13. Februar 2018

Moments bloguicaux: Die SPD schafft sich ab

Es gibt auch für Nichtlinke gute Gründe, der SPD eine gedeihliche Gegenwart und Zukunft zu wünschen. Deshalb kann es dem Verfasser dieser Zeilen nicht zur Freude gereichen, dass die Alte Tante derzeit immer tiefer in den Mahlstrom der Selbstbeschädigung abtaucht. Andererseits will das Mitleid mit den Protagonisten dieses Ritzens an den politischen Handgelenken seine engen Grenzen nicht verlassen, ist doch der desolate Zustand der deutschen Traditionspartei alles andere als fremdverschuldet.

Die am Wahlabend kurz nach Urnenschluss verkündete Entscheidung, in die Opposition zu gehen, war im Lande Luthers vielleicht mit zu wenig "Hier-stehe-ich-und-kann-nicht-anders"-Dramaturgie gewürzt, aber inhaltlich eindeutig richtig. Die SPD hatte sich an der Seite Merkels, die viel mehr linke Forderungen umgesetzt hat, als dies der mutigste rote Bundeskanzler gewagt hätte, zu Tode gesiegt. Eine Zeit der Wiedererstarkung, fern vom Klammergriff der alternativlosen Allesverschlingerin, war die naheliegende Reaktion auf das schlechteste Parlamentswahlergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik.
­
Das böse Schicksal nahm mit der Entscheidung, sich der angeblichen staatspolitischen Verantwortung zu stellen und einer neuerlichen Regierungsbeteiligung nicht entgehen zu dürfen, seinen verhängnisvollen Lauf. Nicht nur, dass man mit dieser Volte das Stigma der Umfallerpartei von der diesmal tadellos konsequenten FDP geerbt hatte. Nein, die Bruchlinien zwischen Jung und Alt und zum Teil auch Links und Rechts traten mit dem Beschluss zur Aufnahme von Sondierungsverhandlungen in ungeahnter Deutlichkeit zu Tage. Das Prozedere, die vorfühlenden Unterredungen mit der Union zwar formell auf die Stufe der Koalitionsverhandlungen zu heben, aber zugleich deren Ergebnisse zum Schein materiell in Frage zu stellen (man erinnere sich an Frau Nahles und ihr Versprechen, zu "verhandeln, bis es quietscht auf der anderen Seite") war von einer Lächerlichkeit durchdrungen, die in so manchem Beobachter der Zeitläufte einen Reflex zwischen Fremdschämen und Häme erzeugt haben dürfte.

Als ob dies alles noch nicht genug an Wortbruch und Heuchelei gewesen wäre, kümmerte Herrn Schulz sein Geschwätz von gestern, einem Kabinett Merkel keinesfalls beizutreten, nicht mehr das Geringste. Dies rief einen sichtlich verärgerten Sigmar Gabriel auf den Plan, der - nach der Vermutung des Verfassers dieser Zeilen wohl zu Recht - darauf hinwies, dass es Teil seines Deals mit Schulz gewesen sei, dass er, Gabriel, Außenminister bleiben könne. Als Persönlichkeit mit prononciertem Ego und den entsprechend ruppigen Manieren macht es Gabriel seinen Mitmenschen freilich leicht, ihn nicht zu mögen, und so war die seiner Tochter zugeschriebene Äußerung vom "Mann mit den Haaren im Gesicht" ein weiterer Ausweis dafür, dass dem Chefdiplomaten dieses Landes jedes diplomatische Feingefühl völlig fremd ist.

Gemäß dem alten Kalauer "Freu dich, denn es könnte noch schlimmer kommen. - Und es kam schlimmer" ruft auch das offenkundige Bemühen der SPD, den Fehler der Verklärung ihres nunmehr wie Ikarus abgestürzten Spitzenmannes rückgängig zu machen, weitere Unstimmigkeiten hervor. Im Willy-Brandt-Haus wollte man nicht verstehen, dass der sogenannte Schulz-Hype nicht auf einer positiven Einschätzung des ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments beruhte, sondern das unreflektierte und ephemere Aufatmen eines Teils der Mitglied- und Wählerschaft war, dass es eine nicht Sigmar Gabriel heißende Alternative zu Merkel gab. Und jetzt ist man bemüht, den Mann, der noch vor einem Jahr zum Heilsbringer stilisiert wurde, so schnell wie möglich abzuservieren. Parallelen zum ersten Trash-TV-Star dieses Landes drängen sich geradezu auf.

Doch Schulzens designierte Nachfolgerin Andrea Nahles bleibt nicht ohne Konkurrenz. Denn in dem allgemeinen Chaos wittern auch Kräfte aus der zweiten Reihe ihre Chance auf den Durchbruch: So wirft Simone Lange, die Oberbürgermeisterin von Flensburg, der gläubigen, linken Frau den Fehdehandschuh ins Gesicht, dies mit dem durchaus eine Pointe enthaltenden Argument, mehr innerparteiliche Demokratie wagen zu wollen.

Im Sinne des ersten Absatzes dieses blogikalischen Moments und zur Abmilderung der vielleicht etwas übertrieben reißerischen Schärfe der Überschrift hofft der Verfasser dieser Zeilen, dass es sich bei den derzeitigen Zerfallserscheinungen der SPD um einen Akt der schöpferischen Zerstörung handelt. Darauf - es ist noch Fasching - einen dreifachen Tusch.

Noricus

© Noricus. Für Kommentare bitte hier klicken.