Der Protokollant ist sich bewußt, daß es - jedenfalls in diesem Netztagebuch - ungern gesehen ist, ein Fundstück, einen fremden Beitrag, oder längere Zitatpassagen als bloße Trouvaille, ohne Beigabe eigener Reflexion, zu präsentieren. Er gibt freilich freimütig zu, dieser Unsitte gelegentlich zu frönen, da er den Lesern dieses Blogs die Gabe der Einschätzung des Präsentierten zutraut. Zudem eignet sich nicht jede Manifestation des Zeitgeistes, schon gar nicht ein entrüstetes Basta!, als Startposition analytischen Kür- wie Schaulaufens. Und es gibt Momente, wo einem, gemäß der sprachlichen Prägung des Volksmundes, die Spucke wegbleibt.
So in diesem Artikel, der am 23. März 1991 in den Aachener Nachrichten erschien und in dem der späteren EU-Parlamentspräsident, jetzige SPD-Kanzlerkandidat und damalige Bürgermeister der Stadt Würselen angesichts der Flüchtlingskrise Anfang der 1990er Jahre klare Stellung bezieht. Zur Erinnerung: in den letzten Jahren der deutschen Teilung betrug die Zahl der Asylbewerber pro Jahr im Mittel 120.000, stieg im Jahr der Wiedervereinigung auf 190.000, 1991 auf fast 260.000, nicht zuletzt als Folge des Krieges im zerfallenen Jugoslawien, und erreichte 1992 einen Spitzenwert von fast 440.000 - was im Jahr darauf zu einer Neufassung der Asylgesetzgebung und zu den entsprechenden Regelungen im Maastricht-Vertrag führte.
"Das Ende der Fahnenstange ist erreicht. Die Stadt ist nicht in der Lage, auch nur einen weiteren Bewerber aufzunehmen,"
heißt es da. Und weiter:
Mißbrauch des Grundrechts auf Asyl lasse sich beweisen. "Wenn wir so etwas schleifen lassen, öffnen wir Schlepperorganisationen Tür und Tor", befürchtet Schulz. Einer Aushöhlung des begründeten Rechts will er jedoch einen Riegel vorschieben. Nicht zuletzt um jene Menschen, die wegen tatsächlicher Verfolgung Schutz suchen, nicht zu gefährden. "Gerade in Afrika erscheint die Bundesrepublik als das Gelobte Land. Die Konsequenzen einer solchen Falschdarstellung des sozialen Bildes haben die Kommunen auszubaden."
Es hat schon seinen eigenen Reiz, solche Worte und die trotzige Ankündigung "zivilen Ungehorsams" gegen die Zumutungen der Staats- und Europapolitik aus dem Mund von EU-Apparatschiks zu hören, die heute den osteuropäischen Staaten, die sich weigern, die Folgen der wahnsinnigen Asylpolitik der deutschen Kanzlerin mitzutragen, unverhohlen mit Sanktionen oder gar Ausschluß aus der EU drohen. Als Fazit bleibt der keineswegs originelle Rekurs auf Karl Kraus: Zu Herrn Schulz fällt mir nichts (mehr) ein.
U.E.
© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.