17. Januar 2016

Kurioses, kurz kommentiert: Unworte

Seit wann wird der Begriff Stammtisch eigentlich in seiner heute gängigen, verächtlich gemeinten Bedeutung gebraucht? Ich weiß es nicht. Der rhetorische Kniff dabei ist ja ebenso simpel wie durchsichtig. Über die semantische Gleichsetzung von "einfaches Volk" mit "rechter Pöbel" sollen Argumente diskreditiert werden, um sich nicht mit ihnen auseinandersetzen zu müssen. Bei Licht betrachtet demaskiert der Begriff jedoch vor allem eine elitäre Volksverachtung, die sich häufig vor allem diejenigen erlauben, die sich sonst gerne wahlweise als Anwälte der "einfachen Leute", "des Volkes" oder auch "der Arbeiter" gerieren, mithin feinstes Orwellsches Doppeldenk betreiben. 
Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff des Populismus. Auch hier trieft die elitäre Arroganz aus jedem der verwendeten Buchstaben. Das Volk, von dem es im Artikel 20 des Grundgesetzes heißt, dass alle Staatsgewalt von ihm ausgehe, der Souverän, wird begrifflich zum tumben Pöbel, dem man nicht "aufs Maul schauen" solle und dürfe. 
Aber damit nicht genug. Wer "Populismus" ruft, nennt oft im gleichen Atemzug den Begriff des Rattenfängers, womit die Grenze zum faschistoiden Sprachgebrauch endgültig überschritten ist. Die implizite Bezeichnung von Menschen (z. B. AfD-Wähler oder Leser des ersten Buches von Thilo Sarrazin) als Ratten, als Ungeziefer: ein ideologisch-begrifflicher Kern des Nationalsozialismus. 

Das all denen ins Stammbuch, die bei anderen stets auf das penibelste auf die Einhaltung von Sprachregelungen drängen und bereits beim Lindgrenschen Negerkönig wahlweise Rassismus oder aber Unwort rufen: den Gutmenschen.


Andreas Döding


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