Für
Wähler, die mit sozialliberaler Politik fremdeln, war es in
Deutschland von jeher schwer eine Wahlentscheidung zu treffen. Für viele war sie vermutlich taktischer Natur; von wechselnden Entscheidungen geprägt
und Zufriedenheit mit der eigenen Wahl stellte sich selten ein.
In
diesem Jahr wird es, wie immer, besonders schwer. Es droht mal wieder
eine Große Koalition, eine Beteiligung der eher kommunistisch als
sozialdemokratisch orientierten Partei „Die Linke“ oder eine
Fortsetzung der Politik, die diese Wähler vor vier Jahren schon nicht
gewählt hatten, obgleich sie den jetzigen Regierungspartei(en) ihre Stimme gaben.
In
dieser Situation kommen dann regelmäßig neue Parteien in den Focus
dieser Wähler. Parteien, die nicht Bestandteil des, wie es immer öfter heißt,
herrschenden Parteienkartells sind.
Woher
kommt dieser Begriff und ist das Phänomen neu, das ihn
hervorbrachte?
Der
Begriff des Parteienkartells oder Kartell-Parteien-Systems wurde von Richard S. Katz und Peter Mair
etabliert.
Er
steht für eine Zustandsbeschreibung der heutigen Parteien, nachdem sie
eine vierstufige Entwicklung durchliefen. Vor allem in Bezug auf ihre
Mitglieder, die Gesellschaft und auf den Staat.
Während
zu Beginn die Mitglieder vor allem aus der Elite der Gesellschaft
kamen, waren ihre Beziehungen zum Staat recht eng. In der zweiten
Phase entwickelten sich die Parteien zu Massenbewegungen, welche ihre
Mitglieder organisierten und deren Interessen wahrnahmen. Die
Gesellschaft wurde breiter und die Parteien bildeten eine Brücke zum
Staat.
Die
dritte Phase war gekennzeichnet von Massenparteien, für die nicht
mehr der soziale Status ihrer Mitglieder, sondern politische
Übereinstimmungen die Basis für eine Mitgliedschaft bildeten.
Die Parteien übernahmen die Funktion von Agenten des Staates, wie auch der Gesellschaft. In ihnen verschwand der Unterschied zwischen Staat und Gesellschaft immer mehr.
Diese
Entwicklung verstärkte sich in der vierten Phase durch die zunehmenden Subventionen
des Staates an die Parteien. Gleichzeitig gingen die Mitgliederzahlen zurück, weil die persönlichen Interessen und Ansprüche von einer
Massenpartei immer ungenügender zufrieden gestellt werden konnten. Dieser Rückgang verstärkte die Abhängigkeit der Parteien von staatlichen Subventionen.
Die Behauptung, dass die in der Gesellschaft etablierten Parteien als Kartell agieren, bezieht sich vor allem in deren angenommener Ausgrenzung gegenüber neuen und anfangs oft kleinen Parteien.
In
Deutschland gibt es gleich zwei Beispiele die gegen diese Theorie
sprechen:
Die
Grünen und die Partei „Die Linke“.
Und
auch die Piratenpartei hatte schon zweistellige Wahlergebnisse in
Landtagswahlen erzielt. Wenn diese bei der kommenden Bundestagswahl
nicht zu erwarten sind, ist das keineswegs einem Parteienkartell geschuldet, sondern innerparteilicher Querelen. Ähnlich verhält es
sich mit der AfD, nur dass ihr Auf- und Abstieg in den Umfragen
zu beobachten war.
Über den normalen Konkurrenzkampf hinaus, ist keine Ausgrenzung erkennbar.
Würde
man die Charakterisierung des Kartells bezüglich der Parteien an der
engen Verknüpfung mit dem Staat festmachen wollen, stellte sich die
Frage nach Alternativen der Parteienfinanzierung. Und die nach den Anfängen.
Parteien
finanzierten sich bis zu den 70er Jahren hauptsächlich aus (Groß-) Spenden und Mitgliedsbeiträgen.
Letztere sind nach wie vor eine wichtige Einnahmequelle, nur die
Spenden sind in Deutschland zugunsten der staatlichen Finanzierung erheblich zurückgegangen.
Würde
dies geändert werden und stiege der Einfluss privater Geldgeber,
gingen die staatlichen Subventionen zurück. Denn diese dürfen nicht
höher sein als die selbst erwirtschafteten Eigeneinnahmen des Vorjahres einer Partei.
Mal
abgesehen davon, dass sich die Parteien, ob klein oder groß,
gemütlich eingerichtet haben in der staatlichen Versorgung, muss man
sich nur mal den Aufschrei der Öffentlichkeit noch einmal vor Augen halten, als
die FDP eine Umsatzsteuersenkung für das Hotel-und Gaststättengewerbe
durchsetzte und dies mit einer Wahlkampfspende durch eine Hotelkette in Verbindung gebracht wurde.
Haben wir es also mit Kartellparteien zu tun? In einem Kartell der Versorgung?
Oder sind es auch die Wähler, welche unbedingt den Staat als Finanzier sehen
möchten und alles was nach privatem und staatlich unabhängigem
Engagement aussieht, einem unredlichen Anstrich verleihen. Die solch einer Partei einfach ihre Gunst verweigern?
Die FDP
verlor seinerzeit innerhalb von Monaten zwei Drittel ihrer Wähler –
nachhaltig sozusagen.
Was allerdings auffällt, ganz besonders seit Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde, ist, dass neben der sozialen Herkunft auch die politische Übereinstimmung innerhalb einer Partei kaum noch eine Rolle zu spielen scheint. Stattdessen rücken Gefühle und Sympathien in den Vordergrund.
Die Politik der Parteien gleicht sich immer mehr an. Themen, welche früher Alleinstellungsmerkmale einer Partei waren, finden sich auch im politisch einst gegnerischen Lager wieder und werden zu Gesetzen. Mitunter sogar unter Zustimmung und Hilfe der Opposition.
Verstärkte sich dieser Trend, wäre das dann die vollständige Verschmelzung von Parteien und Staat. Trifft diese Entwicklung auf ein Parlament, welches als Arbeitsparlament funktioniert, ist die Legislative weitestgehend paralysiert. Wie ohnmächtig der Deutsche Bundestag agieren kann, wurde zuletzt bei der Verabschiedung von Rettungspaketen und ESM deutlich.
Auf der einen Seite ist die Bezeichnung Parteienkartell, und erst recht Kartellparteien, wenig zutreffend, denn es gab bisher keine Partei welche auf die Subventionen des Staates verzichtet hätte, um ihre Eigenständigkeit unter Beweis zu stellen.
Was ist das für ein Kartell in dem alle möglichen Parteien eines Parlaments vertreten sind und gegen wen richtet es sich?
Auf der anderen Seite charakterisieren die Begriffe eine Konstellation, die in der Schwächung der Gewaltenteilung ihren Ausdruck findet und durchaus als Kartell bezeichnet werden kann, wenn dies ein gewünschtes Ziel sein sollte.
© Erling Plaethe. Für Kommentare bitte hier klicken.