31. Dezember 2013

Über das Feiern ganz unterschiedlicher Feste


Die Zeit nach dem Weihnachtsfest ist eine seltsam zwischenzeitliche. Man verharrt gewissermaßen zwischen zwei Festen. Zwischen den Festen, halte ich als Umschreibung dieser Zeit für passender als das traditionelle "Zwischen den Jahren".
Eine Zeit des Wartens sozusagen - auf das nächste Fest. 
Und eine der inneren Vorbereitung auf eine ganz andere Art von Feier
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Vor Kurzem wurde noch das Fest der Liebe im Kreis der Familie gefeiert;  man bemühte sich einer gepflegten Konversation, die geeignet erschien, für ein Höchstmaß an Harmonie Sorge zu tragen.
Was der Kollege Meister Petz aus gutem Grund als totalitär bezeichnete, folgt Regeln, die jegliche Aggressivität vermeiden, den Ältesten in den Familien ungewohnt viel Achtung entgegenbringen und auf gute Sitten wert legen soll.
Ein Fest, welches von Disziplin und Beherrschung geprägt ist. Aber auch von einer positiven Einstellung zu traditionellen Werten, die durch die Pflege von Ritualen und des Zusammenhalts der Familie zum Ausdruck kommt.

Ihm folgt: Silvester.
Die akustische Untermalung erinnert eher an Krieg, es wird ausgelassen bis enthemmt gefeiert, bisweilen sogar mit Verletzten. In dieser Situation werden zu allem Überfluss auch noch gute Vorsätze beschlossen, so als wäre eine orgiastische Junggesellenfeier der Kit für eine lebenslange monogame Beziehung. Was vorher war, wird für beendet erklärt und was kommt, willkommen geheißen. Aber es ist nicht beendet. Es holt einen regelmäßig wieder ein. Darum sind die guten Vorsätze nur der Beleg, dass man die Zeit der inneren Vorbereitung nicht genutzt hat. Man ist nicht bereit für den Antipoden des Weihnachtsfestes.

Im Gegensatz zu Weihnachten wird zu Silvester gefeiert. Und zwar ein Fest auf eine Art, wie es Sigmund Freud definierte:
"Ein gestatteter, vielmehr ein gebotener Exzess, ein feierlicher Durchbruch eines Verbotes. Nicht weil die Menschen infolge irgend einer Vorschrift froh gestimmt sind, begehen sie die Ausschreitungen, sondern der Exzeß liegt im Wesen des Festes; die festliche Stimmung wird durch die Freigebung des sonst Verbotenen erzeugt."
Die Umstellung von der Besinnlichkeit auf den Exzess, oder besser die Ausgelassenheit, bekommt nicht jeder gleichermaßen hin. Es ist gar nicht so einfach mit der gleichen Mentalität, auf beiden Festen den Ritualen gerecht zu werden. Deshalb beschleicht einen mitunter das Gefühl, zu Silvester ausgelassen sein und eine Party suchen zu müssen. Findet man keine, könnte sich u.U. ein leichtes Gefühl von gesellschaftlichen Isolation einstellen.
Weil es gar nicht so einfach ist dem kolportierten Charakter beider Feste gerecht zu werden, sind die Präferenzen meist unterschiedlich verteilt. In jungendlichen Jahren ist das Silvesterfest dem Weihnachtsfest in Bezug auf seine Vorfreude und der Intensität der Begehung, klar überlegen. Das kehrt sich mit der Zunahme an gelebten Jahren um. Als holte man nach, was früher gering geschätzt wurde und verzichtete, wovon man nun genug hat.
Aber was bleibt, ist der Spagat zwischen der Fähigkeit zur Besinnung auf traditionelle Werte und zum Durchbruch von gewohnten Normen und Selbstbeschränkungen, innerhalb einer Woche. Wie gut einem dieser Spagat gelingt, ist auch ein Synonym für das gefühlte Alter.
Natürlich weniger aus eigener Perspektive, vielmehr aus der seiner Umgebung.
Wenn einem also die ständigen Verbote auf die Nerven gehen, mit denen die Politik, praktischerweise die „europäische“, auch im neuen Jahr die Bürger der Staaten in Europa beschränken will, sieht er sich direkt mit dem demographischen Faktor konfrontiert. Die Gesellschaft altert. Die Fähigkeiten ihrer Individuen Lösungen ohne Verbote zu suchen oder mehr noch, Verbote aufzuheben, scheinen abzunehmen.

Deshalb ist jedes neue ausgelassene, laute und von Verbotsdurchbrüchen, wie es Freud beschreibt, geprägte (Silvester-) Fest ein gutes Zeichen. Und eine gute Gelegenheit sich zu erinnern, wie man einst als Jugendlicher feierte. 
Ich wünsche allen Lesern und meinen Autorenkollegen einen guten Rutsch!
Erling Plaethe


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