Wer bringt es übers Herz, den Film von Wim Wenders anzusehen? Wer könnte „einen Mann, der Paläste und Limousinen ablehnt“, kritisieren?
Man muss etwas ausholen. Im Jahre 1452 hat unser berühmter deutscher Philosoph Kardinal Nikolaus Cusanus die Zukunft der Kirche beschrieben. Er sah eine große Prüfung voraus: Die Nachfolger der Apostel werden fliehen, einschließlich des Papstes, aber für zwischen 1700 und 1734 mutmaßte Cusanus die Wiederkunft Christi und die Bekehrung der Kirche.
Angesichts der Türkengefahr nach der Eroberung Konstantinopels schrieb er 1453 in einem Brief an Jakob von Sirck: „Ich fürchte sehr, dass jene Gewalt uns schlagen wird, weil ich nicht die mögliche Vereinigung zum Widerstand sehe. Allein an Gott denke ich, muss man sich wenden, aber er erhört nicht die Sünder.“
In seinen letzten Lebensjahren, als er Berater und Freund von Papst Pius II. war, litt er sehr daran, dass die Kirche nicht zu reformieren war. Bezeichnend ist eine Szene an der Kurie. Der Papst beabsichtigte eine politische opportunistische Kardinalsernennung und die Kardinäle leisteten heftigen Widerstand, ebenso Cusanus. Dieser sagte dem Papst: „Du willst mich zum Beipflichter deiner Wünsche machen; ich kann und will nicht schmeicheln; ich hasse die Kriecherei.“ Und er fügte bitter hinzu:
„Wenn du fähig bist zuzuhören, so gefällt mir nichts, was in dieser Kurie vor sich geht: Niemand obliegt seiner Pflicht in genügendem Maße; weder du noch die Kardinäle kümmern sich um die Kirche. Alle erliegen dem Ehrgeiz und der Habgier. Wenn ich bloß einmal im Konsistorium von Reformen rede, verlacht man mich. Ich bin hier überflüssig. Erlaube, dass ich gehen kann. Ich kann diese Sitten nicht ertragen. Ich gehe in die Einsamkeit, und da ich in der Öffentlichkeit nicht leben kann, so will ich für mich leben.“ Er brach dabei in Tränen aus. (Zitat bei: Karl Jaspers, Nikolaus Cusanus, München 1964, 244, 261).
Gut, beides erkennen wir nun wieder aus den Nachrichten über die römischen täglichen Predigten, die Aufzählung der Sünden und das Murren gegen diese Praxis.
Papst Franziskus wirkt durch seine Lebensweise und seine Zeichen wie ein Heiliger. Unklar ist vielen, wie die Kirche in der Gesellschaft wirken sollte: Eben als Zeichen, als Minderheit und mit einer ganz besonderen prophetischen Ethik. Das verschwimmt für das Publikum ein wenig, denn man unterscheidet ja nicht zwischen allgemeiner Bürgerethik und Nachfolge-Jesu-Ethik, Stadt Gottes auf dem Berg, Leuchtzeichen, Hilfe durch ein Vorbild zu sein.
Meine persönliche Anfrage an den Stil von Papst Franziskus hat zwei Akzente. Das Papsttum ist ein Amt, Franziskus war Gründer einer radikalen Armuts- und Protestbewegung. Für gewöhnlich war und ist die Kirchengeschichte angewiesen auf diese Spannung. Plötzlich heißt ein Papst Franziskus und lebt auch so. Benedikt hatte hingegen noch an das Kultur-Mönchtum erinnert.
An sich kein großes Problem, die Jahre vergehen und ein neuer Papst - - - ja, aber wie setzt dieser das Erbe fort und was erfindet nun er? Es ist ihm sehr schwer gemacht.
Die Legende erzählt: Als der historische Franziskus vor den Papst trat, sagte dieser, so wie er ausschaue, könne er den Schweinen predigen. Franz ging und kam nach Stunden zurück, verdreckt von einem Schweinestall. „Ich war. Und jetzt?“ fragte er den Papst. Der war so beeindruckt, dass er ihn zum Übernachten einlud. Aber Franz lehnte ab: „Heiliger Vater, - dann würde ich mich morgen nicht mehr frei fühlen.“
© Ludwig Weimer. Für Kommentare bitte hier klicken.