21. März 2013

Wasser-Privatisierung: Ökonomische Anmerkungen zu einem Politikum


In den Medien erschien eine Reihe von Berichten über die Pläne der EU-Kommission, die Ausschreibungsregeln bei der Konzessionierung der Wasserversorgung zu vereinheitlichen. Weil viele Leser Kopfschmerzen bekämen, wenn Sie einen Satz mit obiger Komplexität lesen würden, verschlankte beispielsweise die Bild die Überschrift auf "EU will Wasserversorgung privatisieren". 

Das liest sich zwar besser, ist aber leider nicht mehr richtig.


Es geht nicht um eine Zwangsprivatisierung. Es geht nicht um Monopolkontrolle. Es geht allein um die Frage, in welcher Form eine Ausschreibung erfolgen muss, wenn sich der bisherige öffentliche Träger einer Wasserversorgung von sich aus zu einer (Teil)privatisierung entschließt. Zeit online hat einen ausführlichen Bericht dazu geschrieben. 

Trotzdem hält sich in den Medien und der Öffentlichkeit hartnäckig die Behauptung, hier würde etwas Furchtbares vorbereitet. Ein öffentliches Gut -so etwas wie die Luft oder das Sonnenlicht - werde von den Kapitalisten geraubt. Ein natürliches Monopol werde missbraucht, um die Allgemeinheit auszubeuten. Das alles wäre ein Angriff auf die Menschenrechte

Holla, die Waldfee, möchte man da rufen. Geht´s auch ´ne Nummer kleiner? Nicht nur, dass die Anschuldigungen frei erfunden sind (lesen Sie dazu den oben verlinkten Artikel in der Zeit online). Offensichtlich sind hier auch einige Begriffe uminterpretiert worden. 

These 1, Variante a: Wasser ist ein öffentliches Gut
These 1, Variante b: Wasserversorgung ist ein öffentliches Gut

Ein öffentliches Gut zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus: 
  • Es ist nicht teilbar
  • Der Konsum ist nicht-rivalisierend
  • Der Konsum ist nicht beschränkbar
Ob man unter diesen Gesichtspunkten das Gut "Wasser" als öffentliches Gut sehen möchte, ist schon schwierig. Aber die "Wasserproduktion" ist eindeutig kein öffentliches Gut - genau so wenig, wie die Produktion von Coca Cola ein öffentliches Gut ist. 

Selbstverständlich kann man das produzierte frische Wasser teilen - wenn man eine größere Menge davon an Konsumenten A verkauft, dann kann Konsument B dieses Wasser nicht mehr nutzen. Im allgemeinen ist genügend Wasser vorhanden, so dass die Teilbarkeit nicht auffällt (genau wie bei Cola übrigens, wo man normalerweise auch nicht von Verfügbarkeitsengpässen hört). Aber bei langen Hitzeperioden hat es auch in Deutschland schon Beschränkungen des Wasserverbrauchs gegeben. 

Und das gleiche gilt mit exakt den gleichen Argumenten für die Rivalisierung des Konsums: wenn ich Wasser trinke, dann kann mein Nachbar dieses Wasser nicht mehr trinken. Er kann anderes Wasser trinken und wenn genug da ist, dann fällt die Rivalisierung nicht auf. 

Außerdem ist der Konsum beschränkbar. Wenn die Techniker des Wasserwerks vor mein Haus fahren und unter dem kleinen Metalldeckel den Hahn zu meinem Wasseranschluss zudrehen, dann habe ich kein Wasser mehr. Aus die Maus. 

These 2: Wasserversorgung ist ein natürliches Monopol

Ein natürliches Monopol zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus: 
  • Sehr hohe Fixkosten führen dazu, dass auch bei Vollversorgung aller Konsumenten ein einzelnes Unternehmen zu geringeren Gesamtkosten anbieten kann, als mehrere konkurrierende Unternehmen das könnten, die sich den Markt teilen. 
Um diese Frage zu beurteilen, muss man zwischen der Wasserproduktion und der Wasserverteilung unterscheiden. In diesem Sinne ähnelt die Wasserversorgung dem Markt der Energieversorgung. 

Selbstverständlich kann man die Wasserproduktion auf verschiedene Marktteilnehmer aufteilen - so ist es ja heute schon, denn in Deutschland gibt es mehr als 6000 Wasserwerke.  

Anders sieht es bei der Wasserverteilung aus: hier existieren lokale Monopole. Es ist auf jeden Fall günstiger, nur ein Netzwerk aus Wasserleitungen zu installieren. Diese Vorgehensweise ist sogar so effizient, dass wir es uns leisten können, auf eine Unterscheidung in Wassergüteklassen zu verzichten. Auf Deutsch: es gibt kein zweites Leitungsnetz für Brauchwasser. Durch unsere Toilette rauscht allerfeinstes Trinkwasser - gerade weil die Wasserverteilung ein natürliches Monopol ist. Aus diesem Grund gab es vor langer Zeit auch die Entscheidung zum Zwangsanschluss aller Verbraucher an das öffentliche Wassernetz. Es ist günstiger, die Wasserqualität nur einmal sicherzustellen und sauberes Wasser zu verteilen, als mit tausenden privaten Brunnen fertig zu werden. Mein Großvater hat sich noch beschwert, weil er gezwungen wurde, den Hofbrunnen trocken zu legen und statt dessen einen Anschluss an das öffentliche Netz zu bezahlen. Aber gesellschaftlich ist diese Entscheidung begründbar.

Damit ist zunächst mal geklärt, wieso es eine Privatisierung der Wasserproduktion gibt: weil es sich um ein ganz normales privates Gut handelt und gleichzeitig kein natürliches Monopol vorliegt. Es kommt ständig vor, dass in Städtchen A ein Wasserwerk schließt und statt dessen die Wasserproduktion aus Städtchen B in die Leitungen eingespeist wird. Oder umgekehrt ein neues Wasserwerk eröffnet wird und die Bürger ihre Wasserrechnung an einen neuen Produzenten überweisen. Die Anzahl der Marktteilnehmer schwankt ständig. 

Die Netze dagegen bleiben stabil. Und die Netze sollten in öffentlicher Hand bleiben, so die ökonomische Analyse. 

Die Produktion dagegen, kann sowohl öffentlich als auch privat organisiert werden. Dabei kann je nach Land und Umständen das eine oder das andere günstiger sein, wie eine Untersuchung dreier deutscher Wirtschaftswissenschaftler ergab. 

Es ist offensichtlich, dass die obigen Gedanken nichts über die politischen und sozialen Fragen der Wasserproduktion aussagen. Zum Beispiel halte ich es für rechtlich geboten, dass niemand von der Wassernutzung ausgeschlossen werden kann. "Wasser abdrehen", nur weil jemand seine Rechnung nicht bezahlt hat, ist für mich nicht diskutabel. 

Aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Es ist in der Tat nur schwer nachvollziehbar, wieso es ein Anschlag auf die Menschenrechte sein soll, wenn eine sowieso beabsichtigte Privatisierung öffentlich nachvollziehbar sein soll. So schreibt die Zeit:
"In Wirklichkeit tut die Richtlinie genau das Gegenteil. Sie verpflichtet Gebietskörperschaften, ein faires und transparentes Verfahren durchzuführen, wenn sie im Rahmen ihrer Autonomie die Entscheidung getroffen haben, die Wasserversorgung am Markt zu vergeben oder zu privatisieren." 
Das bisherige Verfahren ist teilweise so undurchsichtig, dass sich sogar das Kartellamt dafür interessiert. Wie auch immer: die sachliche Beurteilung des Produktes "Wasserproduktion" ergibt, dass dogmatische Positionen und Geschrei um angebliche Eingriffe in Menschenrechte überflüssig sind. Eine ergebnisoffene, sachliche Diskussion wäre viel nützlicher. 

Frank2000


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