Wer den Verfall der politischen Kultur in unserem Lande
beklagt, kann sich immerhin damit trösten (oder aber seine Verzweiflung
vertiefen), dass die Verhältnisse andernorts auch nicht besser sind:
Der Aspekt an der Politik, der mich am meisten stört, ist dass es fast nie um politische Inhalte geht. Alle Kämpfe in der modernen Politik gehen um Standing. Man attackiert nicht, was Leute sagen, sondern wer sie sind. Oder genauer, man attackiert ihr Recht, überhaupt etwas zu sagen.
Dies äußert Michael Ignatieff, Politikwissenschaftler und
ehemaliger Kandidat der Liberal Party of
Canada / Parti Libéral du Canada für das Amt des Premierministers, in einem
lesenswerten Interview mit dem Verfassungsblog.
Man fühlt sich bei diesen Sätzen an den Fall Sarrazin
erinnert. Versuche, die inkriminierten Aussagen des Bestsellers Deutschland schafft sich ab zu
widerlegen, waren kaum zu verzeichnen. Stattdessen wurde dem Autor „eine
ungeheure moralische Entgleisung“ vorgeworfen und ihm unterstellt, er verlasse
den „demokratischen Konsens“. „Empörend, verletzend, ausgrenzend“, titelte Spiegel-Online. Es ging in der Debatte
um die Diskurshoheit, das heißt: um die Prärogative, das Wort zu erteilen oder
zu entziehen. Weitere Beispiele für diesen Mechanismus sind der Tagespresse zu
entnehmen.
In einem anderen Punkt verdienen Ignatieffs Ausführungen gleichfalls eine kurze Anmerkung. Offenbar zur Überraschung des Interviewers ist der Harvard-Professor davon überzeugt, dass der islamistische Terrorismus für den Westen eine erhebliche, reale Gefahr darstellt. Gleichwohl räumt er ein:
In einem anderen Punkt verdienen Ignatieffs Ausführungen gleichfalls eine kurze Anmerkung. Offenbar zur Überraschung des Interviewers ist der Harvard-Professor davon überzeugt, dass der islamistische Terrorismus für den Westen eine erhebliche, reale Gefahr darstellt. Gleichwohl räumt er ein:
Dies ist nun genau das Wesen des Rechtsstaats. Er kann nicht ausnahmslos verhindern, dass der Gesetzgeber, die Verwaltung oder die Gerichtsbarkeit falsche Entscheidungen treffen. Aber er erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass solche Missgriffe eines nicht allzu fernen Tages aus dem Rechtsbestand ausscheiden.Wir machen viele Fehler im Umgang mit dieser Bedrohung, aber es wäre perfektionistisch zu glauben, dass solche Fehler nicht passieren. Sie passieren. Und dann korrigiert man sie.
Noricus
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