2. Juni 2016

Meckerecke: Der unglaublich schlechte Journalismus des Joachim Müller-Jung

Der wohl schlechteste Artikel, den ich im laufenden Jahr 2016 zu lesen bekommen habe, ist momentan unter dem Titel "Der unglaubliche Eiertanz der Meteorologen" auf faz.net zu bestaunen. Hier beschwert sich Joachim Müller-Jung, immerhin Feuilleton-Ressortchef für die Themen Natur und Wissenschaft, ausführlich und reich an Redundanzen darüber, daß Wissenschaftler sich weigerten, anläßlich der gegenwärtigen Unwetter mit Schwerpunkt in Süddeutschland, diese ohne wenn und aber als Ausdruck des Klimawandels zu bezeichnen, sowie darüber, daß man in Forscherkreisen überhaupt noch beispielsweise zwischen Wetter und Klima unterscheide, was für Müller-Jung lediglich eine "akademische Spitzfindigkeit" darstellt.
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Der gesamte Tenor des Textes besteht aus einem einzigen Frontalangriff gegenüber wissenschaftlichem Arbeiten in der Klimaforschung, gegen das kritische Abwägen von Schlussfolgerungen; gegen die Vorsicht im Gebrauch von Begriffen, (als wäre die gegenwärtige Klimaforschung hier je besonders vorbildlich gewesen); mithin gegen alles, was seriöses wissenschaftliches Arbeiten ausmacht. Dabei scheint er seinerseits, gleichsam projektiv, sein eigenes Unvermögen oder seinen Unwillen, einen wissenschaftlichen Kontext als solchen zu behandeln, den Meteorologen zu unterstellen:
Deshalb wirkt jede Rede über die empirische Unmöglichkeit (...) dieses oder jenes Hagelgewitter tatsächlich dem Klimawandel zuzuschreiben wie ein wohlfeiles, ja hochnotpeinliches Rückzugsgefecht der Überkorrekten.
Das ist insofern bemerkenswert, als man Klimawissenschaftlern sicher manches vorwerfen kann, aber keinesfalls einen Mangel an politischem Aktivismus. Aber so muß man die Einlassung von Müller-Jung wohl tatsächlich verstehen: ein Journalist, der eigentlich ein Aktivist ist und dazu bereit, basalste journalistische Grundsätze über Bord zu werfen, wenn es um seine, um die "gute" Sache geht, fordert von Forschern, es ihm gleichzutun. Hybris, dein Name sei Feuilleton:
Wie lange sollen sich Meteorologen, die wie kaum eine zweite Forschergilde öffentlich Gehör finden, hinter einem ominösen statistischen Rauschen verstecken, nur weil sie das Offenkundige -den beschleunigten Klimawandel- als politische Korrektheit und deswegen als unangemessene wissenschaftliche Interpretation betrachten?
Mit Belegen für die steile These, daß die statistische Absicherung von Aussagen zur Klimafrage ein Ausdruck politischer Korrektheit sei, hält sich der Autor im weiteren freilich nicht auf. Mehr noch, die Verwendung wissenschaftlich korrekter Sprache (nach Müller-Jung "verquaste klimatologische Sprachregularien") schüre nur das "Gedeihen antiwissenschaftlicher Ressentiments", was nun seinerseits derart verquast erscheint, daß es wohl nur noch durch einen Rekurs auf "Rechtspopulismus" zu steigern wäre. Und siehe da, auch dies gelingt Müller-Jung mit Verve, indem er abschließend die Schleife hin zur AfD und zu Donald Trump zu drehen versteht, was wohl heißen soll, daß wissenschaftliche Gründlichkeit im Zusammenhang mit der Klimafrage den Rechtsextremismus schüre.

In diesem Artikel befindet sich, wie in einem Brennglas, alles, was die Klimadebatte so unleidlich erscheinen läßt. Aktivisten und ideologische Verkünder "letztgültiger Wahrheiten" befinden sich in Personalunion mit jenen, die sich qua Profession eigentlich um kritische Aufklärung bemühen müßten, eben Journalisten und Forscher. Wissenschaft wird, wie dieser Text eindrücklich belegt, immer schamloser einer politischen Agenda untergeordnet, vom alarmistischen Grundton abweichende Befunde werden bestenfalls ignoriert, zunehmend jedoch offensiv bekämpft; und der Kampf um die Deutungshoheit über die Sprache, nun auch über die wissenschaftliche, ist voll entbrannt. Spätestens hier machen sich orwelleske Assoziationen breit; hat doch der, der die Macht über die Sprache erlangt, am Ende auch die Macht über das Denken, ja über die Menschen selbst.


Andreas Döding


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