Es gibt sicher nur wenige Figuren im deutschen Politikbetrieb die derart massiv polarisieren wie der Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen Björn Höcke. Auch im kleinen Zimmer ist der Mann öfter thematisiert, weil er schlicht Dinge vertritt, die dem aktuellen, liberalen Staatsverständnis nicht nur ein bischen entgegenstehen. Der Mann ist provokant und setzt diese Eigenschaft auch sehr bewusst ein um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Alles in allem ergibt sich ein Mensch, dessen inhaltliche Positionen wohl von einer vergleichsweise breiten Mehrheit abgelehnt werden.
Dennoch sollte betont werden, dass (trotz eifriger Versuche) nie nachgewiesen wurde, dass er den rechtsstaatlichen Rahmen verlassen hat, oder simpel gesagt: Er tritt zwar für die Beseitigung des §130 (Volksverhetzung) ein, hat aber selber wohl keine begangen, zumindest ist nichts entsprechendes bekannt.
Nun trug es sich zu, dass eine linke "Künstlergruppe", inzwischen unter viel Applaus der Presse, auf dem Nachbargrundstück von Höckes Wohnhaus, das Holocaustmahnmal nachgebaut hat. Das geht im Wesentlichen darauf zurück, dass Höcke das ("Original") Holocaustmahnmal ein Denkmal der Schande genannt hatte (was es, wenn man sich den Kontext, in dem er das beschreibt, wohl auch zugeben muss, denn es ist ein Denkmal, dass an eine große Schande erinnert.). Nun könnte man die Aktion witzig finden. Nur ist sie das leider nicht. Denn hier wird eine Grenze überschritten, die eigentlich immer im deutschen Politikbetrieb gegolten hat: Das Privatleben eines Politikers wird dann (und nur dann) zu einem öffentlichen Thema, wenn der Politiker dies selber initiiert. Ansonsten ist das seine Privatssphäre und damit tabu. Bis Guido Westerwelle es selber öffentlich gemacht hat, wurde nicht darüber berichtet mit wem er ins Bett ging. Was Wolfgang Sauer sonst so alles tut, wenn er seine Gattin nicht bei einem Staatsbesuch begleitet, geht keinen was an. Ob Claudia Roth ihre Türkeiliebe vor allem daher speist, dass das ihrer sexuellen Präferenz entspricht, ist nicht das Thema von Berichterstattung (ein Glück). Und wenn ein Politiker für den Bau eines AKWs ist, setzt man ihm auch keinen Castor in die private Einfahrt.
Man tut das nicht. Weil es übergriffig ist. Dieses Land hat einen demokratischen Prozess und in diesem Prozess geht es um Meinungen, Überzeugungen und Ideen. Wenn eine Idee schlecht ist, dann ist es die Aufgabe des politischen Prozesses darüber zu urteilen. Es ist nicht die Aufgabe von selbsternannten "Künstlern" die dahinter stehende Person persöhnlich zu attackieren.
Aber hier ist die Geschichte (leider) noch nicht zu Ende. Denn auch wenn Details bisher noch sparsam sind, stellt sich die ganze Sache noch deutlich extremer dar: Die Künstlergruppe gibt ebenso an, in den letzten 10 Monaten nicht nur neben Höcke gewohnt zu haben, sondern ihn auch intensiv beobachtet zu haben und "Dossiers" angelegt zu haben. Man nennt sich selber den "zivilen Verfassungsschutz" und man werde diese "zivilgesellschafliche" Überwachung erst dann einstellen, wenn sich Höcke vor dem Holocaust-Mahnmal niederwerfe. Der thüringsche Landtagspräsident Carius (CDU) (wohlgemerkt, ein politischr Gegner!) fand dazu folgende Worte:
„Hier wird unter dem Deckmantel künstlerischer Freiheit, ein skandalöser Angriff auf die Freiheit des Mandats, die Unversehrtheit einer Person, von Familie und Privatsphäre unternommen“Und damit hat der Mann recht. Und hier ist das Problem, dass einem die Worte ausgehen, wenn man schon das Aufbauen des Denkmals als übergriffig bezeichnet. Das ist nicht mehr übergriffig, das ist rundheraus kriminell und widerlich. Es sind die Methoden der Stasi (der Vergleich mit Nazimethoden, den man an der Stelle öfter liest, ist thematisch falsch), die durchaus in ihrer Menschenverachtung und faschistischen Denkweise dem dritten Reich nicht nachstehen wollte. Die ganze Aktion ist aus so vielen Gründen daneben, dass man kaum weiss, wo man anfangen soll. Bedenkt man das Herr Höcke dieses Haus mit seiner Familie bewohnt und damit auch seine Kinder(!) von dieser Aktion betroffen sind, wird es endgültig eklig.
Noch trauriger allerdings (ja, man kann noch einen daruf, respektive druntersetzen) ist die Reaktion der deutschen Öffentlichkeit, bzw. der deutschen Linken. Denn so recht kommt die nicht damit klar. Wenn überhaupt Distanzierung stattfindet, dann eher in der Form, dass man so etwas nicht machen sollte, weil sich die AfD damit wieder als Opfern gerieren (sic) könnte. Woraus man eigentlich nur schliessen kann, dass es irgendwo doch in Ordnung wäre, wenn die Öffentlichkeit das nicht ein bischen anders einordnen würde. Das hier einer der widerlichsten Teile der zweiten, deutschen Diktatur wiederauflebt, kümmert die Linke nicht die Bohne. Im Gegenteil, auf obigen Ausspruch bekam Herr Carius keine linke Zustimmung, sondern stattdessen deutliche Kritik der Grünen seines Landtages, dass man doch Künstler(!) nicht mit Strafe bedrohen könne. Doch, liebe Grüne, kann man. Wenn sie sich kriminell verhalten dann kann man das sehr wohl. Wenn morgen ein braunes Rollkommando Claudia Roth wegen ihres etwas gespannten Verhältnisses zu Deustchland ("Deutschland, du mieses Stück ....") überfällt, und das ganze als Kunst verbrämt, dann sperrt man die auch ein und schmeisst den Schlüssel weg.
Ich schrieb es schon einmal hier: Die Stärke des Rechtsstaates kann vor allem daran beruteilt werden, wie er mit denen umgeht, die unpopulär sind. Wie er mit Unsympathen umgeht, mit (echten, nicht gefühlten) Minderheiten, Provokateuren und Andersdenkenden. Also am Ende genau daran, wie er mit den Björn Höckes dieser Welt umgeht, der die meisten dieser Punkte erfüllt. Es ist meine Befürchtung, dass am Ende genau gar nichts passieren wird, mal ab von einer symbolischen Geldstrafe, über die sich die "Künstler" kaputt lachen werden und sich damit noch zu Märtyeren edeln lassen werden und sich für die nächsten Jahrzehnte mit dieser Tat toll fühlen können. Genauso wie die ehemaligen Stasi-Kader und SED Schergen sich ja auch bis heute insgeheim auf die Schulter klopfen.
Und ich erlaube mir mal folgenden Lackmus-Test: Für einen einzelnen Satz der Beleidigung, so diese öffentlich an die Adresse von Claudia Roth geht, hat es bisher Urteile zwischen 60 und 160 Tagessätzen gegeben (die Frau mag den deutschen Staat verachten, nutzt ihn aber ganz gerne, wenn es um ihre Ehre geht). Wie müsste eine Strafe wohl aussehen, wenn jemand von der anderen Seite des politischen Spektrums den Gegenüber bespitzelt, bestiehlt und nötigt?
Llarian
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