Южный полюс Луны задремал, он уснул между гор величавых,
Поражающих правильной формой своей.
Это — мысль, заключенная в стройных октавах,
Эти горы живут без воды, в полосе неподвижных лучей,—
Ослепительно ярких, как ум, и ложащихся отблеском странным
На долины, что спят у подножия гор,
Между кратеров мертвых, всегда светлотканных,
Вечно тихих, нетронутых тьмой, и ничей не ласкающих взор.
Эти страшные горы горят неподвижностью вечного света,
Над холодным пространством безжизненных снов,
Это ужас мечты, это дума веков,
Запредельная жизнь Красоты, беспощадная ясность Поэта.
Константин Бальмонт - Южный полюс Луны (1899)
Der Südpol des Monds. er schläft zwischen majestätischen Bergen
Besiegt von ihren starren kristallenen Formen.
Er ist ein Gedanke - in schlanke Oktaven gebannt..
Diese Berge leben wasserlos, in einem Streifen ewigen Lichts.
Gleißend hell wie der Verstand, senden sie
einen Lichtstrahl ins ewige Dunkel der Täler
am Fuß der toten Krater, ins ewige Schweigen
das nie von einem sterblichen Auge berührt wurde.
Diese furchtbaren Berge brennen in der Stille des ewigen Lichts
Unter den toten Träumen des eisigen Alls
Dies ist der Schrecken der Träume, der Gedanke der Ewigkeit -
Die ewige tote Schönheit, gnadenlose Klarheit - Dichter: dein Ziel.
- Konstantin Balmont (1867-1942), "Der Südpol des Monds" (1899)
Zu den Verlusten im Bereich der populären Bildkunst, weitab von den ätherischen Gefilden der Hohen Kunst, sondern im Bereich des praktisch-faktisch Anschaulichen, zu Genießenden, der illustrierenden Gebrauchskunst, zählt, mit einer gewissen Paradoxität, die "astronomische Kunst" - jene Bilder, die ferne Welten, andere Planeten, Monde, interstellare Weiten in anschauliche Bildfindungen umsetzten und die die Entdeckungen der Astronomie der letzten zwei Jahrhunderte in eine direkt sinnliche Erfahrung transponierten. Zwar wird auch dieses Metier immer noch gepflegt, aber die außerirdischen Landschaften, die Ansichten von den Oberflächen der Planeten und Monde unseres Sonnensystems und fremder Sterne hat in den letzten zwei Jahrzehnten keine namhaften Künstlerpersönlichkeiten mehr hervorgebracht, mit deren Namen bestimmte Tönungen, Bildgebungen, eben ein unverwechslicher Stil (wie immer man ihn definieren will) verbunden ist.
Der erste Künstler, dessen Namen mit diesem Metier verknüpft war - und der, weil seine Bilder als erste Weltruhm erlangten und als "allgemein bekannt" angesehen werden dürfen - als Begründer oder Erfinder des Genres gelten darf, war Chesley Bonestell (1888 bis 1986), dessen erstes Gemälde gleichzeitig auch sein bekanntestes sein dürfte: die Ansicht des Planeten Saturn, gesehen von der Oberfläche seines größten Mondes Titan, zwischen steil aufragenden rostroten eisigen Klippen in einem kalten tiefstkobaltblauen Himmel schwimmend, "Saturn as seen from Titan", Teil einer Serie von sechs Bildern, die den Ringplaneten aus der Sicht verschiedener seiner Begleiter zeigen, die Bonestell 1944 dem Magazin Time anbot und die dort in der Ausgabe für September zum erstenmal abgedruckt wurden. In den 1950er und 1960er waren die Bildbände, in denen diese Bilder Sachtexte über die neue Sicht der Wissenschaft auf Sterne und Planeten illustrierten, angefangen von dem mit Willy Ley verfaßten The Conquest of Space (1949), über die drei zwischen 1952 und 1954 erschienenen Buchfassungen der Artikelserien in Collier's Magazine, herausgegeben von Cornelius Ryan (beginnend mit Across the Space Frontier, 1952), und Beyond the Solar System (1964, Text ebenfalls von Willy Ley), maßgeblich dafür, hier eine neue Bildsprache zu finden, zu popularisieren - und gleichzeitig die zukünftigen Möglichkeiten der Raumfahrt als realiter, als tatsächliche technologische Möglichkeit vor Augen zu führen - weitab von den zwar spaßigen, aber nicht ernst zu nehmenden Phantasmen der Science Fiction der ersten Jahrhunderthälfte und ihren Illustrationen. (Bonestells Gemälde zeigten, auch jenseits der roten Sandwüsten des Mars, oft winzige Gestalten in Raumanzügen - aber der Künstler hat stets betont, daß sie nur als Größenmaßstab dienten, nicht weil er darin eine realistische Zukunftsvision zu zeigen gedachte.)
Diese einzigartige Nischenkunst - zwischen akkurater Wissensvermittlung, Science Fiction und schierem Sense of Wonder scheint nun, mit dem Verlauf des 21. Jahrhunderts, ein Relikt des vorhergehenden zu sein, der Ägide, als die bemannte Raumfahrt zwischen Mondlandung und den knapp 30 Jahren des Space Shuttles und der ersten Sondenbesuchen bei anderen Planeten noch etwas Besonderes, Anregendes, die Phantasie Beflügendes war. Namen wie David Hardy, Ludek Pesek, David Egge, Don Davis oder Don Dixon gehören - eben - dieser Vergangenheit an - so wie es scheint, daß die Namen der "großen Künstler", ganz allgemein gesehen, ein Echo aus der Vergangenheit darstellen. (Ein Nebenthema, daß außerhalb dieses kleinen Divertimentos fällt: aber in jenem Zeitrahmen, seitdem man von so etwas wie einer modernen Kunstszene, einem Kunstbetrieb mit Vernissagen, mit großen Salons, mit einem Medienecho darüber, sprechen kann - also seit der Mitte des 18. Jahrhunderts! - gab es immer bestimmte Künstler, die allgemein allen Interessierten "ein Begriff" waren, deren Namen geläufig waren, deren Oeuvre als Maßstab galt und deren Wendungen und Karriereverläufe Inbegriff des "Künstlers" schlechthin waren: angefangen von mindestens Canaletto über Türner und in sich beständig steigernder Amplitude bis zum Ende des 20. Jahrhunderts hinziehend - mit Picassos Laufbahn als Kulminationspunkt. Seit David Hockney als letztem Vertreter dieses speziellen Medien-Artisten scheint diese bestimmten Ausformung einer Präsenz zwischen Medienstar und artistischem Weltgewissen passé. Gestalten wie Jeff Koons - oder gar Tracy Emin oder Banksy - stellen ja, wenn man es nur genau betrachtet, reine Parodien auf diese Art künstlerischer Existenz dar - ungeachtet des unzweifelhaften Vorhandenseins handwerklicher Begabung im Fall des Sprühkünstlers Banksy, dessen neckisches Spiel mit der Anonymität Bände spricht: Hier wird kein Oeuvre mehr verfertigt, hier wird keine Weltdeutung mehr betrieben - wie prätenziös und haltlos sie auch gelagert sein mag - hier spielen Clowns "Künstler", ohne Werk und Nachruhm, weil die Rolle des "Großen Künstlers" im Medienbetrieb noch bespielt werden kann.) Wie dem auch sei: ob der Fortschritt der Wissenschaft oder die Echokammer der Medien oder eine Kombination weiterer Einflüsse maßgeblich sind: auch diese kleine Facette des künstlerischen Schaffens darf, wenn nicht alles täuscht, als das rubriziert werden, was Briefmarkensammler als "abgeschlossenes Sammelgebiet" bezeichnen.
Dabei war die Bildfindung auf diesem Gebiet selbst, in der Zeit, bevor sie mit Bonestell (und, ein Jahrzehnt vor ihm, mit dem französischen Jesuitenpater und Amateurastronom Lucien Rudaux) die Kunst des vorbildlichen Voraugenführens fremder Welten erreichte, wie bei anderen Bereichen des "zwar konkret Gegebenen, aber Unvorstellbaren" diffizil. (Ein Parallelstück dazu stellt die Illustration der Urzeit der Erde, der ausgestorbenen Fauna und Flora, die die Paläontologie des 19. Jahrhunderts ans Licht brachte dar - sowie die knappe Anschaulichmachung geographischen Wissens: es dauert mehr als einhundert Jahren, bis in die 1940er Jahre, bis Dinosaurier und Urfische, Trilobiten und Mammute dem Betrachter so entgegentraten, wie wir es heute gewohnt sind; und jeder Blick in Wilhelm von Humboldts geographische Lehrbücher zeigt die Hilflosigkeit, vor der Entwicklung graphischer Konventionen und Tropoi solche Erkenntnisse in irgendeiner verständlichen Form wiederzugeben.) Von Charlies Bouvier de Fontenelles Entretiens sur la pluralité des mondes habitables, zuerst 1684 erschienen und im 18. Jahrhundert in alle europäischen Sprachen übersetzt, dem ersten Werk, das das neue astronomische Wissen einem breiten, zumeist nicht "gebildeten" Publikum vermittelte, bis hin zu Fontenelles Landsmann Camille Flammarion 200 Jahre später, blieben die Ausführungen über die fernen Welten, über die Weiten zwischen den Sternen, die Möglichkeiten des Lebens unter anderen Himmeln, bildlos. Tatsächlich finden sich, wo dergleichen denn versucht wird, Anklänge an abgesunkene Bildgebungen antiker arkadischer Ideen, an Märchenillustrationen, an Feenmärchen, deren kitschige, operettenhafte Slyphen in diaphan wallenden Gewändern nur aus den Feenschlössern ihrer irdischen Bereiche in identische Vagheiten jenseits des Terrestrischen transponiert wurden. (Das läßt sich exemplarisch an den literarischen Ausprägungen dieses kleinen Bereichs zeigen, an den "Sternreisen der Somnambu(h)len", wie Arno Schmidt es in Abend mit Goldrand nennt, etwa in Sir Humphry Davys Consolations in Travel: or, The Last Days of a Philosopher von 1832, oder den Reisen in den Mond, in mehrere Sterne und in die Sonne : Geschichte einer Somnambüle in Weilheim an der Teck im Königreiche Württemberg ; ein Buch in welchem alle über das Jenseits wichtige Aufschlüsse finden werden ; herausgegeben von einem täglichen Augenzeugen und Freunde der Wahrheit und der höheren Offenbarung der im Titel genannten "Somnambüle[n] Philippine Demuth Bäurle in Weilheim an der Teck" von 1834 [*]. Erst Darwin und seine Evolutiontheorie gaben der Phantasie die Macht, sich hier von den Strikturen volkstümlich religiös oder mythologisch eingefärbter Trivialitäten zu befreien.)
Um so erstaunlicher ist es, wenn man unvorbereitet auf eine Reihe von Illustrationen trifft, die jene Anmutung des Extraterrestrischen, des Andersweltlichen, aufweisen können. In diesem Fall handelt es sich um den Buchschmuck, den der amerikanische Illustrator Angus MacDonall (1876 - 1926) für das letzte Buch des Architekten, Zeitungsverlegers und eben auch angelegentlichen Autors John Ames Mitchell (1845 - 1918; sein Todestag jährt sich am kommenden Freitag, den 29. Juni, zum 100. Mal) geschaffen hat. Zu seinen Lebzeiten war er als Autor des Gesellschaftsdramas Amos Judd (1895) am bekanntesten, von dem die Tatsache, daß er 1922 zu einem schwülstigen Bewegtbilddramolet mit Rudolf Valentino verarbeitet wurde, zur Charakterisierung hinreicht: ein Liebesschwulst - und gleichzeitig Selbstvergewisserung der Hautevolée einer vollentwickelten bürgerlichen Geldadelsgesellschaft unterhalb von Henry James und Edith Wharton zu tausenden findet. The Last American von 1889 ist heute womöglich noch sein bekanntester, wenn auch ebenso ungelesener Text: diese Erzählung eines Abgesandten aus einem technisch fortschrittlichen Neupersien, der in einem Jahrtausend die Ruinen der untergegangenen primitiven amerikanischen Zivilisation besucht, kombiniert den melancholischen Blick auf die Vergänglichkeit der eignen Kultur, den seit Edmund Gibbons The Decline and Fall of the Roman Empire im 18. Jahrhundert alle literarischen Schauen auf die wahrscheinliche Zukunft begleiten, wenn sich der Autor als Teil einer expansiven kolonisierenden Kultur mit imperialem Anspruch sieht (auch Les Ruines des Comte de Volney, 1798 erschienen und eine der Lektüren, anhand sich das verstoßene Geschöpf Viktor Frankensteins in Mary Shelleys Roman - vor genau 200 Jahren, am 1. Januar 1818, erschienen - seine byronische Weltsicht anliest, zeigt diese Grundierung) mit der satirisch verfremdenden Sicht, die ein Beobachter "von draußen" auf die ihm exotisch und wiedersinnig erscheinenden Gebräuche des Autors - und eben seiner Leser - hat: hier reiht sich der kleine Text nahtlos in die Traditionslinie, die von Montesquieus Lettres Persanes zum Papalagi (oder, um die beiden rezentesten deutschen Beispiele zu nennen, Herbert Rosendorfers Briefe in die chinesische Vergangenheit (1992) und Andreas Eschbachs Kelwitts Stern (1999) ein.
Drowsy ist, als Text genommen, noch schütterer: eine schwülstige, aber banale Liebesaffäre zwischen genialem, aber verkanntem Erfinder, eine reichen Erbin, die sorgenfreie Umgebung, die beider Sohn (dessem ererbten Genie so die optimale Ausfaltung erlaubt wird, ohne von gesellschaftlichen Vorurteilen und den Vorurteilen der Schulweisheit eingezwängt zu werden): dergestalt von den Fesseln der Konvention befreit, gelingt ihm die Entdeckung der Antigravitation (einem beliebten Mittel, vor der Entwicklung funktionierender Raktenantriebe Helden die Riese in All zu ermöglichen, seit Percy Greg 1880 in Across the Zodiac diese Möglichkeit zuerst zu Papier brachte - auch Cavor in H. G. Wells' The First Men in the Moon bediente sich 1901 dieser Technik wie auch Kapitän Mors, der "Luftpirat" in der deutschen Groschenheftserie zwischen 1908 und 1914), und die Entdeckungstour durch die näheren Bereiche des Sonnensystems, die sich anschließt, unterscheidet sich nicht nennenswert von ähnlichen Visiten von George Griffith' A Honeymoon in Space (1901) bis Friedrich Wilhelm Maders Wunderwelten (1911) - nur daß Ames' Erzähler dem Leser die endlosen pedantischen Belehrungen erspart, die bei Mader auf das tumbe Faktotum und die ebenso tumbe Tochter des Erfindergenies einprasseln. Wem also, und sei es aus theoretischer Neugier, nach der Lektüre dieses verschollenen Schmäuchers ist, dem sei mit gutem Gewissen abgeraten: nicht jeder vergessene Text ist zu Unrecht vergessen. Mit den Bildern, mit denen Ames seinen Text hat illustrieren lassen, ist es freilich eine andere Sache. Hier treten uns - zum ersten Mal, wenn ich es richtig sehe - wirklich außerirdische Landschaften vors Auge, die nicht nur eine fremde Welt - in diesem Fall die des Mondes - wirklich bebildern (obschon sie natürlich mit der späteren, photographisch dokumentierten Wirklichkeit nicht gemein haben). Das gute Dutzend Bilder beschränkt sich dabei ausschließlich auf die lunare Expedition, auf die Städte der längst ausgestorbenen Mondbewohner, die in den Spalten und Klüften der Mondmeere letzte Zuflucht vor der Kälte des Raums und der Ausdünnung der Mondatmosphäre gesucht haben. In diesen Bildern zeigt sich, zum erstenmal, die Atmosphäre, die so vielen späteren künstlerischen Darstellungen des Erdtrabanten zu eigen ist. Da sowohl der Autor wie auch der Illustrator seit mehr als 90 Jahren tot sind und sowohl der Text wie die Illustrationen gemeinfrei sind, erlaubt sich der Protokollant, diese Bilder als Serie hierhin zu setzen. (Ein Klick auf die Bilder erlaubt eine größere Bildschirmdarstellung.)
Drowsy ist, als Text genommen, noch schütterer: eine schwülstige, aber banale Liebesaffäre zwischen genialem, aber verkanntem Erfinder, eine reichen Erbin, die sorgenfreie Umgebung, die beider Sohn (dessem ererbten Genie so die optimale Ausfaltung erlaubt wird, ohne von gesellschaftlichen Vorurteilen und den Vorurteilen der Schulweisheit eingezwängt zu werden): dergestalt von den Fesseln der Konvention befreit, gelingt ihm die Entdeckung der Antigravitation (einem beliebten Mittel, vor der Entwicklung funktionierender Raktenantriebe Helden die Riese in All zu ermöglichen, seit Percy Greg 1880 in Across the Zodiac diese Möglichkeit zuerst zu Papier brachte - auch Cavor in H. G. Wells' The First Men in the Moon bediente sich 1901 dieser Technik wie auch Kapitän Mors, der "Luftpirat" in der deutschen Groschenheftserie zwischen 1908 und 1914), und die Entdeckungstour durch die näheren Bereiche des Sonnensystems, die sich anschließt, unterscheidet sich nicht nennenswert von ähnlichen Visiten von George Griffith' A Honeymoon in Space (1901) bis Friedrich Wilhelm Maders Wunderwelten (1911) - nur daß Ames' Erzähler dem Leser die endlosen pedantischen Belehrungen erspart, die bei Mader auf das tumbe Faktotum und die ebenso tumbe Tochter des Erfindergenies einprasseln. Wem also, und sei es aus theoretischer Neugier, nach der Lektüre dieses verschollenen Schmäuchers ist, dem sei mit gutem Gewissen abgeraten: nicht jeder vergessene Text ist zu Unrecht vergessen. Mit den Bildern, mit denen Ames seinen Text hat illustrieren lassen, ist es freilich eine andere Sache. Hier treten uns - zum ersten Mal, wenn ich es richtig sehe - wirklich außerirdische Landschaften vors Auge, die nicht nur eine fremde Welt - in diesem Fall die des Mondes - wirklich bebildern (obschon sie natürlich mit der späteren, photographisch dokumentierten Wirklichkeit nicht gemein haben). Das gute Dutzend Bilder beschränkt sich dabei ausschließlich auf die lunare Expedition, auf die Städte der längst ausgestorbenen Mondbewohner, die in den Spalten und Klüften der Mondmeere letzte Zuflucht vor der Kälte des Raums und der Ausdünnung der Mondatmosphäre gesucht haben. In diesen Bildern zeigt sich, zum erstenmal, die Atmosphäre, die so vielen späteren künstlerischen Darstellungen des Erdtrabanten zu eigen ist. Da sowohl der Autor wie auch der Illustrator seit mehr als 90 Jahren tot sind und sowohl der Text wie die Illustrationen gemeinfrei sind, erlaubt sich der Protokollant, diese Bilder als Serie hierhin zu setzen. (Ein Klick auf die Bilder erlaubt eine größere Bildschirmdarstellung.)
(Zu der Vision des zwischen den Sternen treibenden Verstorbenen sh. unten Note **)
(Hierbei handelt um eine der wenigen Ausnahmen - obwohl Atlantis natürlich ebenso eine versunkene Ferne Welt darstellt.)
Diese Illustrationen sind umso erstaunlicher, als sie einen absoluten Solitär im Werk des Illustrators MacDonall darstellen, der ansonsten für Zeitschriften wie Life oder Country Gentleman harmlos-humoreske Alltäglichkeiten lieferte, ein Norman Rockwell avant la lettre der dritten Garnitur, wie im folgenden Beispiel:
Welch eine singuläre Stellung MacDonalls Zeichnungen in diesem Metier zu seiner Zeit einnehmen, läßt sich erst ermessen, wenn man zum Vergleich die Werke des einzigen Künstlers heranzieht, der einen vergleichbaren Ehrgeiz an solchen Darstellungen entwickelt hat: die Bilder, die der Engländer Thomas Scriven Bolton (1888-1929) im Zeitraum von 1915 bis 1929 für die Londoner Illustrated London News geschaffen hat, und für die er auf Studien an seinen fünfzölligen Amateurteleskop zurückgriff. Die Gipsmodelle, die er photographierte und in deren Photographien er anschließend Sternhintergründe retuschierte, mögen zwar den zeitgenössischen Vorstellungen eines wildzerklüfteten, zerfurchten Mondes entsprochen haben, auf den heutigen Betrachter wird ihre unbeholfene Übertriebenheit nur noch unfreiwillig komisch.
Und um zur dichterischen Vision des Auftakts, den Versen des russischen Symbolisten Konstantin Bal'mont zurückzublenden, dessen Vision von der toten, kristallinen Abstraktheit der idealen dichterischen Schöpfung à la Mallarmé 1899 in einem Gedichtwettstreit mit seinem Dichterkollegen Waleri Brjussov entstand, Scriven Boltons Vision des Südpols des Mondes, umgeben von einem Ring von Bergspitzen, die nie im Schatten liegen:
* * *
* Der Autor verdankt den Hinweis auf Philippine Demuth-Bäurle dem Aufsatz "Die Ästhetik und Poetik der Zukunftsontologie in der Weltraumliteratur zwischen 1750 und 1850," erschienen in Der (neue Mensch und seine Welten, Hg. Pawel Walowski, Berlin 2017: Frank und Thimme, S. 15-30. Dort finden sich auch weitere Titel dieser religiös-eschatologischen "Planetenvisiten", etwa Josef Emil Nürnbergers Astronomische Reiseberichte oder Topographie des Himmels und planetarischen Metempsychose (1837), Friedrich Ebners Neue Reise in den Mond, die Planeten, die Sonne und andere Sterne (1852) und "Dr. Rudolphios" Die junge Hellseherin (1857) gelistet. Allerdings fehlt dort der Hinweis auf die "Visionsreisen", mit denen der österreichische Mystiker und "Schreibknecht Gottes", Jakob Lorber (1800 - 1864) seine visionären Offenbarungen über das All und das Jenseits begründete - und der Hinweis auf die vielleicht bekannteste "Astralreise" dieser Art, nämlich Makariens Visionen in Goethes Wilhelm Meisters Wanderjahre (1829). Natürlich ist Demuth-Bäurles Text kein "Roman", sondern gibt vor, eine handgreiflich-konkrete Offenbarung tatsächlich "letzter Dinge" zu sein - grundiert durch ein starres Gerüst an Daten, Zeitangaben und ein festes Berichtsschema des "Geschauten". Die Mathesis der Fahrpläne und Meßtischblätter frißt auch die Twilight Zone des Sonnensystems, als terrain vague zwischen irdischem Jammertal und unerreichbarem Elysium geschaltet, an.
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Up he shot, more like a cannon ball than a rocket. So fat he went, gaining speed with every second, growing smaller and fainter to the two spectators, until - and it all happened in the shortest minute - he disappeared, a tiny speck in the blue sky above.
He had no chance to change his speed.
His straw hat, with its crimson band - like a frivolous friend too light of heart for sudden tragedy - came tumbling earthward, then floated off to the west in playful, easy spirals. A gay farewell to a lifeless body. For death had been instantaneous..
Dr. Alton and Cyrus stood looking upward -at the wspots in the heavens where Luther had disappeared from earthly vision. It was hard to believe what their eyes had sen. And when, in silent horror, they looked into each other's faces, both knew tha htis traveler had started on a darker and longer voyage than any previous explorer; that he was moving at a speed unknown to other mortals, and that his journey would never end. Both knew that within the hour he would be beyond the orbit of the earth; that the power propelling him felt no exhaustion. Unless colliding with other celestial drelicts, or drawn into the path of some distant planet - Neptune or Uranus - he would push further out into the Infinite. Then, would he join some starry host, off toward the Milky Way, the Southern Cross or Orion's Belt, and glde forever, a homeless vagrant through the dusky void?
His youthful features, untouched by decaying moisture in the icy gloom, might remain, through the countless ages as his friends last saw him, long atfer his native earth - like its own moon - had become a lifeless ball. or, beyond the visible stars, far out into bottomless space, - too far ever to return - is he to wander through the uncharted regions of yet remoter worlds?
Eine Himmelfahrt im wörtlichsten Sinn - den Protokollanten erinnert sie an einen der wenigen "mad astronomers" im Realen Leben; zwar dienen Sternfreunde gern in der Literatur - jenseits der Science Fiction - als Illustration für die geistigen Gefahren dieser Vokation, angefangen vom Lachen der thrakischen Magd über Thales' Sturz in den nächtlichen Graben bis zu Christopher Frys "well-made play" Venus Observed von 1950. Realiter scheint die Beschäftigung mit Zahlen und Beobachtungsdaten, die Notwendigkeit zur nüchternen Präzision die Jünger der Muse Urania eher zu erden. Die erwähnte Ausnahme findet sich in Friedrich Hebbels Tagebuch seiner Reise nach Hamburg aus dem Jahr 1842, in dem er festhält, daß ein Mitschüler, mit dem er das Abitur abgelegt hat, im Verlauf seines Theologiestudiums sich an der Frage festbiß: wenn Jesus nach seiner leiblichen Himmelfahrt beständig beschleunigt hat und sich auf die Reise durch die tatsächlichen astronomischen Gefilde begeben hat: wo befindet er sich itzt und wie weit wird er gelangt sein? - und der darüber seinen Verstand eingebüßt hat. (Die Frage läßt sich übrigens, als kleines jeu d'esprit, konkret beantworten: wenn Christus körperlich in senkrechter Linie, 40 Tage nach dem Pessachfest des Jahres 30, um 9 Uhr abends vom Ölberg aus aufgestiegen ist, mit konstanter Beschleunigung, dann befindet er sich etwa weniger als 2000 Lichtjahre entfernt in Richtung des Sternbilds Herkules, in jener Region, auf die sich die Sonne bei ihrem 250 Millionen Jahre dauernden Umlauf um das Milchstraßenzentrum hinbewegt. Voraussetzung ist natürlich die Lichtgeschwindigkeit c als begrenzender Faktor bei der Beschleunigung massereicher Körper im Sinne der Relativitätstheorie.)
Das Bild der treibenden Leiche im Angesicht der Unendlichkeit kehrt mit einer gewissen Hartnäckigkeit wieder - vermutlich weil sich darin die Finalität des Todes, die Verlorenheit der individuellen Existenz im Angesicht der Ewigkeit, potenziert zeigt. Vorgebildet ist sie im Tod und dem Aussetzen im All des eines der beiden mitgeführten Hunde in Jules Vernes zweitem Teil seines Mondfahrtberichts, Autour de la lune von 1871, der die Beschleunigung des Kanonenstarts nicht überlebt hat und nach seiner Außenbordbeförderung Barbicans bemanntes Geschoß wie ein gräßlich-gotesker Satellit begleitet (darin Sputnik II - wörtlich "Begleiter" - und Laika vorwegnehmend).
Der Auftakt von Neil R. Jones "Professor Jameson"-Erzählserie von 1930 greift das auf, als raumfahrende Androiden in ferner Zukunft bei ihrem Besuch der längst toten Erde die sterblichen Überreste des Protagonisten in der Umlaufbahn entdecken, der dort dem Zugriff der Verwesung und Korruption entgehen wollte, und ihn wiederbeleben; am bekanntesten ist das Bild von Frank Poole aus "2001 - Odyssee im Weltraum," nachdem ihn HAL vermittels der Arbeitsraumkapsel während seines Außenbordeinsatzes ermordet hat (auch er wird in Arthur C. Clarkes dritter Fortsetzung, 3001: The Final Odyssey (1997), gut bewahrt durch die Weltraumkälte, geborgen und wiederbelebt); dem Protagonisten von Peter Watts Roman Blindsight (2006) steht genau dieses Schicksal bevor, nachdem er das Scheitern und den Untergang der Expedition geschildert hat, die am Rand des Sonnensystems den ersten desaströsen Kontakt mit außerirdischer Intelligenz versucht hat. Und es ist zum optischen Signum der letzten Fernsehumsetzung eines Buchstoffes geworden, die nicht nur einen gewissen Anspruch auf "harte", also einigermaßen realistisch fokussierte, Science Fiction anmeldet und die mögliche Zukunft der Menschheit im Sonnensystem der nächsten Jahrhunderte abschildert: The Expanse des Syfy-Channel (ab 2016).
U.E.
© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.