25. September 2017

Ein interessantes Ergebnis. Nebst einer Bemerkung zu Denkzetteln.

­Es ist ein interessantes Ergebnis, fürwahr, deutlich interessanter als der Wahlkampf selber, der wohl als einer der ödesten der letzten 30 Jahre erinnert werden dürfte. Dabei überrascht nicht unbedingt das Ergebnis der AfD, wenn man den typisches Demoskopen-Malus abzieht, entspricht es recht gut den Erwartungen (der ZkZ-Ted hatte 12 Prozent vorhergesagt).


Was ziemlich unerwartet war, ist der Absturz der Union, die so knappe 3-4 Prozent unter ihren Vorhersagen blieb und ebenso der Absturz von Sankt Martin, der noch unsanfter landete als Steinmeier acht Jahr zuvor und deshalb, bei seinem Character nicht unerwartet, in der Elefantenrunde am gestrigen Abend die Contenance verlor. Der Absturz der SPD hatte dann, zumindest nach derzeitigem Stand, zur Folge, dass die SPD keine weitere große Koalition mehr eingehen will. Oder eher kann, denn eine weitere Runde Merkel Umarmung würde die SPD möglicherweise tatsächlich aufs dritte Podest befördern.

Bleibt also nur, von Spinnereien wie Minderheitsregierungen oder einer Ampel mit SED am Rand, nur die Schwampel übrig. Oder Jamaica wie der deutsche Kosmopolit sich lieber ausdrückt. Nun, ein solches Bündnis wäre sicher spannend. Wenn man das Ergebnis nicht selber ertragen müsste. Aber was es vor allem nicht ist, ist stabil. Die CSU, in ihrer ohnehin geschwächten Position, in einer Regierung mit Claudia Roth und Anton Hofreiter? Wie Joschka Fischer das bei der letzten Schwampel Diskussion (ja, die gab es schon einmal) so treffend simpel feststellte: Wie soll das gehen?
Die Grünen sind zudem in einer weit schwächeren Position, als das Wahlergebnis glauben macht: Sie profitieren vor allem von einem extrem schwachen SPD-Kandidaten. Und die fast stündlichen Artikel (man möchte sagen Propaganda) zum Thema AfD, die allesamt das Bild zeichneten, dass demnächst das dritte Reich aufersteht, hat mit Sicherheit zur Mobilisierung von Grün-Wählern beigetragen. Nur: Das nutzt sich ab. Das klappt beim nächsten mal schon nicht mehr und wenn sich die Grünen jetzt von Merkel umarmen lassen und ihr "Profil" nicht durchgesetzt bekommen, dann dürften sie tatsächlich aus dem nächsten Bundestag fliegen.
Und selbst das Eis, das Christian Lindner überwandelt, ist so dick nicht. Die FDP ist schon einmal vernichtend aus dem Bundestag gekegelt worden, wenn er kein starkes Profil zeigt, wird sich das wiederholen. Die Wahl 2013 hat eindrücklich gezeigt, dass die liberalen Stammwähler nicht ausreichen, um einen Wiedereinzug zu garantieren.
Eigentlich würden sowohl FDP als auch die Grünen vermutlich am liebsten vermeiden in die Regierung zu kommen, zumal Merkels Stern sinkt und sich niemand so recht an sie binden will. Schulz hat sie halt dummerweise unter Zugzwang gesetzt (sollte man ihm gar nicht zutrauen, ich würde dazu neigen zu vermuten: Seine Idee war es nicht). Stabil wirds dadurch aber nicht.

Aus Sicht des Protestwählers ist es kein schlechtes Wahlergebnis. Merkel ist massiv geschwächt und ihre Machtoptionen sind instabil. Wenn es heute einen großen Wahlverlierer gegeben hat, dann ist das nicht unbedingt Sankt Martin, der von vorneherein keine echte Chance hatte. Es ist Merkel, auch wenn das nicht so offenkundig ist. Sie trat an in einer Wahl, von der jeder wusste, dass sie sie nicht verlieren konnte. Aber der Sieg ist alles andere als wohlschmeckend und hat etwas vom alten Pyrrhus, der seinem letzten großen Sieg auch den verlorenen Krieg verdankte.

Eine kleine Bemerkung sei mir noch zu Denkzetteln gestattet: Die Wahl der AfD ist sicher eine Form von Denkzettel, den viele Bürger der Regierung zukommen liessen. Ich habe wenig Zweifel daran, dass eine Menge Wähler der AfD diese nicht wegen ihres Programmes oder ihres dollen Personals gewählt haben, sondern einfach um einen Denkzettel auszustellen. Das verstanden zu haben, geben derzeit Medien wie auch Politik permanent vor. Ich habe den Eindruck, dass sie überhaupt nichts verstanden haben. Denn nachdenken tut da irgendwie keiner. Da werden verhehlte Theorien geboren, die AfD werde von lauter Nazis gewählt (Stichwort "ostdeutsche Männer"), da wird die permanente Aufmerksamkeit in den Medien gescholten (ah ja, die permanenten Hetzartikel (sorry, das Wort passt), werden sicher viel geholfen haben), da wird von Fakenews ("russische Accounts") schwadroniert und weiss der Kuckuck was alles noch. Aber die simpelste aller Antworten, dass die AfD-Wähler ein Problem sehen, dass der politische wie mediale Mainstream fürchtet wie der Teufel das Weihwasser, die wird nicht einmal diskutiert. Das die Grenzöffnung 2015 eben kein humanitäres Gebot war, dass sie eben nicht richtig war, sondern eine katastrophale Fehlentscheidung mit bis dato nie dagewesenen Konsequenzen. Darüber nachzudenken (man muss es ja nicht teilen), das wäre eigentlich die Auffordungen aus einem Denkzettel. Aber Denken ist anstrengend. Sich als Bollwerk der Demokratie zu bezeichnen (auch wenn man meint nicht wählen sei besser als den Gegner), die anderen als Nazis zu denunzieren und permanent zu flöten, man habe schon alles richtig gemacht, das ist doch einfacher. Die AfD wäre mit einem gut beraten: Einfach die Klappe halten. So lange man niemanden von sich aus vergrault werden diese Experten der AfD nur mehr Wähler zuführen.
Das ist nicht unbedingt ein positiver Gedanke.

 
Llarian

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