Meine zwei geschätzten
Blogger Kollegen Noricus und der Werwohlf haben den Niedergang der SPD in sehr
guten Texten beweint und beleuchtet. Ich persönlich bin mir nicht sicher, ob
man die SPD braucht oder nicht. Das hängt im Wesentlichen von ihrer Verfassung
ab, in der sie sich in nächster Zeit präsentieren wird. Eine zu starke Verklärung
der Vergangenheit, in der zugegebenermaßen von der SPD und ihren führenden
Politikern vieles auch richtig gemacht wurde, birgt immer die Gefahr den klaren
Blick für die Zukunft zu verlieren und Dinge im hier und jetzt nicht mehr
korrekt einzuwerten. Die Frage die ich mir stelle ist, warum die SPD in die
Situation kam, in welcher sie sich heute befindet. Dazu habe ich mir ein paar
Gedanken gemacht. Diese Gedanken liegen abseits von Personalien und versuchen eher am Grundsätzlichen zu rühren.
Man hört oft, dass sich
die CDU sozialdemokratisiert und damit die Wählerbasis der SPD angegriffen
hätte. Diese Beobachtung ist zwar meines Ermessens nicht falsch aber viel zu
kurz gesprungen. Was in meinen Augen geschehen ist, ist vielmehr eine Ergrünung
der SPD und damit einhergehend auch der CDU, was in der Folge zu einer
Verengung der politischen Alternativen in Deutschland führte. Die SPD wird
dabei immer mehr zwischen den beiden Polen CDU und Grün aufgerieben. Wie konnte es aber
dazu kommen?
Die Entstehung der Grünen leitete
sich im Kern aus dem Thema Umweltschutz und dem Lebensgefühl einer Generation ab.
Es war dabei eine sich links verortende Partei. Letzteres mag mit ein Grund
dafür gewesen sein, dass in der Folge zunächst vor allem die SPD viele Themen der
Grünen aufgriff. Zu nennen wären zum Beispiel Ökologie, Feminismus oder Gleichberechtigung.
Dies geschah, so vermute ich, in der Absicht, den Grünen Alleinstellungsmerkmale
zu nehmen, welche eine Wählerabwanderung aus der SPD zu den Grünen hätten nach
sich ziehen können. In der Folge nun wurde aus dem reinen Aufgreifen dieser
Themen immer mehr ein Fokussieren auf ebendiese. Über die Gründe dafür kann ich
nur spekulieren, habe aber keine wirkliche Erklärung. Meine Vermutung ist,
dass die Sehnsucht nach moralischer Integrität (mit der grüne Positionen bis
heute oft konnotiert sind) im Nachkriegsdeutschland so hoch war, dass solche Positionen
große Zustimmung in der Gesellschaft hatten und zu Zustimmung durch den Wähler
führten. Der dadurch bedingte Erfolg der Partei beim Wähler führte, damit
einhergehend, immer mehr zu einer Fokussierung der SPD auf die entsprechenden Themen.
Auch die CDU erkannte
diesen Sachverhalt. Unter Kohl wurde zum Beispiel bereits der Grundstein für
die spätere Energiewende gelegt. Unter dem Parteivorsitz von Merkel allerdings
nahm diese Entwicklung erst richtig Fahrt auf. Die CDU besetzte immer mehr rot/grüne
Themen. Da die SPD programmatisch aber bereits sehr nah an die Grünen
herangerückt war, besetzte sie damit zwangsläufig originär grüne Themen. Das
führte in der Folge zum heute beobachtbaren Zustand, dass man eine ergrünte CDU
konstatieren kann, welche in den Grünen ihren natürlichen Koalitionspartner
sieht. Begünstigt wird das sicherlich auch durch den Umstand, dass sich die Grünen
heute mehr als eine konservative (bewahrende), bürgerliche Milieupartei, denn
als eine linke Partei gerieren, so dass die Affinität zur CDU über die Zeit
deutlich größer geworden ist als diejenige zur SPD.
Die SPD hat im Zuge dieser
Entwicklung ihre Kernwählerschaft, die klassischen Arbeitnehmer, immer mehr aus
den Augen verloren. Sie hat, wenn man es so betrachtet, in dem ursprünglichen Bestreben,
dem politischen Gegner Alleinstellungsmerkmale zu nehmen, alle eigenen
Alleinstellungsmerkmale aufgegeben, weil man sich zu sehr am Erfolg der neuen
Positionen berauschte.
Um das Bild nun rund zu
machen, ist es meines Ermessens ebenfalls notwendig, einen wichtigen Teilaspekt des Erfolges
der AfD zu begreifen. Diese besitzt, in dem aus der eben beschriebenen Entwicklung
heraus entstandenen, aktuellen politischen Umfeld, Alleinstellungsmerkmale (wie damals auch die Grünen), welche Wähler binden
können. Vor allem zu nennen sind die Themenfelder Energie-, Zuwanderungs- und Europa Politik. Interessant ist in meinen
Augen dabei zweierlei:
- Erstens sind diese
Alleinstellungsmerkmale der AfD im Kern klassische Merkmale einer
Arbeitnehmerpartei wie der SPD. Verfügbarkeit billiger Energie, Regelung /
Beschränkung von Zuwanderung und Zurückhaltung bei einem kostspieligen, elitären
Projekt wie der EU sind durchaus Forderungen, die man originär bei der SPD
suchen würde, liegen sie doch im Interesse des klassischen Arbeitnehmers.
- Zweitens scheut sich die
SPD diese Positionen wieder zu besetzen und genau hier liegt in meinen Augen das
wesentliche Dilemma der SPD:
Die SPD hat ihre
originären Positionen vergessen. Eine neue Partei, die AfD, hat sie aufgenommen
und die SPD scheut sich aus einem Wirrwarr unterschiedlichster Gründe, diese
Positionen zurück zu erobern. Warum ist das so?
Zum einen spielt
sicherlich das in Teilen unappetitliche Personal der AfD eine Rolle. Man hat
Angst mit ihm in einen Topf geworfen zu werden. Ein in meinen Augen unsinniges
Argument (inhaltlich tragbar, bleibt inhaltlich tragbar, gleich wer es sagt), welches
aber einige Zugkraft besitzt.
Zum anderen fällt der SPD
selbst mitproduzierte Agitprop auf die Füße: Schon zu Luckes Zeiten wurde die
AFD und ihre (damals gemäßigten) Positionen als rechts denunziert und in der
öffentlichen Wahrnehmung auch so etabliert. Dieser Umstand hat den Rückweg auf
solche Positionen, der mir nun notwendig erscheint, sehr erschwert, wenn nicht
verbaut. "Rechts zu sein" ist im politischen Deutschland 2018 mehr denn je ein "No Go".
Als letztes spielt auch
die neu eingenommene Moralität der SPD eine Rolle, welche sich aus der Ergrünung
der eigenen Positionen ergab. Sie steht der Rückkehr zu alten Positionen
maßgeblich im Weg.
In meinen Augen wird sich
das Schicksal der SPD dadurch entscheiden, ob sie den Mut findet die alten Positionen
trotz alledem wieder zu besetzen. Nahles wie auch Gabriel deuteten solche
Gedanken in der Vergangenheit – im Hinblick auf die Zuwanderung – durchaus an.
Diese Gedanken wurden aber immer wieder schneller einkassiert, als sie
ausgesprochen waren und so verfolgt man im aktuellen Koalitionsvertragsentwurf in dieser Frage (Stichwort Familiennachzug) auch wieder eine deutlich grüne Linie. Die Zukunft für die SPD sieht daher, meines Ermessens, alles andere als rosig
aus.
Ein Hoffnungsschimmer
würde ich persönlich für die SPD in der Abstimmung zum Koalitionsvertrag sehen.
Eine Ablehnung des Koalitionsvertrages durch die Mitglieder könnte die aktuell
verfolgte Politikrichtung der SPD beenden und in einem möglichen (unbelasteten)
Neuanfang wieder zu ihren Wurzeln zurückführen. Das wäre ein schmerzhafter aber
in meinen Augen erfolgversprechender Weg.
Wenn ich eine mutige
Prognose abgeben darf, erwarte ich daher ein "Nein" der Basis zum
Koalitionsvertrag. Viele Mitglieder der SPD spüren inhärent das beschriebene Dilemma
ihrer Partei und die Notwendigkeit eines Endes mit Schrecken, um nicht im
Schrecken ohne Ende unterzugehen und ich vermute sie spüren ebenfalls, dass
diese Entscheidung zum Koalitionsvertrag eine, vielleicht die letzte Ausfahrt
auf der Fahrt in "Richtung Untergang" ist.
Interessant in diesem
Zusammenhang ist übrigens, dass die FDP bei der letzten Bundestagswahl damit
erstaunliche Erfolge erzielte, dass sie sich Alleinstellungsmerkmale (unter den etablierten Parteien) neu
aneignete: Zum Beispiel die Opposition zum Netzwerkdurchwirkungsgesetz oder die
prononcierte Forderung nach Regelung der Zuwanderung und Rückkehr zu mehr Rechtsstaatlichkeit.
Dass man sich dabei streng genommen Positionen der AfD annäherte oder gar zu
eigen machte, spielte überhaupt keine Rolle. Was auch nicht überraschen sollte, da
nicht alle Forderungen der AfD unappetitlich sind, auch wenn sie mitunter durch
unappetitliches Personal unappetitlich vertreten werden.
Bleibt die Frage, ob die
SPD ebenfalls den Mut zu einem solchen Schritt findet. Obschon ich mit meinem
Blick auf die Welt kein besonders SPD affiner Mensch bin, wünsche ich ihr den
Mut zu diesem Schritt. Dem Parlamentarismus in Deutschland täte er sehr gut.
nachdenken_schmerzt_nicht
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