Herzschlagmusik. Reggae. Auf Chinesisch. Es gibt nichts, was es nicht gibt.
謝天笑-風是外衣
Xie Tian Xiao, "Der Wind ist mein Mantel" (fēng shì wàiyī), vom Album 只有一個願望/zhǐyǒu yīgè yuànwàng (Ein einziger Wunsch), seinem dritten Album von 2008.
每個在我醒來的早上我總想每個人都一樣
細細的水流進了海洋誰的理想還是在閃閃發光
那風是外衣風是外衣一步能行萬里能在空中飄來飄去
風是外衣風是外衣我不停地問自己是不是已無法忘記
沒次在我憂傷的時候我總想遙望那西邊的太陽
悠悠的歲月也不會再倒流我明白這都是上天的安排
那風是外衣風是外衣一步能行萬里能在空中飄來飄去
風是外衣風是外衣我不停地問自己是不是已無法忘記
風是外衣
風是外衣風是外衣一步能行萬里能在空中飄來飄去
Jeden Morgen, wenn ich aufwache
Wünsche ich, das jeder dies wäre:
Ein Tröpfchen Wasser, ein Teil des funkelnden Ozeans.
Der Wind vor der Tür ist wie ein wehender Mantel
Ein einziger Schritt kann mich Meilen forttragen
der Wind ist mein Mantel.
Ich sag es mir immer wieder - ich werde das nicht vergessen.
Und wenn ich bedrückt bin, sehe ich nach Westen
In die sinkende Sonne, und ich weiß:
Dies ist eine göttliche Welt.
Der Wind ist ein Mantel, ein Mantel.
Er reicht Meilen hinauf - der Wind ist mein Mantel
Es gab eine Zeit, in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als Reggae, der pulsierende, pumpend-gegenläufig synkopierte Rhythmus, zu so etwas wie einem Urlaubssoundtrack wurde: ein akustisches Symbol für Sand, Sonne, und eine durch preisgünstige Karibikurlaube geförderte Dritte-Welt-Harmonie. Das stand oft im krassen Gegensatz zu dem vehementen politischen Aufbegehren vieler jamaikanischer Musiker, ihrer Abgrenzung von allen - wirklichen oder vermeintlichen - "weißen" Bevormundungen, und den Beschwörungen und Versprechungen des Rastafarianismus, jener spezifisch jamaikanischen Erlösungssekte, die im Gefolge des irrlichternden Erlösungspredigers Marcus Garvey im letzten christlichen Kaiser Äthiopiens, Haile Selassie, die Wiederkehr des Messias sah, der die schwarze Bevölkerung der Karibik ins gelobte Land führen würde. (In diesem Sinn sind die Beschwörungen und Identifikationen mit den "Israelites", die Zitate aus den Psalmen in so vielen Songtexten zu verstehen: hier sehen sich die Texter und die von ihnen Besungenen als das auserwählte Volk). Mit dem Tod Bob Marleys 1981 ist dieser Strang verblaßt; seitdem hat auch der Ruf Jamaikas als neuer musikalischer Impulsgeber, als Symbol einer kulturellen Synthese, an Sog verloren. Das mag nicht zuletzt der Ausweitung des musikalischen Fokus im Zuge der "Weltmusik" geschuldet sein: etwa zu jener Zeit kommt auch die Rezipierung vieler afrikanischer wie brasilianischer Musiker als persönliche Künstler zum Tragen, deren Oeuvre einen individuellen Rang besitzt und nicht mehr auf die Rolle des "exotischen Tupfens" im gewohnten akustischen Allerlei reduziert ist - wie es etwa Mitte der sechziger Jahre Astrud Gilbertos "A garota di Ipamena" (1963) oder Miriam Makebas "Piti Pata" (1967) widerfahren ist.
Geblieben ist ein Rhythmus, der, selten genug, aber doch gelegentlich, aufgegriffen wird: ein sofort erkennbares Signum im universellen Repertoire der Populärmusik. Eine hübsche Ironie liegt darin, daß die Bands, die sich im 21. Jahrhundert dafür entschieden haben und dies ohne Peinlichkeit, sondern organisch benutzen, nicht aus Jamaika stammen, ja, nicht einmal schwarz sind: etwa Black Dub aus Neuseeland oder die wohl beste derzeitige Reggae-Combo überhaupt: Hjálmar aus Island. Und eben auch Xie Tian Xiao auf drei Stücken auf seinem dritten Album aus dem Jahr 2008, das deswegen von der Kritik auch als "erstes Reggae-Album Chinas" eingestuft wurde.
Ob Xie Tian Xiao einer "der großen Rockstars" der chinesischen Populärmusik ist, läßt sich, naturgemäß, schwer objektiv entscheiden. Einer der bekanntesten ist er jedenfalls. 1972 in der Kleinstadt Zibo in der Provinz Shandong geboren, hatte er mit 9 Jahren erste Bühnenerfahrung in Beijing in einer Kinderoperproduktion, einer Adaptation der "Reise nach Westen", in der er den Affenkönig Wu Sukong spielte. 1994 gründete er seine erste Band, 出家的猎人, Chūjiā de lièrén (Mönchsjäger), drei Jahre später seine jetzige Combo, 冷血动物, Lěngxuè dòngwù ("Die Kaltblüter") - ein ironischer Name, da der frühe Stil der Band ganz dem Erbe Kurt Cobains und des Grunge verpflichtet war: wilden Verzerrungen flächig übersteuerter Gitarren und exaltierter, fast hysterisch wirkender Gestik. Die erste CD, 2000 veröffentlicht, trug den Namen der Gruppe; die zweite, fünf Jahre später erschienen, hatte als Titel die lateinschriftlichen Initialen "XTX". Damit änderte sich auch die Stilrichtung: hin zu einprägsamen Melodien, und zur Einbeziehung "chinesischerer" Elemente. Seitdem ist es eins der Kennzeichen der Liveauftritte Xies geworden, neben der elektrischen Gitarre die Guzheng zu spielen, die traditionelle Wölbzither, die in der klassischen Variante 15 und in ihren heutigen Bauarten zumeist 21 Saiten besitzt. Seitdem sind zwei weitere Alben erschienen: zum einen eben 只有一個願望, 2008 und als letztes 2013 幻觉/huànjué (Illusion).
Der melodietragende Klang der Guzheng läßt sich deutlich in einem anderen Reggae-Stück von 2008 erkennen: "Ebbe und Flut"/潮起潮落 (cháo qǐ cháo luò):
Oder auch in diesem Konzert-Livemitschnitt von 2009: 再次来临, Zàicì láilín ("Komm noch einmal"), der allerdings auch die stimmlichen Grenzen des Künstlers deutlich macht.
Daß die Guzheng (die "alte" oder "klassische",古, Zither, 箏) durchaus ihren Stellenwert in dieser Art von Musik hat, dazu als letzten Beleg 不会改变, Bù huì gǎibiàn (Was sich nicht ändert) als rein-akustische, neudeutsch: unplugged, Version:
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PS. Daß man es auch am anderen Ende der Welt, in Island, versteht, to lay down a groove, dafür möge dieser Studioauftritt der oben genannten isländischen Combo Hjálmar von 2011 stehen:
U.E.
© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.