1. September 2013

Obamas Syrien-Entscheidung


Das kommt unerwartet, möchte ich mal behaupten:
Präsident Obama will vor der Durchführung einer militärischen Strafaktion gegen das Regime Baschar al-Assads in Syrien, wegen des Einsatzes von Giftgas im Bürgerkrieg, die Autorisierung des Kongresses erhalten.
Ob er die Bekommt ist ungewiss. Gut möglich, dass dem nicht so sein wird.

Ihm ist die Tragweite dieser Entscheidung sicher bewusst und die Verantwortung sie allein zu tragen, zu groß. Das kann als Eingeständnis eines politischen Fehlers gewertet werden, den er mit der öffentlichen Ziehung einer roten Linie an die Adresse Assads beging.
Solch eine Kurskorrektur ist hart für den mächtigsten Mann der Welt.
Es kann aber auch die Möglichkeit der Korrektur eines Fehlers eröffnen. Einen möglicherweise falschen Weg weiterzugehen, den der Präsident wohl gar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hatte einzuschlagen. Ein Fehler sollte nicht die Basis für einen weiteren bilden.
Assad hat für Obama wohl unerwartet gehandelt und die Beziehungen zu dem früheren Feind des jahrzehntelang andauernden kalten Krieges, stehen mit dieser Entscheidung in unmittelbarem Zusammenhang.
Russland und Assads Syrien stellen diesen Zusammenhang her.

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Man muss es nicht als Verlagerung von Verantwortung an den Kongress durch Obama interpretieren. Man kann es auch als Zugehen auf den Kongress betrachten, in dem mehr als 180 Mitglieder in einem Brief an Obama genau auf  eine solche Abstimmung drängten. Und es gibt auch republikanische Kongressabgeordnete, welche der Übertragung von Verantwortung an den Kongress durch Obama, angesichts der Schwere der Entscheidung, Respekt zollen.

Ist Assad für den Angriff verantwortlich, und danach sieht es aus, muss die Vorgehensweise Russlands als Zuspitzung gewertet werden, wenn nicht als Konfrontation.
Solange diese auf einer Stellvertreterebene geführt wird, ist diplomatisch noch alles möglich – theoretisch. 
Nach einer direkten Beteiligung Amerikas am Krieg in Syrien, und so wird auch ein begrenzter Militärschlag vom Generalstabschef Dempsey gewertet, ist die Situation eine andere. 
Dann stellt sich die Frage einer ebenfalls direkten Beteiligung des Verbündeten des syrischen Regimes, Russland. 
Es ständen sich Amerika und Russland in einem Krieg gegenüber.

Bevor es zu solch einer Situation kommt, müsste nicht erst einmal geklärt werden, ob Amerika, wenn es weitgehend allein handelt, überhaupt einen Verbündeten oder Partner, so wie Russland, in diesem Krieg hat?
Ob es die Freie Syrische Armee ist. Ob diese als losgelöst von den beiden al-Qaida Gruppen al-Nusra-Front und al-Qaida in Irak betrachtet werden kann.
Siehe auch dazu:
"Das Dilemma des Westens in Syrien" 

Ohne einen solchen Partner muss Amerika klarstellen, in wie fern es im Namen der Weltgemeinschaft handelt, wenn nicht nur die Unterstützung des Sicherheitsrates fehlt, sondern auch die der Arabischen Liga. Sowie die des Vereinigten Königreiches, nach der Abstimmungsniederlage David Camerons im Unterhaus über eine Beteiligung Großbritanniens.
Handelt Amerika auf eigene Rechnung, greift es als Staat in den Krieg ein und erst danach als Verteidiger humanitärer Werte und Grundlagen. Und vor allem nicht im Namen der Weltgemeinschaft.

Die Beweise für die Verantwortung Assads müssen öffentlich gemacht, der Gebrauch von Massenvernichtungswaffen durch das Assad-Regime gegen das eigene Volk, belegbar sein.
Dann könnte diplomatischer Druck zur internationalen Kontrolle der syrischen Massenvernichtungswaffen aufgebaut werden, mit dem Ziel, den Missbrauch durch Syrien festzustellen und es zur Abrüstung aller Massenvernichtungswaffen zu zwingen, wie einst den Irak. Wie das geschieht und ob diplomatischer Druck ausreicht, ist eine Frage die m.E. später beantwortet werden sollte. 

Eine militärische Aktion mit dem Ziel der Entmachtung des syrischen Regimes ist solange keine Option, bis es Partner in Syrien für den Westen gibt, denen überhaupt zugetraut werden kann, eine Befriedung des Landes herbeiführen zu können. Dass heißt nicht dies im Vorhinein zu wissen. Das war nicht im Irak möglich und wird es erst recht nicht in Syrien sein. 

Nur kann dieses Vorhaben nicht gegen Russland gelingen.
Diese Geschichte des Irak wird sich so nicht wiederholen. Aber es kann durchaus noch schlimmer kommen. Aus der Sicht Syriens und Russlands wird schon seit längerem weniger gegen Rebellen gekämpft, als vielmehr gegen al-Qaida. 
Das rechtfertigt zwar nicht den Einsatz von Massenvernichtungswaffen, sollte aber bei der Beurteilung der Gesamtsituation nicht außer Acht gelassen werden.
Denn es ist keine Propaganda.
Erling Plaethe


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