Was haben wir uns amüsiert, über die Mülltrennung im Feldlager Kunduz beispielsweise, und die Erfüllung der Abgasnormen für deutsche Militärfahrzeuge am Hindukusch. Jedem klar denkenden Menschen fällt die Absurdität solchen Bürokratenhandelns sofort ins Auge. Da passt etwas nicht, da ist etwas den Gegebenheiten nicht angemessen.
Nur ficht das den Amtsschimmel nicht an. Der denkt nicht in Sonderkategorien, das wäre auch viel zu kompliziert. Man kann nicht jeden Einzelfall berücksichtigen, denn das wäre erstens zu aufwändig und zweitens käme dann jeder daher um eine Spezialregelung zu verlangen. Wo kämen wir denn da hin?
Nun hat die Zentrale des absurden Bürokratismus wieder einmal zugeschlagen. Die EU verfügt eine Norm.
Hier die Euro-6-Abgasnorm für Nutzfahrzeuge, namentlich für Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr. Die neuen Fahrzeuge werden teurer sein, ca 10000 Euro schlagen zu Buche. Sie werden schwerer, was auf die noch verbliebene Nutzlast schlägt, und sie werden größer werden. Das heißt, sie passen räumlich nicht mehr in so manch ältere und kleinere Wache. Einen Kubikmeter groß und ca 300 kg schwer ist das benötigte Abgsreinigungssystem, was im technisch durchschnittlich versierten Beobachter schon mal die Frage aufscheinen lassen dürfte, ob dies nicht zusätzlich den Kraftstoffverbrauch hochtreibt.
Das tut es, mit Sicherheit. Aber da ist ja noch die Nutzlast, mit welcher man dies wieder ausgleichen könnte. Sprich, man nimmt einfach 4 Mann weniger mit. Die könnten ja dann z.B. mit einem PKW nebenher fahren. Oder man lässt einiges Material mit einem 3,5-Tonner extra kommen. Die offensichtliche Unsinnigkeit dabei sollte spätestens an dieser Stelle klar werden, aber es kommt noch besser. Die neuen Abgasfilter funktionieren nämlich erst bei warmgefahrenen Motoren, was bei städtischen Feuerwehreinsätzen glücklicherweise eher selten vorkommt. Die sollten ja schließlich möglichst in Einsatznähe stationiert sein.
Kurios, oder? Völlig an der Realität vorbei. Vor allem, wenn man die durchaus nicht unwahrscheinliche Möglichkeit in Betracht zieht, dass so ein Euro-6-abgasgereinigtes Fahrzeug neben einem unkontrolliert Rauchgase emittierenden, brennenden Gebäude stehen könnte. Die sichtbar nicht vorhandene Verhältnismäßigkeit lässt den Bürokratenwitz endgültig als solchen erscheinen.
Dabei gibt es doch eigentlich den Grundsatz „erlaubt ist, was hilft“, wenn es um Gefahrensituationen geht. Ein CO2-Löscher hilft z.B. bei Bränden, in denen man besser kein Wasser einsetzen möchte. Auch wenn bekannt ist, dass man sich in engen Räumen besser nicht zusammen mit den Flammen ersticken sollte. Ein Pulverlöscher verteilt seinen Inhalt verlässlich bis in die letzte Ritze des Raumes in dem er eingesetzt wurde, und lässt damit in kurzer Zeit die Elektronik aller in der Nähe befindlichen Geräte korrodieren. Erlaubt ist halt was hilft. Genauso wie eine Körperverletzung strafrechtlich folgenlos bleibt, wenn man dadurch eine hilflose Person aus einer unmittelbaren Gefahrensituation befreien kann.
Nun wird selbst dem unbeugsamsten EU-Kommissar einsichtig sein, dass es im Brandfall völlig egal ist, ob die Feuerwehr mit normgerechten Fahrzeug oder bspw. einem Lanz-Bulldog anrückt, wenn’s denn hilft. Aber der Bürokratismus schlägt ja vorher zu, nicht im unmittelbaren Notfall.
Und so wird für die alten, nun nicht mehr normgerechten, Fahrzeuge kein Geld mehr locker gemacht werden können. Man wird die Mittel brauchen für das neue, teurere Gerät. Man wird schon mal ins Auge fassen müssen, dass ein neues Feuerwehr-Gerätehaus gebaut werden muss. Natürlich nach den neuesten, teureren Wärmedämm-Vorschriften.
Die unteren Bürokratieebenen werden sich schon etwas einfallen lassen, um die Vorgaben der Zentrale zu erreichen. Verlässlich.
So verlässlich wie immer, wenn ein anfangs gut gemeintes Projekt erst mal auf die schiefe Ebene der politisch-bürokratischen Eskalation gesetzt wurde. Die erste Euro-Abgas-Norm hat bestimmt ihren Sinn gehabt. Wahrscheinlich auch spürbare Verbesserungen der Luftqualität bewirkt. Nur wird mit jeder Eskalationsstufe der Nutzen geringer, während der dafür notwendige Aufwand überproportional ansteigt. Das Problem mit jeder übergeordneten Bürokratie ist, dass sie von den Folgen ihrer Arbeit entkoppelt ist. Sie trägt nicht die Kosten, überblickt nicht was sie im Einzelnen anrichtet. Dafür ist sie nicht zuständig.
Sie erstellt nur Handlungsanweisungen für untergeordnete Bürokratien. Und wenn die Politik einmal ein Handlungsfeld ausgemacht, und ihren Apparat in Bewegung gesetzt hat, hält diesen nichts mehr auf. Keine Folgekosten und schon gar nicht der gesunde Menschenverstand.
Man möchte Hoffnung haben, dass irgendwann einmal die Schraube des behördlichen Zwanges einen Tick zu weit überdreht wird. Dass es knack macht und der Politik klar wird, dass ein ständiges Weiterdrehen am immer Gleichen nichts mehr verbessert, sondern das gut Gemeinte irgendwann ins Irrationale abgleiten lässt. Aber nichts dergleichen wird geschehen. Dazu ist das System schon zu eingefahren, seine Partizipanten zu fest darin eingepasst.
Und sorry, ein misslungener aber ökologisch korrekt durchgeführter Rettungseinsatz (bzw dessen Verhinderung) wird kein Fukushima-Moment für die deutsche Politik sein.
Freuen wir uns also an unseren teureren, bald Extrarunden drehenden Feuerwehrfahrzeugen, welche gerade ihre Abgasreinigungssysteme durchblasen. Bevor sie wieder neben ihren zu klein gewordenen Gerätehäusern abgestellt werden. Und hoffen wir, wie stets, dass der nächste irre Kelch an uns persönlich vorübergehen möge. So, wie wir es immer tun.
via: Achse des Guten
Calimero
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