27. Dezember 2016

Satyrs Saitenspiel: Die beste aller möglichen Regierungen

Berlin ist eine weltoffene, tolerante und bunte Stadt. Damit dies so bleibt, haben ihre Bewohner richtig gewählt und sich mit einer rot-rot-grünen Koalition (im coolen Journo-Newspeak: R2G) im Senat beschenkt. Die neuen Besen kehren bereits sehr gut.
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Der in einfacher Sprache gehaltene Koalitionsvertrag informiert die Bürger, Verzeihung: Bürger*innen der Spreemetropole in maximaler Transparenz über das Glück, das ihnen in den nächsten fünf Jahren in Form von Basiskorrekturtatbeständen widerfahren wird. Aus dem Lager des politischen Gegners verlautet freilich, dass das Papier die Google-Übersetzung einer chinesischen Gebrauchsanweisung für eine bluetoothgesteuerte LED-Taschenlampe wiedergibt und von dem nach Mindestlohn bezahlten Praktikanten, der die eigentliche Regierungsvereinbarung zum PDF-Dokument umwandeln sollte, vertauscht wurde. Dies ist freilich eine dreiste Lüge, der von allen demokratischen Kräften entschieden mit Haltung und Anstand zu begegnen ist und die als postfaktische Fake-News unter Strafe gestellt werden sollte.

Bei der Auswahl des Personals beweist die neue Koalition besondere Umsicht: Da ist zum einen der Bau-Staatssekretär Andrej Holm, der dem kapitalistischen Klassenfeind schon einmal im Voraus die Warnung mitgibt, dass "in Berlin zu investieren heißt, ein Risiko einzugehen" und der die Milieuschutzgebiete vor der Heimsuchung durch Gentrifizierungsheuschrecken bewahren möchte. Mit Kleingedrucktem hält sich Holm nicht lange auf. Woher sollte er denn auch wissen, dass seine Tätigkeit bei der Stasi eine hauptamtliche war? Es dürfte doch auch den Besserwessis hinlänglich bekannt sein, dass die Firma Horch und Guck ein sehr geheimer Geheimdienst und so konspirativ war, dass er sogar seine hauptberuflichen Mitarbeiter über die Natur ihres Dienstverhältnisses im Unklaren ließ.

Zum anderen ist da Sawsan Chebli, die es trotz der strukturellen Islamophobie in Deutschland (sie verzichtet auf das religiös gebotene Kopftuch, um ihre politische Karriere nicht zu beeinträchtigen) in das Auswärtige Amt geschafft hat, als dessen Sprecherin sie sich durch stets flüssigen Vortrag und ihren unerschütterlich charmanten Umgang mit den Provokateuren von der Presse für höhere Aufgaben, nämlich einen Staatssekretärsposten im Berliner Senat, empfahl. Die alte Wahrheit, wonach derjenige, der Parteifreunde hat, keine Feinde mehr braucht, bestätigt sich im Falle der 38-Jährigen aufs Vortrefflichste, denn es sind Genoss*innen, welche Steinmeiers einstiger Mediendame eine bedenkliche Einstellung zur angeblichen Kompatibilität der Scharia mit dem Grundgesetz attestieren. Dabei hat Chebli völlig Recht: Von einem Vorgänger im zukünftigen Amt ihres Ex-Chefs wurde bekanntlich mit ewiger Gültigkeit dekretiert, dass der Islam zu Deutschland gehöre.

Inhaltlich packt die neue Senatsbesetzung den Stier bei den Hörnern, indem sie das für die innere Sicherheit in Berlin sinnfällig drängende Problem des Extremismus in Angriff nimmt. Sie verstehen schon: des Extremismus. Denn wie das Attentat auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, die Tretattacke in der U-Bahn und der Anschlag auf einen Obdachlosen völlig unmissverständlich klargemacht haben, geht vom Rechtsterrorismus und von rechter Gewalt derzeit die größte Gefahr für Leib und Leben der Menschen in der Bundeshauptstadt aus.

Berlin ist mit seiner Regierung auf dem richtigen (nicht dem rechten) Weg. Das passt natürlich nicht jedem. In der Springer-Presse wird, wie könnte es anders sein, gegen R2G Stimmung gemacht. Dem ist entschieden zu widersprechen: Berlin, du hast es gut. Der Verfasser dieser Zeilen muss dagegen in Bayern, dem Armenhaus der Republik, wo man nicht einmal Flughäfen zu bauen weiß, ausharren und kann nur hoffen, dass im Herbst 2017 endlich zusammenwächst, was zusammengehört, und sich SPD, Grüne und Linke auch im Bund zum Nutzen und Frommen des Landes vereinen.

Noricus

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