Eine Münchner Radiomoderatorin hat (...) sich in einer Sendung am letzten Samstag im Juli mit dem Satz "Arbeit macht frei" an Hörer gewandt, die an diesem Tag arbeiten mussten. (...) Ein Ehepaar erstattete Anzeige, weil die Reaktion einer Mitarbeiterin des Senders verharmlosend gewesen sei: "Nehmen Sie es doch einfach mit Humor", soll die 19-jährige Assistentin am Telefon gesagt haben.
Beide Frauen seien entlassen worden, auch wenn sie ihren Fehler eingesehen hätten, sagte Gong-Geschäftsführer Georg Dingler.
Kommentar: Es wurde gegen die Moderatorin außerdem von der Staatsanwaltschaft München I ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet.
Interessanterweise steht in der Meldung als Erläuterung: "Der Satz prangte über dem Tor zum Konzentrationslager Auschwitz". Abgesehen davon, daß "prangte" wohl auch dem Sachverhalt nicht angemessen ist, zeigt dieser Satz, daß der Verfasser der Meldung es für nötig hielt, die Leser der SZ in diesem Punkt aufzuklären. Er setzt bei ihnen offenbar das nicht voraus, was man bei der Moderatorin voraussetzte.
Daß die Moderatorin, als sie in einer live gesendeten Moderation diesen Satz sagte, an den Zusammenhang mit Auschwitz dachte, ist denkbar unwahrscheinlich. Man kann ihr Gedankenlosigkeit vorwerfen; eine Unbedachtheit, wie sie freilich beim Moderieren ohne Manuskript immer einmal wieder vorkommt. Vielleicht sollte man auch ihrer Schule ankreiden, sie nicht genügend über Auschwitz aufgeklärt zu haben.
Daß dies zur Entlassung führte (wie auch die gedankenlose Floskel "Nehmen Sie es doch einfach mit Humor", welche die Mitarbeiterin am Hörertelefon vermutlich schon unzählige Male verwendet hatte), ist symptomatisch für die Tugendrepublik Deutschland. Es wimmelt in diesem Land von Aufpassern, von Tugendwächtern, von allzeit Empörungsbereiten.
Natürlich gibt es solche Zeitgenossen in jedem Land. Aber statt daß man sie ignoriert, finden sie in Deutschland nur allzu bereitwillig Gehör. Das Ergebnis ist ein Klima einer weit verbreiteten Vorsicht und Selbstzensur, wie dies eigentlich für Diktaturen kennzeichnend ist.
Nur noch siebzig Prozent der Deutschen sind der Meinung, daß man "heute in Deutschland seine politische Meinung frei sagen kann"; der niedrigste Wert seit der Nachkriegszeit. Wenn man wegen eines gedankenlosen Satzes seinen Job verlieren kann, dann sollte man sich vielleicht in der Tat den gegenwärtig rund zwanzig Prozent zugesellen, die sagen, es sei "besser, vorsichtig zu sein".
Diese Zahlen können Sie nachlesen in:
Beide Frauen seien entlassen worden, auch wenn sie ihren Fehler eingesehen hätten, sagte Gong-Geschäftsführer Georg Dingler.
Kernsätze einer Meldung, die Sie vollständig heute in Süddeutsche.de lesen können.
Kommentar: Es wurde gegen die Moderatorin außerdem von der Staatsanwaltschaft München I ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet.
Interessanterweise steht in der Meldung als Erläuterung: "Der Satz prangte über dem Tor zum Konzentrationslager Auschwitz". Abgesehen davon, daß "prangte" wohl auch dem Sachverhalt nicht angemessen ist, zeigt dieser Satz, daß der Verfasser der Meldung es für nötig hielt, die Leser der SZ in diesem Punkt aufzuklären. Er setzt bei ihnen offenbar das nicht voraus, was man bei der Moderatorin voraussetzte.
Daß die Moderatorin, als sie in einer live gesendeten Moderation diesen Satz sagte, an den Zusammenhang mit Auschwitz dachte, ist denkbar unwahrscheinlich. Man kann ihr Gedankenlosigkeit vorwerfen; eine Unbedachtheit, wie sie freilich beim Moderieren ohne Manuskript immer einmal wieder vorkommt. Vielleicht sollte man auch ihrer Schule ankreiden, sie nicht genügend über Auschwitz aufgeklärt zu haben.
Daß dies zur Entlassung führte (wie auch die gedankenlose Floskel "Nehmen Sie es doch einfach mit Humor", welche die Mitarbeiterin am Hörertelefon vermutlich schon unzählige Male verwendet hatte), ist symptomatisch für die Tugendrepublik Deutschland. Es wimmelt in diesem Land von Aufpassern, von Tugendwächtern, von allzeit Empörungsbereiten.
Natürlich gibt es solche Zeitgenossen in jedem Land. Aber statt daß man sie ignoriert, finden sie in Deutschland nur allzu bereitwillig Gehör. Das Ergebnis ist ein Klima einer weit verbreiteten Vorsicht und Selbstzensur, wie dies eigentlich für Diktaturen kennzeichnend ist.
Nur noch siebzig Prozent der Deutschen sind der Meinung, daß man "heute in Deutschland seine politische Meinung frei sagen kann"; der niedrigste Wert seit der Nachkriegszeit. Wenn man wegen eines gedankenlosen Satzes seinen Job verlieren kann, dann sollte man sich vielleicht in der Tat den gegenwärtig rund zwanzig Prozent zugesellen, die sagen, es sei "besser, vorsichtig zu sein".
Diese Zahlen können Sie nachlesen in:
Überlegungen zur Freiheit (13): Tugendrepublik Deutschland. Die Ergebnisse von "Freiheitsindex Deutschland 2011", im Detail betrachtet (Teil 1); ZR vom 30. 6. 2012Siehe auch:
Marginalie: Aufregung über den "inneren Reichsparteitag". ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz entgleist zum zweiten Mal; ZR vom 14. 6. 2010
Zitat des Tages: Hansi Flicks Äußerung im Wortlaut. Es gibt da eine hübsche Pointe; ZR vom 9. 6. 2012
Zettel
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