt natürlich schon immer auch: "Gegensätze ziehen sich an". Das ergibt dann meist auch spannendere Konstellationen.
Und es gilt, daß manche Leute sehr stark immer ihrem persönlichen "Beuteschema" folgen - es gibt ja Fälle, wo sich die Bekanntschaft unsicher ist, ob jemand noch den alten Partner dabei hat oder schon einen neuen, so groß ist die Ähnlichkeit. Während Andere sich in völlig unterschiedliche Menschen verlieben oder ihre Vorlieben ändern.

Jeder Mensch ist eben für sich etwas Besonderes, mit seinen Eigenheiten und Vorlieben. Und deswegen ist es schon vom Grundsatz her falsch, wenn man nach willkürlichen dogmatischen Vorgaben Menschen in Schubladen einteilt und Regeln für den Umgang mit ihnen aufstellt. Um dann hinterher selbstanalytische Artikel zu schreiben, ob man denn diese künstlichen Regeln auch brav eingehalten hat.

R.A.

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