23. März 2017

Marginalie: Mal wieder die Lückenpresse

Das Thema Lückenpresse (und artverwandte Wörter) ist ja nun schon öfter öffentliches Thema gewesen, zuletzt besonders nach dem Mord von Freiburg, aber auch insbesondere nach dem Kesseltreiben von Köln 2015, bei dem sich die Presse nicht nur alle Mühe gab, den Vorfall zu ignorieren, als auch möglichst lange den Hintergrund zu verschweigen. Wir alle wissen wie das ausgegangen ist, und auch wenn sich die Medien mühen zu betonen, dass die meisten Deutschen ihnen immer noch glauben, so dürfte die Glaubwürdigkeit der selben mit den Vorgängen zu Silvester und zu Freiburg schon deutlich eingebeult worden sein.


Eine Wunde, in die man ja auch allzu oft den Finger legen kann, ist der in der Beziehung auch vergleichsweise ehrliche "Pressekodex". Dieser schrieb bis dato in Richtlinie 12.1:
„In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“
Es wurde gerade nach Köln doch recht massive Kritik an diesen Formulierungen laut, weil selbst der dümmste Bürger da raus lesen kann, dass ihm oftmals bestimmte Informationen vorenthalten werden sollen. Daher hat der deutsche Presserat nun nachgeschlimmert und formuliert nun neu:
„In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“
Machen wir es kurz: Das ist nicht die Präzisierung, als die der Presserat das Ganze verkaufen will, das ist eine Erweiterung. Denn wo vorher nur der "begründete Sachbezug" gefordert wurde, soll in Zukunft eine Zeitung darüber entscheiden, dass eine Aussage nicht diskriminierend verwendet werden kann und gleichzeitig noch das öffentliche Interesse beurteilen. Was mit aller Sicherheit nahezu nie gelingen dürfte, denn schon alleine das Verhalten einer jeden Person kann nahezu immer verallgemeinernd benutzt werden. Man könnte die "neue" Richtlinie auch übersetzen mit: Es wird nicht erwähnt. Punkt.
Nun mag das der politische Standpunkt des deutschen Presserates sein. Ob solche Regeln allerdings dazu geeignet sind das Vertrauen in die Presse wiederherzustellen oder auch nur zu erhalten, wage ich zu bezweifeln. Man könnte auch sagen: Die Presse schafft sich ab. Und da sie im Unterschied zur GEZ-Kamorra nicht an öffentlichen Gelder hängen und die Lex-Google auch nicht funktioniert hat, sägen sie gerade an ihrem eigenen Ast. Fröhlichen Absturz bleibt zu wünschen.

Am Rande sei noch die Frage vermerkt, wie man wohl in Zukunft mit den Minderheiten umzugehen gedenkt, die nicht unter dem Schutz des politisch korrekten stehen. Denn auch das Verhalten von Reichsbürgern (um mal ein Beispiel rauszugreifen) ist zunächst individuell und ein Erwähnen das ein Straftäter zu einer solchen Minderheit gehört dürfte durchaus (einen ja durchaus beabsichtigten) Diskriminierungscharacter haben. Und ein öffentliches Interesse dürfte kaum darzustellen sein. Einen begründbaren Sachbezug würde ich wohl sehen (jemand neigt zu Straftaten, weil er zu einer Vereinigung von ... sagen wir mal Menschen mit seltsamer Rechtsauffassung gehört). Aber ich bin irgendwie sicher, das wird dann doch nicht das Problem. In einem solchen Fall kann man sich ja damit begnügen, dass die Richtlinien eben nur Richtlinien sind. Ein Schelm wer sich etwas dabei dächte.

PS. Es lohnt sich, einmal kurz darüber nachzudenken, ob unter diesem Licht die Herkunft von Anris Amri überhaupt erwähnt werden dürfte. Denn zweifellos ist diese Information durchaus verallgemeinerbar und ein öffentliches Interesse darüber informiert zu werden, dürfte man auch nur schwer formulieren können. In der Version des deutschen Presserates fuhr also ein "Jugendlicher" aus unbekannten Motiven einen LKW in einen Weihnachtsmarkt.
Llarian

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