5. Juni 2017

齊豫 - 菊嘆 (1983)

Die Wochenenden immer den Künsten!



齊豫 - 菊嘆

所有的等待 只為金線菊
微笑著在寒夜裡 徐徐綻放
像林中的落葉 輕輕飄下
那種招呼 美如水聲
又微帶些風的怨嗔
讓人從蕨類咬住的小徑
驚見澄黃的月光
還有 傍晚樵夫遺下的柴枝
冷冷鬱結著的 褪了色的幽淒

所有的等待 只為金線菊
微笑著在寒夜裡 徐徐綻放
像林中的落葉 輕輕飄下
那種招呼 美如水聲
又微帶些風的怨嗔
讓人從蕨類咬住的小徑
驚見澄黃的月光
還有 傍晚樵夫遺下的柴枝
冷冷鬱結著的 褪了色的幽淒

走過總是垂髮低頭
故意是裝不來的 林外的溪水
緊緊攀著草葉的幾滴淚
此刻 在風中瓦解了
妳問我浮萍的邏輯
啊 ..... 那就是吧
露珠向大地 沉墜的輕喟
而菊 尤其金線菊 是耐於等待的
寒冬過了就是春天 

我用一生來等妳的展顏
我用一生來等妳的展顏
我用一生來等妳的展顏



Chyi Yu - "Chrysantheme" (jú tàn)
(von ihrem dritten Album, 你是我所有的回憶 / nǐ shì wǒ suǒyǒu de huíyì/Du bist all meine Erinnerungen, von 1983. Melodie: Lee Tai-hsiang, der Text ist ein Gedicht von Xiang Yang.)

Warten - darauf, daß die goldenen Chrysanthemen
Wie ein Lächeln sich langsam in der kalten Nacht öffnen
Langsam fallen wie die Blätter im Wald
Ein Gruß, schön wie das Rauschen des Wassers
Und mit leichtem Zorn - so wie der Wind.
Man geht durch die Pfade im Unterholz
Verstört durch das helle gelbe Mondlicht
Und tritt im wachsenden Dunkel des Abends
Auf die Äste, die die Holzfäller zurückgelassen haben:
Die kalte Erstarrung, dunkel verblichen und öde.
wie mit hängendem Kopf und aufgelassenem Haar
Die immer so tun will, als sei sie nicht da.
Neben dem Waldbach ein paar Tautränen
an die Grashalme geklammert
und jetzt vom Wind fortgeweht.
Du hast gefragt, wie die Wasserlinsen
das Leben sehen. Hier siehst du es:
Der Tau versickert, langsam, in der Erde.
Die Chrysantheme, die goldene Chrysantheme
bleibt bestehen und wartet.
Nach dem kalten Winter kommt der Frühling.

Ich werde warten, mein ganzes Leben lang
auf deine Vollkommenheit
Ich habe ein ganzes Leben, um darauf zu warten
daß du deine vollendete Farbe zeigst.
Mir bleibt ein ganzes Leben, zu warten
daß du deine Farbe entfaltest.

(我用一生來等妳的展顏
Wǒ yòng yīshēng lái děng nǎi de zhǎn yán)

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Manchmal gibt es Musik, die eigentlich gar keiner Erläuterung bedarf, bei der es vollkommen ausreicht, sie anzuspielen, sich einfach auf den Klang einzulassen. Auch ohne ein Wort zu verstehen. Bei den Liedern der taiwanesischen Musikerin Chyi Yu, am 17. Oktober 1957 in Taichung an der Westküste der Insel geboren, ist das der Fall. Seit ihrem Debut von 1979, 橄欖樹  (gǎnlǎn shù - Der Olivenbaum) zeichnen sich auch ihre auf Mandarin aufgenommenen Stücke durch eine bruchlose Synthese westlicher wie chinesischer musikalischer Idiome aus, die so allem widersprechen, was man sich als westlicher Pop-Hörer unter den Klischees "chinesischer" Musik im allgemeinen vorzustellen pflegt. (Das gilt freilich nicht nur in ihrem Fall. Zurückzuführen ist diese Erwartungshaltung sicher auf die musikalische Untermalung so vieler Filme - nicht zuletzt auch solcher aus ostasiatischer Produktion - die dem Zuschauer als Signum und Leitmotiv "typisch ostasiatischen" Flairs unmelodiöse Arpeggios auf der traditionellen pentatonischen Skala mit den sägenden Klängen aus Pipa-Flöte oder Erhu, der zweisaitigen Röhrenspießlaute, im schrillen Diskant zwei oder drei Oktaven jenseits des Schlüssel-A, präsentieren.) Man kann durchaus bedauern, daß Chyi Yu seit ihrem sechsten Album, Stories, von 1987, den Großteil ihres darauffolgenden Oeuvres auf Englisch aufgenommen hat: acht Platten bis zu ihrer vorerst letzten Aufnahme, dem Weihnachtsalbum Over the Cloud, von 2011 (die Unsitte auch so vieler amerikanischer Künstler zwischen gefühlt 1990 und 2010, die im Bereich Singer-Songwriter unterwegs waren oder sind, ihre Karriere mit Einspielungen mehr oder weniger traditioneller Christmas carols zu begraben, scheint allerdings ein Ding der Vergangenheit zu sein)  - und zwar in aller Regel Coverversionen - von Suzanne Vegas "Gypsy", Stephen Sondheims "Send in the Clowns" bis zu Pete Seegers "We Shall Overcome" (und, der Chronist bittet um pflichtschuldiges Zusammenzucken, "Like a Hero" von einem gewissen Dieter Bohlen). Eine Ausnahme bilden vier zwischen 2004 und 2006 erschienene Alben mit buddhistischen Gesängen - Chyi Yu ist praktizierende Buddhistin. Ihre Stimme und ihre Koloratur rettet auch überständige Immergrüns - aber es fehlt der entscheidende Faktor des Originären, des Eigenen.

Die meisten Stücke auf Chyi Yus Alben bis 1988 wurden von Li Tai-hsiang (1941-2014) komponiert; eine selten geglückte Kombination aus musikalischem Mentor und Schülerin (die meisten solchen Ergänzungen ergeben sich überall auf der Welt aus Begegnungen zwischen Generationsgenossen; das war schon zu Zeiten von Händel und Schikaneder der Fall und dürfte es für die kommenden Jahrhunderte bleiben), das Titelstück ihres Debutalbums gehört bis heute zu seinen bekanntesten. Dahinter verbirgt sich freilich - warum sollte bis im Bereich der Populärkultur auch anders sein als in anderen Bereichen der menschlichen Kreativität? - ein tragischer Schatten. Li litt in den letzten 25 Jahren an den Symptomen der Parkinsonschen Krankheit, jenem entsetzlichen Verlust des eigenen Körpers; der Text des "Olivenbaums" stammt, wie etwa ein gutes Drittel des chinesischen Textvorlagen Chyi Yus, von 三毛, "Sanmao", dem Pseudonym der vom chinesischen Festland stammenden Autorin Chen Mao Ping (1943-1991). Ping entfloh dem, was sie als provinzielle Enge der Insel empfand, nach Europa, genauer: nach Spanien (nach einem zwischengeschalteten Studium der Germanistik in München) und heiratete dort. Ihr erstes Buch war ein autobiographischer Bericht über ihr Leben in der Westsahara. Ihr Mann, José, den sie 1973 heiratete, ertrank sechs Jahre später bei einem Freitauchversuch. Ping selber, die nach ihrer Rückkehr nach Taiwan als eine der wichtigsten Lyrikerinnen ihrer Generation galt, setzte ihrem Leben mit 47 Jahre ein Ende, einen Tag, nachdem sie eine Brustkrebsdiagnose erhalten hatte. (Die literarische Szene Taiwans der letzten Jahrzehnte scheint geprägt von solchen tragischen Fällen. Vielleicht schreibe ich noch einmal etwas zum Fall von Li Yi, deren Schicksal in diesem Frühling, zwei Monate nach der Veröffentlichung ihres autobiographischen ersten und jetzt einzigen Romans, nicht nur in Taiwan, sondern auch auch dem Festland schockartig das Interesse am literarischen Tagesgeschehen überschattete.) 



(Li Tai-hsiang. Bildquelle: Wikipedia.zh)

Unberührt von solchen Schatten bleiben natürlich die Werke - obschon es unter den Auspizien der Kunstreligion die Tendenz gibt, hier durch die Bilanz der abschließenden Lebensumstände ein fahles Licht auf die davon unberührten Kreationen fallen zu lassen: das ist bei Kleist nicht anders als etwa bei Keats. Gerade aber im Bereich der Populärmusik, wo seit den Exzessen etwa eines Charlie Parker oder dem ungeschickten Hantieren eines Hank Williams mit einer Schusswaffe der zeitige Abgang von der irdischen Bühne nachgerade zum Ausweis für die Gültigkeit des Werkes geworden ist - man kann darin die Kulmination der romantischen Kunstauffassung sehen; man muß aber nicht - sollte man davon absehen. (Nebenbei scheint auch dieser Trend ein memetisches Auslaufmodell: David Bowies nachgelassenes Album scheint nicht zur Coda seiner künstlerischen Existenz geworden zu sein. Vielleicht war er dafür einfach zu viele Jahrzehnte lang 27 Jahre alt.)

Zum Einlassen auf den Klang abschließend noch ein paar Beispiele:

Das Titelstück ihres zweiten Albums, 祝福 - zhùfú/Segen, 1982:



(Ohne jetzt den Text zu übersetzen: "mei guei" ist die Rose.)


答案da'an"Die Antwort", das vierte Stück von ihrem ersten Album von 1979.



今年的湖畔会很冷 - jīnnián de húpàn huì hěn lěng/Der See wird dieses Jahr sehr kalt sein (1983) - ein Stück, das ein Jahr später zur Titelmusik und zur Inspiration eines atmosphärisch sehr gelungenen Low-Budget-Films von Ye Jingan mit Joey Wang und Huang Jonghong wurde, in dem ein Photograph unter den tödlichen Bann des Geistes eines jungen Mädchens gerät, das vor Jahren in einem abgelegenen See ertrunken ist (wie es sich für chinesische Gespenster gehört, weiß sie nicht um die Tatsache ihres Revenantentums - in solchen Geschichten erfolgt die dramatische Zuspitzung des Spannungsbogens auf den Moment, wenn dem Geist, unabsichtlich durch das Zutun des Menschen, dem sie geheimnisvoll und lockend erscheint, dieses bewusst wird und er oder sie oder es zum elementaren Dämon wird).

Und, hier bei einem Liveauftritt aus dem Jahr Jahr 2002: 最愛, Zuì'ài - Favorit:




Ulrich Elkmann

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