8. September 2013

Wenn der Ofen ausgeht. Ein Gedankensplitter zu Energie und Stahl. Gastbeitrag von Llarian

In der einen oder anderen Diskussion habe ich am Rande mal was zu diesem Thema geschrieben, oft geht das unter, weil der Gegenüber sich dann gerne ausschweigt. Ich finde das schade, denn es kann doch eigentlich nicht sein, dass man so eine zentrale Überzeugung hat, wie man die Energie in unserem Lande erzeugen möchte, aber dann doch schon bei einer Nachfrage keinen Boden mehr unter den Füßen hat. Aber der Reihe nach:

Kennen Sie den bedeutendsten Grundstoff der deutschen Industrie? (Okay, ist ein bissel witzlos, es steht ja im Titel.) Aber trotzdem, es ist selbstredend Stahl. Stahl ist ein fantastischer Werkstoff, er ist günstig verfügbar, beständig, nahezu unbegrenzt recyclingfähig und man kann unglaublich viele Dinge daraus fertigen, von der Büroklammer bis zum Ozeandampfer. Wenn man nicht wirklich darüber nachgedacht hat, dann ist einem oftmals nicht bewusst wie stark wie von diesem einen Werkstoff geprägt sind. Und Deutschland produziert sehr viel davon. Ungefähr 40 Millionen Tonnen pro Jahr, das sind pro Bundesbürger eine knappe halbe Tonne, also entsprechend 500 Kilogramm. Das ist erst mal eine Größenordnung die beeindruckt oder zumindest beeindrucken sollte.

Die dahinterstehende Industrie beschäftigt alleine um die 90.000 Arbeitnehmer. Zulieferer, Logistiker, Leiharbeiter kommen in Heerscharen hinzu, so dass man allein auf der Produktionsseite ein paar hunderttausend Menschen hat, die direkt von diesem Produkt abhängig sind. Auf der Abnehmerseite ist es noch extremer, die Wertschöpfung der deutschen Industrie ist zu wesentlichen Teilen von Stahl geprägt, würde man die indirekt von deutschem Stahl abhängigen Personen zusammenaddieren wäre man nicht mehr im einstelligen Millionenbereich. Zusammenfassend kann man sagen, Stahl ist prägend für dieses Land, weit mehr als sich die meisten das erst einmal vorstellen.

Nun wird Stahl nicht im luftleeren Raum produziert und leider haben die Deutschen auch kein Patent auf die Stahlerzeugung schlechthin, entsprechend wird weltweit noch deutlich mehr produziert, so um die anderthalb Milliarden (!) Tonnen pro Jahr (knapp die Hälfte inzwischen in China). Weltweit herrschen seit einiger Zeit deutlich Überkapazitäten was in der Folge zu einem sehr scharfen Wettbewerb geführt hat. Der heutige Preis für das Zwischenprodukt Warmband (was am ehesten vergleichbar ist) liegt derzeit bei um die 430 €/Tonne. Das nur vielleicht als kleine Größenordnung wie hoch der Materialwert einer nackten Autokarosse ohne Form- und Schweißarbeiten tatsächlich ist (den Schritt von Warmband zu Kaltband mal außen vorgelassen). Die Gewinne der Produzenten liegen dabei idealerweise zwischen 10 und maximal 50 Euro pro Tonne. Idealerweise deshalb, weil inzwischen aufgrund des scharfen Wettbewerbs einige Anbieter derzeit gar keine Gewinne mehr einfahren, einige, insbesondere deutsche Produzenten, machen derzeit Verluste. In einigen Betrieben denkt man inzwischen recht intensiv über sozial verträglichen Arbeitsplatzabbau und natürlich Reduktion der Produktion nach.

Man sollte meinen in einer solchen Situation wäre es angebracht sich Sorgen zu machen. Da ist eine Industrie, die den wichtigsten Grundwerkstoff unserer produzierenden Wirtschaft herstellt und diese Industrie hat im Moment ganz erhebliche Schwierigkeiten sich gegen den enormen Druck aus dem Ausland zu wehren. In einer solchen Situation wäre es wohl geboten, dass politische Entscheidungsträger darüber nachdenken, was sie tun können, damit diese Industrie eben nicht absäuft. Nun, sie tut auch etwas. Es wird eine ganze Menge Politik im Zusammenhang mit der Stahlindustrie gemacht. Jüngstes Beispiel ist das Backloading. Klingt gut, so richtig grün. Ist es auch, zumindest wenn man weiß, was grün im Kern ist. Backloading bedeutet so viel, dass die CO2-Zertifikate, auf die viele Industrien, und auch gerade die Stahlindustrie, angewiesen ist, künstlich verknappt werden. Der Politik reicht der Preis, den sie für die Zertifikate bekommt, nicht aus, deshalb wird das Angebot weiter verknappt, was die Kosten für die Emission von CO2 weiter erhöht. Nun kann Stahl nicht hergestellt werden, ohne CO2 zu emittieren. Der Hochofenprozess setzt zwangsnotwenig CO2 frei und die Elektrostahlroute benötigt große Mengen an Energie, deren Erzeugung noch mehr CO2 frei setzt. All das wird massiv teurer.

Aber damit ist es noch nicht getan, wenn die Politik etwas tut, dann ja auch richtig und besonderes toll für die Stahlindustrie ist das EEG. Etwa 40 Prozent des deutschen Stahls entsteht auf der Elektrostahlroute, plakativ gesprochen ist das das Einschmelzen von „altem“ Stahlschrott durch Strom. Recycling im Wesentlichen. Sollte sehr grün sein (prozentual wird in Deutschland mehr Stahl recycelt als Papier und Kunststoff zusammen), kostet aber eben Strom. Und zwar ne Menge. Ungefähr 500 Kilowattstunden pro Tonne Stahl. Bisher war die Stahlindustrie von der EEG-Umlage ausgenommen. Dies soll sowohl nach dem Wunsch der Grünen als auch nach dem Wunsch der EU jetzt aufhören. Die Umlage liegt derzeit bei fünf, demnächst bei sechs Cent. Das wären alleine Mehrkosten von 25 bis 30 Euro pro Tonne Stahl. Und das ist nur die erste Schmelze. Kosten für Sekundärmetallurgie (Pfannenofen), Stranggießanlage, Stoßofen, Hubbalkenofen, Walzwerk, etc. pp habe ich ausgelassen. Die Gewinne habe ich oben bereits geschrieben. Die Folgerung ist simpel: Wenn auch nur eins von beiden kommt (Backloading ist beschlossen), wird die Stahlindustrie in Deutschland kaum mehr Gewinne realisieren, wenn beides kommt, werden Verluste kaum vermeidbar sein. Und irgendwann kann man auch noch so gut sein und noch so dolle Güten produzieren (und Deutschland produziert schon heute den besten Stahl der Welt) mit noch so wenig Arbeitern, die immer effizienter werden (auch hier ist Deutschland weit vorne), das geht wirtschaftlich irgendwann einfach nicht. Schon so hat in Deutschland in den letzten 20 Jahren kein Mensch mehr eine neue Hütte gebaut. Und auch Neuanlagen innerhalb bestehender Hütten werden seltener.

Was hier passiert ist industriepolitischer Selbstmord. Und derzeit getrieben von zwei Gruppen: Zum einen von den Grünen (und ihren Verbündeten), die ohnehin Industrie als Feind betrachten. Zum anderen auch durch das EU-Ausland, das im EEG die Chance sieht die deutsche Stahlindustrie als Wettbewerber zu schädigen.

Gejammert wird immer, das ist nachvollziehbar und nicht jedes Gejammer muss auch eine politische Antwort finden. Aber hier kann man kann es nachrechnen. Ich lasse mir gerne widersprechen, alle Zahlen die ich genannt habe, sind prüfbar. Und ich lasse mir auch gerne erklären, warum die Schlussfolgerung nicht stimmt. Aber es soll keiner kommen und erzählen, dies sei doch alles nicht so schlimm und Miesmacherei. Doch, es ist schlimm. Das Ziel, die deutsche Industrie massiv zu bekämpfen, wird hier nicht in ferner Zukunft angestrebt, es wird jetzt, hier, heute, ganz konkret erreicht. Es soll keiner glauben, wenn morgen in Deutschland Hütten zumachen, dass die übermorgen zurückkommen. Selbst ein kleines Stahlwerk ist eine Milliardeninvestition, ein integriertes Hüttenwerk verschlingt mehrere Milliarden. Der Ofen geht aus. Und danach macht ihn keiner wieder an. Zumindest nicht in Deutschland. Und es wird keiner mehr den Solarunsinn oder die ganze soziale Gerechtigkeit, für die soviel Bedarf zu bestehen scheint, bezahlen können. Der ganze grün-linke Mumpitz vom Hunderttausenddächerschwachsinn über Windmühlchen, 1-Liter-Haus, Dosenpfand bis zum Solarofen, alles Dinge, die eher nervig sind als wirklich wehtun. Aber bezahlt werden muss es trotzdem. Wenn wir den Ökobewegten gestatten unsere Industrie abzuschaffen, und genau das passiert, dann wird niemand mehr da sein, der den ganzen Blödsinn bezahlt. Studienräte, Sozialarbeiter und Umweltstaatssekretäre leben vom Staat, sie sind nicht die Basis dafür, dass sich dieser finanzieren kann. Der Staat wird finanziert von Leuten, die etwas produzieren oder zur Produktion beitragen, und eine Menge davon machen das mit Stahl.

Llarian

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