Ich
habe meiner Liebe zum Auto und zum Fahren desselben ja schon öfter
Ausdruck verliehen.
Aber
heute morgen zum Frühstück hat mich dieser Artikel in der "Welt" derart in seinen
Bann gezogen wie schon lange keiner mehr.
Das Autodesign scheint in einer geradezu parallelen
Existenz zur Autotechnik sein Dasein zu fristen. Letzteres kann man, ohne anmaßend zu sein,
als in Deutschland ausgeprägt und Maßstab setzend bezeichnen. Aber
wie schwer wir uns mit dem Design tun, kam mir erstmalig in den Sinn,
als ich in einer Diskussion erfuhr, dass der VW-Golf von einem
Italiener entworfen wurde.
Italien
repräsentiert m.E. in Europa beim Design, wofür Deutschland in Bezug
auf die Technik berühmt ist.
Wie es
um das Design in einem Land bestellt ist, kann erfahren, wer mit
offenen und neugierigen Augen durch die Metropolen der Länder dieser
Welt geht.
Nicht
nur die historischen Gebäude strahlen aus, welch kreatives Potential
angezogen wird, obwohl diese natürlich eine Menge zu erzählen
haben, nein, vor allem ist es das, was neu entsteht. Immer wieder neu
entsteht. Auch die Mode z.B. und eben Autos.
Wie
viel Mut zum Risiko und wie viel Veränderung bei einem Autobauer möglich ist. Auch
wann.
Ob erst dann, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, oder schon vorher.
So wie
damals, 1970 bei VW, als der Italiener Giorgio Giugiaro
in einem Saal mit langem Tisch (stand), am Tisch 20 Leute, die Vorstände, der Vorsitzende, die versammelte Konzernführung. Schweigend. Stille. Giugiaro steht. Er hört seine Schuhe knarzen. Die Männer am Tisch starren ihn feindselig an. Sie haben alle denselben Ausdruck im Gesicht, es ist eine forsche Frage: "Was will denn dieses Jungchen hier?"
Er
wollte den Golf designen und er tat es.
Die
Geschichte von Giorgio Giugiaro ähnelt der von Peter Schreyer, dem
ehemaligen Chefdesigner von VW und Formgeber von Beetle und Audi TT.
VW
hatte in beiden Fällen offenbar nicht nur den Wert dieser beiden
Mitarbeiter unterschätzt, sondern den Wert des Designs an sich.
Peter
Schreyer hat mit KIA einen Arbeitgeber gefunden, der ihn nicht unterschätzt
und mit ihm den Aufstieg zu den erfolgreichsten Autobauern der Welt
mit Toyota, VW, GM und Nissan/Renault, schaffte.
Als
ehemaliger Berliner ist mir noch die Empörung erinnerlich über die
Neubebauung des Potsdamer Platzes, die Reichstagskuppel oder den
Abriss von Honeckers Lampenladen.
Man
kann Vergangenem nachtrauern, und man kann es wieder aufbauen (wie
das Berliner Stadtschloss), aber was Designer in einem Land verkaufen
können, sieht man an der Vielfalt der Stile.
Wie
die Menschen sich kleiden, wie sie ihre Häuser kleiden und in
welchen Autos sie sich fortbewegen.
Einen Stil zu pflegen sagt etwas über seinen/seine Besitzer aus. Viele Stile zu sehen, bedeutet nicht nur viele Stilbewahrer anzutreffen, sondern auch zu recht eine fruchtbare Basis für die Entstehung neuer Stile zu erwarten.
Die das Stadtbild vereinheitlichten Rasterfassaden, outdoorbekleidete Menschen und Autobauer mit zum Verwechseln ähnlichen Autos lassen eine andere Basis erwarten. Die der Vereinheitlichung.
Wie
steht es dann um unsere Fähigkeit, Kreativität überhaupt noch zu
erkennen? Abseits der infantilen Versuche von Hundertwasser, abseits
der praktischen Einheitsfunktionskleidung die dem Träger einen
gesundheitsbewussten Lebensstil attestieren soll und abseits von
Autos, die dem Betrachter als Entschuldigung seines Besitzers
erscheinen, sich überhaupt motorisiert fortzubewegen.
Eine Kreativität
die nicht als solche beworben wird, wie bei irgendwelchen Denkfabriken
oder Kreativitäts-Workshops.
Sondern
die einem ins Auge fällt. Zu der man „Wow“ sagt. Die einen
beeindruckt ohne Druck.
Die Beurteilung von Kreativität setzt also einen eigenen Geschmack voraus, einen eigenen Stil und nicht die Einsicht in amtlich
festgelegte Notwendigkeiten.
Die Entscheidungsgewalt über diese Beurteilung zurückzuerobern, gegen Dogmen wie z.B. Klimarettung und Umweltschutz, ist sozusagen stilbildend.
Diese Dogmen müssen m.E. zuvor von ihrem Thron gestoßen und eingereiht werden in eine
Prioritätenliste, deren Positionen sich nicht alle gemeinsam in
jeder Entscheidung vollständig wieder finden müssen.
Wenn weniger ein schlechtes Gewissen die Entscheidungen beeinflusst, sondern eher die Lust zu dem zu stehen was man tut und was nicht, auch wenn es
nicht den Geschmack anderer trifft, wird überhaupt erst einmal Platz geschaffen für die Ausbreitung von Kreativität.
Und dem Design kann die Rolle zugestanden werden, einen Geschmack anzusprechen, der zwischen Dekadenz und Fortschritt zu unterscheiden weiß.
Mitunter geschieht dies erst, wenn die Firma am Abgrund steht. So wie einst bei VW war es
auch bei GM. Der Camaro in fünfter Generation kam 2009 auf den
Markt.
Im
Jahr der mehrheitlichen Verstaatlichung nach der Insolvenzanmeldung.
Aber
er hat der Firma wieder Leben eingehaucht, weil sie ein Produkt auf
den Markt brachte, das vor Kreativität und Leidenschaft nur so
strotzt.
Beim
Design.
© Erling Plaethe. Für Kommentare bitte hier klicken.