19. Oktober 2014

Die Marktwächter


Am 12. Juni 2013 lehnte der Bundestag mit der Stimmenmehrheit von Union und FDP die Einführung von Marktwächtern ab.
"Die Marktwirtschaft ist nicht aus dem Lot geraten", war die Antwort von Ralph Brinkhaus auf den Antrag von SPD/Grünen/Die Linke. Er bezweifelte, dass die Verbraucherzentralen, die diese Überwachung bereitstellen sollten, den Markt objektiv beurteilen können.
Abgesehen von der immer dreister werdenden Vereinnahmung der Konsumenten  durch die sogenannten Verbraucherschützer, könnten die Pläne auch als eine Bevormundung des selbstverantwortlichen Bürgers gesehen werden. Aber angeblich wurden die Bürger ja befragt, dazu später mehr.
Allerdings nicht danach, ob sie nicht vielleicht ein höheres Risiko für eine größere Handlungsfreiheit gerne bereit wären in Kauf zu nehmen.

Das ist nun alles Schnee von gestern.
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Irgendetwas muss sich geändert haben. 
Ist die Marktwirtschaft doch mal wieder aus dem Lot geraten? Verwundern würde es mich ja nicht gerade angesichts der zunehmenden Ausbreitung  von Planwirtschaft in Deutschland. Wie sagte kürzlich mein geschätzter Kollege Ulrich Elkmann so schön im Zusammenhang mit der Forderung einer Berliner Denkfabrik (die heißen wirklich so) nach einem Hartz IV für Ökostromer?
"Gegen das Scheitern des Sozialismus hilft nur noch mehr Sozialismus" 
Oder interessiert die Union mal wieder nicht ihr Geschwätz von gestern? Genauer: vom Sommer vor der letzten Bundestagswahl.

Jedenfalls braucht Deutschland jetzt Marktwächter. Und es bekommt sie auch.

Die Bundesregierung teilte am 17.10.14 über ihre Pressestelle mit, dass ab 2015 sogenannte Marktwächter den Finanzmarkt und die digitalen Märkte beobachten und analysieren.
"Sie sollen vor allem Fehlentwicklungen frühzeitig aufdecken, die Politik darauf aufmerksam machen und Handlungsempfehlungen erarbeiten. Ziel ist, mit den gewonnenen Informationen die Verbraucherinnen und Verbraucher besser zu schützen."
Mit den Verbraucherzentralen werden damit Böcke zu Gärtnern gemacht; in einer Marktlandschaft die vor lauter Kontrolle und Beschneidung nicht mehr zum Wachsen kommt.
Diese Verbraucherschützer treten u.a. für die Rekommunalisierung, also die Verstaatlichung, der Energienetze und die Etablierung "echter" Stadtwerke ein. Eigentlich stellt sich die Frage, wofür sich die Verbraucherzentralen nicht zuständig fühlen. Vielleicht sollte man "froh" sein, dass vorerst nur der Finanzmarkt und der digitale Markt den Wächtern als Spielwiese übergeben wurde.

Die neuen Marktwächter stellen ein weiteres Kapitel in dem Spiel der Politik über die Bande dar. Diesmal heißt sie nicht EU, sondern "Verbraucherschutz", so wie zum Start der Energiewende.
Die Verbraucherschutzzentralen sind zwar nur Vereine, aber sie finanzieren sich aufgrund ihres staatlichen Auftrages hauptsächlich über Steuermittel. Was sie nicht daran hindert, die Bürger die tatsächlich mal was von ihnen wollen, wie zum Beispiel gewünschte Informationen, ordentlich abzukassieren.
Gerade bei Angelegenheiten, bei denen es um relativ geringe Beträge bis ca. 300 EUR geht, liegen die Beratungskosten bei der Verbraucherzentrale unter Umständen über den Gebühren von Rechtsanwälten und in der Regel deutlich über dem Eigenanteil, den Verbraucher im Falle der Beratungshilfe zahlen müssen.
Mal sehen wann auch für die Finanzierung Verbraucherschützer eine Demokratieabgabe fällig wird. Oder eine Schutzgebühr. Oder Schutzgeld. 
Ich schweife ab.

Vorigen Sommer, als die politische Linke vereint für die Marktwächter kämpfte, schrieb die Verbraucherzentrale Bundesverband:
„Verbraucher misstrauen den Märkten. Über 90 Prozent wollen, dass unabhängige Institutionen die Märkte stärker überwachen“, sagt Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).
(...) 
Angesichts der Komplexität der Märkte können Behörden Marktprobleme alleine nicht mehr erkennen. Sie sind auf die Unterstützung durch zivilgesellschaftliche Organisationen angewiesen“, sagt Gerd Billen." 
Wie kommt Hr. Billen auf die über 90% die eine stärkere Überwachung der Märkte durch unabhängige Institutionen angeblich wollen und die er als Legitimation für ein auf die Außerkraftsetzung der Marktmechanismen zielendes Handeln sieht?
Es geht wohl seiner Ansicht nach aus einer Studie des Meinungsforschungsinstituts infas hervor, die im Auftrag der Verbraucherzentrale Bundesverband erstellt wurde. Darin wird gefragt:
Eine unabhängige Institution sollte die Märkte stärker beobachten und Missstände, also für Verbraucher schädliche Produkte und Dienstleistungen, an die staatliche Aufsicht melden. Stimme voll und ganz zu: 69%, stimme eher zu: 23%, stimme eher nicht zu: 6%, stimme überhaupt nicht zu: 1%, weiß nicht: 1%, verweigert: 0%. 

Aus dieser Aussage, dass schädliche Produkte an die staatliche Aufsicht gemeldet werden sollen, was nebenbei bemerkt sowieso passiert, konstruiert Herr Billen die Notwendigkeit zum Handeln. Also eine stärkere Überwachung wird als Notwendigkeit suggeriert um schädliche Produkte melden zu können um diese als von den Verbrauchern gefordert auszulegen. 
Und er leitet ein Misstrauen der "Verbraucher" in die Märkte ab, das diese gar nicht zum Ausdruck gebracht haben. 
Das nenne ich Propaganda.

Die zweite Aussage will einem tatsächlich weismachen, dass die deutsche Bürokratie, eine der am weitesten entwickelten und ausgebautesten der Welt, angewiesen ist auf Unterstützung. Nicht von irgendwelchen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Nein, von den Verbraucherzentralen!

Denn, "nur" 43% vertrauen laut der Studie, so der Verbraucherzentrale Bundesverband, darauf, dass die Wirtschaft für Verbraucher nachteilige Produkte aussortiert und dem Staat gar nur 34%. Wenn das kein klares Votum für eine Überwachung durch unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen ist! Pardon, für die Verbraucherzentralen ist!

Es geht den neuen Marktsittenwächtern um einen Dreiklang aus Erkennen - Informieren - Handeln. Nicht nur um eine Überwachung.
Die Verbraucherzentrale Bundesverband kann sich nun über eine Anschubfinanzierung von 1,5 Millionen Euro freuen und ab Februar über den Aufbau der ersten Marktwächter.

Diese Marktwächtervereine haben natürlich nichts mit einem Überwachungsstaat zu tun, oder? Sie sind keine Überwachungsinstitutionen die fernab jeder parlamentarischen Kontrolle der Überwachung von Bürgern nachgehen, oder?
Schon erstaunlich was unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes alles möglich ist, in diesem auf Überwachungen so hochsensibel und verängstigt reagierenden Land.    

Erling Plaethe


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