16. September 2013

Zitat des Tages: "Cela nous oblige à faire plus de croissance"

Kinder sind an und für sich schon ein Übel.

Sie schreien, stinken, krabbeln zu gefährlichen Orten, trotzen, kosten einen Haufen Geld, rebellieren, klauen, machen Unfug, nehmen Drogen, melden sich nicht mehr, wenn sie endlich weg sind. Das ist alles hinlänglich bekannt.

Neu ist hingegen die Einsicht, dass Kinder ganze Volkswirtschaften in die Knie zwingen können, einfach indem sie da sind und keine Arbeit haben. Dies hat der französische Präsident François Hollande erkannt.

"On ne va pas s'en plaindre," erklärte er gestern im Fernsehinterview, "on a plus de jeunes qui arrivent sur le marché du travail. Cela nous oblige à faire plus de croissance." (Ich werde mich darüber nicht beschweren, aber wir haben mehr junge Menschen, die in den Arbeitsmarkt eintreten [als Deutschland]. Das zwingt uns zu einem höheren Wachstum.)

Das ist derart schlagend und so offensichtlich wahr, dass man sich wundert, wieso erst jetzt jemand darauf gekommen ist.

Statt mit lauten "Aha!"-Rufen reagiert die Wissenschaft jedoch pikiert. „Die Aussage fällt voll auf ihn zurück“, sagt der Politikwissenschaftler Tilman Mayer aus Deutschland. (FAZ vom 16.9.) Da hat er recht. Während nämlich unsere kinderlose Kanzlerin der deutschen Wirtschaft klug vorausdenkend keine unnötigen Jugendlichen in den Weg gelegt hat, setzte François Hollande nicht weniger als vier potentielle Jugendarbeitslose in die Welt. Jetzt ist er Präsident und muss mehr Wachstum schaffen als die deutsche Kanzlerin. Hätte er doch früher nachdenken und entsprechend vorbeugen sollen.

Dennoch wirkt die Empörung der deutschen Wissenschaft ein wenig unecht. Man ist wohl verschnupft, dass hier ein Politiker diese neue bedeutende Einsicht den Wissenschaftlern vor der Nase weggeschnappt hat. „Ich habe den Eindruck, François Hollande versucht damit, die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich zu entschuldigen“, sagt Michaela Kreyenfeld vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung. (a.a.O.) Indem sie hier im Stile nicht einer Wissenschaftlerin, sondern einer Politikerin argumentiert, gibt sie dem Präsidenten zu verstehen, dass er bei seinem Metier bleiben solle und statt Theorien lieber Schuldzuweisungen zu äußern habe.

Dabei ist zu befürchten, dass die ganze Tiefe und Einfachheit der Hollandeschen Erkenntnis noch nicht verstanden wird.

Der Hinweis der FAZ, wonach Statistiken besagen, dass etwa Holland mehr Kinder, aber weniger Arbeitslose habe als Deutschland, während Spanien ebenso wenige Kinder, aber viel mehr Arbeitslose wie Deutschland besitze, geht nämlich an Hollandes Argument weit vorbei. Es handelt sich dabei nicht um eine empirische Analyse, sondern um ein evidentes Urteil mit axiomatischer Kraft: Ohne Kinder gibt es keine Jugendarbeitslosigkeit.

Problem erkannt - Problem gelöst: Frankreich könnte zum Beispiel seine überflüssigen Kinder mit Sprachkursen versehen und in Länder abschieben, wo man Kinder immer noch für die "Zukunft" hält.

Vor einer solchen Invasion müsste sich Deutschland natürlich schützen. Eingedenk des grundsätzlichen Übels, das Kinder im gesellschaftlichen und ebenso - wie eingangs erinnert - im privaten Leben darstellen, wäre es vielmehr an der Zeit, wieder einmal ein Stück Utopie zu wagen: den Traum von der kinderlosen Gesellschaft! Vor dem geistigen Auge leuchtet eine Zeit des Friedens auf, des Wohlstandes, der Arbeit, der Freiheit, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Geschlechtergerechtigkeit. Und Deutschland wäre Vorreiter!

Darüber, finde ich, würde sich wenigstens zu debattieren lohnen. Vielleicht ist ja doch irgendein Haken dabei.

Kallias

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