13. November 2012

Zitat des Tages: "Ein außerordentliches Wachstum bei der Erzeugung von Erdöl und Erdgas in den USA". Reindustriealisierung der USA. Deindustriealisierung Deutschlands?

Die WEO [World Energie Outlook, Welt-Energieprognose) stellt fest, daß das außerordentliche Wachstum bei der Erzeugung von Erdöl und Erdgas in den USA einen grundlegenden Wandel in den globalen Energieflüssen bedeuten wird. (...) Nordamerika entwickelt sich zu einem Netto-Erdölexporteur. Das wird die Verschiebung in der Richtung des internationalen Erdölhandels beschleunigen. Bis 2035 werden 90 Prozent der Erdölexporte aus dem Nahen Osten nach Asien gehen.
Aus der gestern herausgegebenen Pressemitteilung der Internationalen Energieagentur (IEA) zu ihrem ebenfalls gestern veröffentlichten Bericht World Energy Outlook 2012. (Meine Übersetzung; das Original finden Sie unten).

Kommentar: Im US-Wahlkampf war die Autarkie bei der Energieversorgung (energy independence) ein zentrales Thema Mitt Romneys gewesen; einer seiner immer wieder vorgetragenen fünf Punkte. Manchem mag dieses Ziel für die energiehungrigen USA unrealistisch erschienen sein; aber die Prognose der IEA bestätigt Romney.

Der Hintergrund ist die schnelle Entwicklung moderner Bohrtechniken, die es erlauben, bisher nicht genutzte Erdöl- und Erdgasreserven zu erschließen (hydraulic fracturing, auch fracking genannt). Das hat in den USA bereits die Erdgaspreise drastisch fallen lassen. Sie betragen gegen­wärtig nur noch ein Fünftel des Preises in Deutschland.

Auch in Deutschland könnten mit dieser Technik Erdgas­vorkommen erschlossen werden; aber wie man sich denken kann, hat diese Aussicht sofort Umweltschützer auf den Plan gerufen (siehe Die deutschen Erdgasvorräte sind zehnmal so groß wie bisher angenommen; ZR vom 27. 6. 2012).

In "Welt-Online" hat gestern deren Energieexperte Daniel Wetzel auf die Folgen dieser Entwicklung in den USA einerseits und andererseits in Deutschland hingewiesen:

Während die Energie in Deutschland dank der "Energiewende" immer teurer wird, dürften auf dem Weltmarkt mit der Erschließung dieser "unkonventionellen Gasförderung" und der Gewinnung von Erdöl aus Schiefergestein die Preise fallen.

Für Deutschland wird das zwei Folgen haben: Erstens wird sich der Wettbewerbsnachteil der deutschen Wirtschaft verschärfen, der bereits jetzt durch die "Energiewende" droht (siehe "Ich muß aufpassen, daß Erhard sich nicht wegdreht". Die Energiewende und das Dilemma der FDP; ZR vom 9. 11. 2012).

Zweitens dürfte sich die Berechnungsgrundlage als falsch erweisen, aufgrund deren in Deutschland bisher angenommen wurde, daß die sogenannten erneuerbaren Energien mittelfristig dasselbe Kostenniveau erreichen wie die konventionellen Energien. Wetzel:
Eine Phase billigen Erdgases und in der Konsequenz auch billiger Kraftwerkskohle war bei der Planung der Energiewende jedenfalls nicht vorgesehen. Die erneuer­baren Energien sehen sich jetzt einem verschärften Wettbewerb ausgesetzt.

Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Vorteile der ökologischen Energiewende einstellen, bevor die heimische Industrie im Standortwettbewerb mit der Billigenergie-Region Nordamerika zu viel an Boden verliert.
Eine wahrscheinlich leere Hoffnung. Deutschland hat sozusagen kein Glück, und nun kommt auch noch Pech dazu:

Erst haben wir mutwillig auf die billige Nuklearenergie verzichtet und auf die teuren "erneuerbaren" Energien gesetzt. Jetzt wird Deutschland auch noch unter dem Druck der Öko-Lobby sehr wahrscheinlich auf die Erschließung unserer Erdgasvorräte durch Fracking verzichten. Und als wäre das nicht genug, wird der bevorstehende Boom konventioneller Brennstoffe insgesamt die Energiepreise auf dem Weltmarkt fallen lassen; mit dem Ergebnis, daß der Industriestandort Deutschland mit seiner künstlich verteuerten Energie immer unattraktiver wird.

Wir haben es so gewollt. Als ein entscheidendes Datum für den wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands werden die Historiker den 30. Juni 2011 ausmachen; den Tag, an dem das verhängnisvolle Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes beschlossen wurde.

"Die Weltmacht Amerika steht vor der Re-Industriealisierung", heißt es im Vorspann zu Wetzels Artikel in "Welt-Online". Deutschland könnte vor einer Deindustriealisierung stehen.



Die zitierte Passage im Original:

The WEO finds that the extraordinary growth in oil and natural gas output in the United States will mean a sea-change in global energy flows. In the New Policies Scenario, the WEO's central scenario, the United States becomes a net exporter of natural gas by 2020 and is almost self-sufficient in energy, in net terms, by 2035. North America emerges as a net oil exporter, accelerating the switch in direction of international oil trade, with almost 90% of Middle Eastern oil exports being drawn to Asia by 2035.
Zettel



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