Der
Verfasser dieser Zeilen dachte ursprünglich, zu Jens Spahns Äußerung über englisch sprechendes Gastronomiepersonal in Berlin nichts schreiben zu müssen.
Denn augenscheinlich war die öffentlichkeitswirksame Indignation des
Parlamentarischen Staatssekretärs nur der Aufhänger dafür, eine in der CDU
einstmals allgemein geteilte, nach zwölf Jahren Merkel-Kanzlerschaft jedoch als beschämend
konservativ geltende Ansicht über den kulturellen Wandel und das dagegen
bestehende Sicherheitsbedürfnis des einfachen Mannes in einem durch und durch
fadisierenden Wahlkampf zu platzieren. Vom politischen Kalkül her erinnerte das
alles ein bisschen an Wolfgang Thierses Schrippen-Kampanilismus.
Doch
man kann der Äußerung des Schäuble-Adlatus freilich auch einen über das
Erzielen von Publicity-Punkten hinausreichenden Zweck zubilligen. So meint
Andrea Hanna Hünniger auf ZEIT-Online,
Spahn wolle sich mithilfe seiner Attacke auf die alloglotte Hipster-Community ein neues
Feindbild dienstbar machen. Dies habe etwas mit einem „Rechtsruck“ zu tun, dessen
„Schwellenhüter […] die Konservativen“ seien. Sobald sich diese einer Koalition
mit den Unsäglichen öffneten, werde „der Ultranationalismus
mehrheitsfähig“. Im Fall des 37-jährigen Unionsmannes stellt die Autorin
„kontrafaktisch“ die Frage, ob dieser nicht den Pakt mit dem ideologischen
Teufel einginge, wenn im Gegenzug dafür das weiche Polster des
Regierungschefsessels winkte.
Zwar hält der Verfasser dieser Zeilen die zitierten Spekulationen für ein linkes Schauermärchen. Doch immerhin haben ihn Hünnigers Anmerkungen zu der Reflexion animiert, ob Spahns Einlassungen auch auf einer höheren Ebene Bedeutung zukommt. Und tatsächlich kann man die Wortspende des Abgeordneten des Wahlkreises 124 mit ein bisschen politesoterischer Phantasie als Symptom eines Unbehagens darüber begreifen, welche Bevölkerungskreise sich spätestens seit dem Herbst 2015 zur CDU hingezogen fühlen.
Es
ist ja kein Geheimnis, dass der Mutti der Nation seit dem Ausstieg aus der
Atomkraftwerke-Laufzeitverlängerung und der Öffnung der deutschen Grenzen für die
migrierende Weltgemeinschaft links schlagende Herzen zufliegen, die es noch vor
zehn Jahren nicht über sich gebracht hätten, den (nominell) Konservativen ihr
Kreuzerl zu schenken. Vor zwei Jahren brach in den Reihen der Künstler, Intellektuellen,
Journalisten und sonstigen Menschen, denen man zuhört, obwohl sie nichts
Relevantes zu sagen haben, ein regelrechter Merkel-Enthusiasmus aus. So wie das
Land im Sommer zuvor noch dem Super-Mario im Adlertrikot zugejubelt hatte, der unsere Jungs
endlich wieder auf den globalen Fußballthron gesetzt hatte, galt nun der
frenetische Applaus der Multiplikatoren-Kaste der Bundeskanzlerin, die uns alle
zu Moralweltmeistern machte.
Konservativ
eingestellten Wahlberechtigten stößt der Umstand, dass die CDU nunmehr in
grünen Gewässern fischt, zweifellos sauer auf. Und die bayerische
Schwesterpartei kann schon deshalb nicht scharf nach links abbiegen, weil es im
Freistaat auf dem betreffenden Feld einfach zu wenig Stimmvieh für die als
Selbstverständlichkeit erwartete absolute Mehrheit gibt. Auch die Geschichte
der SPD sollte bei den Unionsleuten die Alarmglocken schrillen lassen: Denn in dem
Maße, wie Künstler, Intellektuelle, Journalisten und sonstige Menschen, denen
man zuhört, obwohl sie nichts Relevantes zu sagen haben, die Alte Tante für ihre Zwecke kaperten, vergrämte diese ihre traditionelle Klientel und schwand
zu einer traurigen zweiten Geige im Konzert der Bundespolitik.
Noricus
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